Ein erfahrungsreicher Tag heute. Intensive Prozesse laufen. Puzzleteile fügen sich zu einem Ganzen.
Erfahrungen
Die neue Übung morgens den dritten Tag. Ich habe meinen Weg damit gefunden. Mir versprochen, mindestens 2 Wochen diese Übung für 10 Minuten. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht erhöhen, aus dem Zweifel, dass es zu wenig ist. Nicht unter Druck setzen, mehr machen zu müssen (wie andere es sagen). Mir das erlauben. Mir treu bleiben. So fühlt es sich gut an.
Ich liege heute in dieser Übung, dem schlafenden Tiger. Auf dem Rücken, Beine leicht gebeugt in die Luft gehalten, Hände auf dem Unterbauch und durch den Mund mit „Haaah“ ausatmen. Bewusstsein immer wieder in den Unterbauch lenken. Alles wahrnehmen, nichts sein, nur beobachten. Nicht mit dem Körper identifizieren und dem was sich da tut an Schmerzen, Anspannung, Zittern.
Ich spreche innerlich mit mir. „Meine Beine werden getragen. Ich vertraue.“ Ich versuche in die Atmung und meinen Unterbauch loszulassen. Parallel eine andere Stimme in meinem Kopf, in meinem Körper. Ein Wimmern. „Ich kann das nicht schaffen. Da siehst du? Mein Becken fängt wieder an zu kippen. Meine Muskeln fangen an zu zittern. Ich kann meine Beine nicht mehr halten. Ich kann das nicht! Ich werde das nicht schaffen. Ich glaube nicht daran. Nie und nimmer.“ Dieses Gefühl, diese Worte kommen aus meinem Unterbauch. Es fängt an zu weinen. Ich weine während ich weiter die Beine in die Luft halte (Wahrnehmung am Rande: das Halten geht auf einmal ganz einfach). Dieses Gefühl beinhaltet das gesamte fehlende Vertrauen, den gesamten fehlenden Glauben in mich selbst, über diese Übung hinaus. Es erinnert sich ein Leben lang, an jedes Alter in dem Erinnerungen möglich sind, vom Kindergarten bis heute, dagewesen zu sein. „Ich kann das nicht. Ich kann nichts. Ich werde scheitern.“ In mir ein Kind mit gesenktem Kopf, hängenden Schultern, innerlich weich, ohne Widerstand. Unbeweglich, zusammengefallen, zurückschreckend vor jeder neuen Erfahrung, Herausforderung, Aufgabe. In sich selbst verkriechend, um Schutz zu suchen. Auflösen. Später, auf diese Gefühle bauen andere auf. „Ich bin schlecht, weil ich nichts kann. Ich bin schuld, das ich nichts kann.“ Wie traurig, dass es sich so fühlen muss. Es tut mir leid. Es tut mir weh.
Nach dieser Erfahrung fühle ich mich zwar sehr gerädert, doch auch befreit. Etwas hat zusammen gefunden. Mir fällt die enge Verknüpfung von meinen Gedanken und Gefühlen auf. Gefühle entstehen bei mir oft erst über Gedanken.
Zusammenhänge
Am Nachmittag. Meine Gedanken treiben immer wieder um diese Erfahrung. Suche in meiner Vergangenheit. Wann bin ich an was so massiv gescheitert? Wann musste ich etwas tun, was ich nicht konnte? Wo habe ich das Vertrauen verloren, in mich? Es muss früh gewesen sein. Mir fällt der Unfall ein, mit 2 Jahren.
Ich krame in Notizen meiner Eltern (toll, dass ich so etwas habe). Mit ca. 1,3 Jahren unsicheres Laufen, mit 1,8 Jahren sicheres Laufen. Mit ca. 1,3 Jahren Gewöhnung ans Töpfchen. Dann mit 2,1 Jahren ein Sturz, mit Oberschenkelhalsfraktur. 3 Monate das Becken komplett in Gips, inklusive das ganze rechte Bein und das halbe linke. Nur noch Krabbeln möglich und wieder durchgängig Windeln benutzen.
Dieser wahnsinnige Schmerz vom Sturz? Erzählungen von großer Unsicherheit, als ich nach der Gipsabnahme laufen sollte. Eine neue Ängstlichkeit, von der berichtet wurde, die vorher nicht existierte. Eine Ängstlichkeit meinen Fähigkeiten zu vertrauen? So grundlegend? Es würde passen. Ich spüre weiter nach. Ich soll etwas tun, was ich nicht kann. Laufen? Ein Schmerz der mich aus meinem Körper treibt? An diesem wichtigen Entwicklungsschritt scheitern? Auf eigenen Beinen stehen? Es passt immer noch.
Was machen Kleinkinder mit Schmerzerfahrungen?
Heute. Die Verkrampfung im gesamten Darm. Das Halten im Becken. Das allgemeine schwere Loslassen in meinem Körper. Nicht loslassen können in Lustempfindungen. Das Misstrauen gegenüber Körpergefühlen. Davor zurückschrecken. Rein und gleich wieder raus. Durch diesen Unfall? Mir fällt auch ein Traum mit einem Rollstuhl ein. Ich hätte aufstehen können. Wollte es aber nicht. Wollte sicher bleiben.
Ich habe keine konkrete Erinnerung. Die Verbindungen entstehen gerade im Kopf. Doch es fühlt sich so verdammt stimmig an.
Auswirkungen
Ich versuche, während ich an einer Schachfigur feile, weiter meinen Unterbauch zu fühlen. Und oho, welch Wunder… er ist wirklich fühlbar. Dadurch veränderte sich meine gesamte Haltung und mein Gefühl. Ich arbeite nicht mehr über den Kopf, sondern mit dem Bewusstsein im Körper. Meine Schultern sackten nach unten, entspannten sich (mein Gott, ich wusste gar nicht, dass die die ganze Zeit oben sind). Mein Rücken richtet sich selbstständig auf, in eine gesunde, wohltuende Position. Meine Atmung ging tief. So hat das alles richtig Freude bereitet, wo sonst viel Konzentration und Anspannung war.
Wow, ich find es toll, mit wieviel Ehrlichkeit und Mut du durch die Prozesse gehst! Wenn mein Körper bei so einer Übung jammert, würde ich wohl erstmal innehalten und das kleine Kind in den Arm nehmen … aber offenbar bist du auch so auf der anderen Seite wieder raus gekommen. 🙂
Nach dem Unfall muß es ja ein Gefühl gewesen sein, wie eine Fähigkeit zu verlieren, die du eigentlich schon hattest. Kein Wunder, daß sich das im Körperbewußtsein festgesetzt hatte …
Eine ähnliche Erfahrung mit dem „Auf Nummer Sicher gehen“ hatte ich beim Fahrradfahren. Ich hab ewig gebraucht, bis ich mich traute, ohne Stützrädchen zu fahren, und dann auch nur, als mein Dad mich festhielt. Als ich dann mal sah, daß es auch ohne geht, war auf einmal alles gut. 🙂
Werd jetzt den schlafenden Tiger auch mal öfter probieren – danke für die Inspiration! Heute war mal wieder eher Energiearbeit dran, aber ich weiß, daß ich zuwenig in den Unterbauch atme …
das ganze hat einen vorlauf. ich schreibe gerade an einem artikel dazu. von mir aus hätte ich diese übung so nicht durchgezogen. mein erfolg dabei ist, dass ich das hinspüren zulasse und eben nicht abbreche, ausweiche. das ist meine art und weise meine kleine in den arm zu nehmen.
energiearbeit? ich würde ja sagen, das der schlafende tiger auch energiearbeit ist.
Meinst du, in den Arm nehmen ist eine Art zu kneifen? Wir haben im Qi Gong gelernt, wenn irgendwas wehtut, sofort aus der Übung rauszugehen. Man kann sich sonst Verletzungen zuziehen … Aber vielleicht ist das bei deiner Übung anders. Und wie gesagt, ich find es super, daß du die Prozesse zulassen kannst.
Dein Artikel klingt interessant. Würde ich gerne lesen, wenn das okay ist.
Natürlich hast du recht, daß auch beim Yoga, Qi Gong, Tai Chi etc. Energie bewegt wird. Dafür macht man es ja unter anderem. 😉 Aber ich meinte jetzt mit „Energiearbeit“ Sachen, die sich rein energetisch abspielen, wobei man den Körper nicht bewegt. Das war bei mir gestern dran. Heute sind es dagegen sehr sehr körperliche Dinge …*gg* bei denen auf andere Art viel Energie bewegt wird. Und auch ein bißchen „esoterischer“ Krams. Guckte gerade in der Bibliothek Bilder von altägyptischen Artefakten an … da bewegte sich auch eine Menge Energie in mir. 😉
Nicht ganz einfach mit den Definitionen …
LG 🙂
nicht ganz einfach, stimmt :). jeder füllt worte anders.
mit in den arm nehmen meinte ich bei mir, dass dahinterschauen zuzulassen, hinter körperliche symptome. nachspüren. hinhören. das gehörte, erspürte ansehen. nicht abwenden. wie schmerz einordnen, mit ihm umgehen, bin ich auch unsicher. der eine sagt so, der andere so. aber das steht im nächsten artikel der gerade fertig geworden ist. 🙂
[…] Überraschung war dann, als meine Beine doch tatsächlich für kurze Zeit in der Übung des schlafenden Tigers alleine getragen wurden. Das erste Mal in einem Jahr und zehn Monaten. Ich habe mich völlig frei […]
[…] Texten aus Juli 2013, hab ich die Übung erklärt und Erfahrungen damit geschildert. Interessant diese alten Sachen zu lesen. Da hab ich mich ganz […]