Nachdem ich gestern meine Erkenntnisse zum Thema Leiden hatte und sie aufschrieb, hat sich einiges verändert. Wieder mal beeindruckend!
Zu jeden Bereich wo ich geschrieben hatte, dass ich das nicht fühlen kann, bekam ich ein Gefühl. Ich hatte wieder mehr Raum und konnte besser sehen wie es wirklich ist. War schon fast befreiend.
Ich schreibe ‚fast befreiend‘, weil die Energie des Leidens nicht weg ist. Sie kam zurück und ist immer mal wieder da. Meine Position dazu ist jedoch eine andere.
Ich konnte heute etwas hinein fühlen, mit dem Bewusstsein, dass es einen Ursprung haben muss. Ich kam in undefinierte Empfindungen von krank und alleine in einem Raum sein. Und ein Warten, dass es vorbei geht. Meine Mutter wartet, dass es vorbei geht, damit sie wieder ihren Dingen nachgehen kann.
Meine Gedanken dazu waren, dass ich als Kind in Krankheiten und Verletzungen zwar körperlich versorgt wurde, aber nicht emotional. Ich wurde versorgt und dann überließ man mich mir selbst. Am deutlichsten habe ich die Erinnerung in mir, wie ich wegen Krankheit im Bett liege und höre, wie mein Vater das Haus verlässt und die Haustür von außen abschließt. Es wird abgeschlossen, wenn keiner mehr in der Wohnung ist.
Diese Erfahrung sitzt.
Wenn also damals sehr oft mein Leiden emotional nicht versorgt wurde, mir nicht geholfen wurde, damit umzugehen, es zu lindern, dann hängt es vielleicht noch im Raum.
Als ich diese Zusammenhänge etwas ergründet hatte, tat es mir leid um mein kleines Ich und ich nahm mein Leid in den Arm. Es hat ein bisschen geweint. Weinen ist immer gut. Dann ist was angekommen und das berührt mich jedes Mal aufs Neue.
Schön und lindernd fand ich dann auch, als mir ein Text in die Hände fiel, der diesen Prozess genau aufgriff. Ich habe seit bestimmt einem halben Jahr die ‚Buddhismus aktuell – Ausgabe 4/2015‘ hier rumliegen und lese in ganz großen Abständen darin. Heute nahm ich sie mal wieder und las etwas über die Praxis des Selbstmitgefühls
„Die Absicht der Selbstmitgefühlspraxis kann man folgendermaßen zusammenfassen: Wir schenken uns Mitgefühl, nicht damit es uns besser geht, sondern weil es uns schlecht geht. (…) Wenn wir Leid erleben, ist Güte die einzige sinnvolle Antwort darauf. (…) Jegliche Praxis, die wir mit einer Absicht ausüben, Leid loszuwerden, ist zum Scheitern verurteilt, da wir sie nutzen, um unsere Erfahrungen zu manipulieren und uns der Realität, wie sie ist, zu widersetzen. Selbstmitgefühlspraxis bedeutet also, sich im Geiste selbst liebevoll in den Arm zu nehmen, das Leid anzuerkennen, verstehen zu wollen und sich zu trösten und zu ermutigen, so wie wir es für einen geliebten Menschen machen würden.“
Hach ja… buddhistische Texte spiegeln sehr oft meinen Weg, meine Erkenntnisse und meinen Umgang mit mir selbst wieder.
Und auf der nächsten Seite sprang mich noch ein Werbetext an, von einem Buch von Thich Nhat Hanh, wo stand: “ Der große Weisheitslehrer zeigt, wie wichtig es ist, nach den Wurzeln des Leids zu suchen, denn erst dann können wir Mitgefühl entwickeln (…).“
Es gibt ja verschiedene Wege mit sich zu arbeiten. Für mich zeigt sich sehr oft, mir von innen heraus zu begegnen. Zu Üben, alles da sein zu lassen, was gerade ist, damit nichts zu machen und mich mit dem Moment liebevoll zu verschmelzen. Wenn es zu letzterem kommt, ich es in mir aufnehmen kann, eintauche in eine Empfindung, ein Gefühl, eine Energie, dann geschieht oft von ganz alleine eine Veränderung dieser Empfindung, dieses Gefühls, dieser Energie oder was auch immer da ist. Das ist jedes Mal irgendwie magisch, wie ein kleines Wunder.
Ich weiß nicht, ob man mit diesen Formulierungen etwas anfangen kann.
Doch, ich kann damit was anfangen. Ich mach es auch so, wenn in mir Traurigkeit ist, laß ich das Gefühl dasein und nehme mich mal freundlich in den Arm. Gestern fühlte ich viel Schmerzen und hab die dann einfach über die Stimme rausgelassen, jede Menge Schmerzenslaute. Es kostet ein bißchen Überwindung, aber es hilft. (Allerdings hab ich dann immer heftige Schuldgefühle, daß es in mir so aussieht und ich es noch nicht mal weiß.) Der buddhistische Text gefällt mir gut. 🙂
danke das du dich damit hier zeigst.
ich bin auch öfters erschrocken darüber, was so in mir ist, ohne dass ich es weiß.
gestern kam z.b. der satz „ich kann nicht mehr“. mir war überhaupt nicht klar, dass es gerade schon so arg ist.
Liebe Sophie,
ein sehr berührender Beitrag, wie du von deinem Leid erzählst und wie du damit umgehst. Ich kann das sehr gut mitfühlen. Danke auch für den buddhistischen Text, der mir aus der Seele spricht.
Liebe Grüße
„Benita“
Der Beitrag ist zwar schon lange her – bei mir hier aber grad sehr aktuell… Du schreibst hier, dass die Wurzeln des Leids erkannt werden müssen…. aber ich kenne sie doch schon…. aber genau deshalb ist das Leid so groß, weil wir so daran gearbeitet haben bewusster zu werden, die Wurzeln aufzudecken, aber das vergrößerst das Leid nur, weil ich es zwar kenne aber nichts tun kann.
In den Arm nehmen kann ich es nicht – durch Selbstmitleid`? Darin ersticke ich ja schon. Ich weiß es gibt einen Unterschied zwischen Selbstmitleid und Annahme des Leids…. nur ich weiß nicht wie ich es annehmen kann, es ist für mich zu groß, zu schwer, zu unmöglich, es würde auch nicht reichen, weil es so ungerecht ist!
Liebe Melinas,
vielleicht ist es noch nicht an der Zeit, dass sich dieses Leid lösen kann.
Mitgefühl und liebendes Bewusstsein kann nicht erzwungen werden.
Du sprichst auch von Unrecht. Da scheint es noch andere Gefühle, vielleicht Wut?, zu geben, die ein Annehmen noch nicht ermöglichen.
Ich kenne diese elende Zwickmühle. Das Leid sehen, kennen. Doch ist es zu groß, zu mächtig, um es selbst zu tragen. Daran entsteht dann noch weiteres Leid, weil es keinen Ausweg gibt.
Kannst du das erstmal so annehmen, dass es jetzt so elend und auswegslos ist, wie es ist? Vielleicht darüber schimpfen und weinen und verzweifelt sein, weil es so ungerecht ist?
Ich schicke dir viel Liebe und Mut da durchzugehen.