Heute hat mein Bewusstsein die Flucht gewählt und ich kann es nur zu gut verstehen.
Die letzten Tage waren sehr herausfordernd. Gefüllt mit Erinnerungen fühlen und halten und jeder Menge Fürsorge, um Begleiterscheinungen zu lindern, Ängstspiralen zu händeln und in Verbindung mit etwas Haltendem zu bleiben.
So viel Bewusstes-Sein. Ich war echt erstaunt. Ich habe alles verstanden und war bei mir und dem was geschah.
Dann geschah noch etwas und heute geschah noch etwas. Das war dann wohl das Ende der Bewusst-Seins-Kapazität.
Ich sitze hier mit schweren Augen und mein Fokus auf die Welt gleitet sofort ins Nirgendwo, wenn ich aufhöre, ihn zu fixieren. Zweimal tagsüber geschlafen und könnte es gleich wieder tun.
Neue Gefühlsbewältigungsstrategien tauchen auf, die ich mit der Osteopathie in Verbindung bringe, als würden die Energien nun veränderte Wege wählen.
Ein Telefonat, bei dem mein eigenes neues, ungewohntes Verhalten (aufgebrachtes Reagieren) einen inneren Schock verursachte. Der Schock fühlte sich nicht an wie ein Schock (Medikamente), aber die Reaktionen waren eindeutig, dass mein Gehirn seine Arbeitsweise verändert hatte. Ich musste erst einmal auflegen, fing an meine Augen zu kneifen (neu), den Kiefer immer wieder zu öffnen, wie Gähnen, aber ohne Gähnen (neu) und kurz beschleunigt zu atmen. Irgendwie war da ganz flach auch Angst zu spüren. Ich rief zurück. Augenkneifen blieb. Bewusstsein wollte immer wieder wegrutschen. Sprache fehlte teils im Kopf. Satzlücken. So, dass es auffiel. Mundöffnen kam nach dem Auflegen wieder (neu).
Ich ließ es trotzdem geschehen, dass die Haushaltshilfe 15 Minuten später kam. Vielleicht ließ ich es auch nicht geschehen, als eine Entscheidung, sondern ich konnte mich einfach nicht mehr verhalten.
Sie kam, sah und ging auf die Toilette. Wahrscheinlich nicht wegen mir, aber ich war froh darüber. Es war das zweite Mal, dass sie das genau im richtigen Moment tat. Zeit für mich, um zu erfassen, was ist gerade und wie sage ich ihr das.
Ich glaube, ich habe es ihr ziemlich gut erklärt und war wieder mal selbst davon überrascht. Ich staune öfter mal, wenn ich versuche anderen etwas zu sagen, wo ich der Meinung bin, dass kann jetzt niemand verstehen und dann höre ich mich ganz klar sprechen.
Ich staunte auch darüber, dass diese Situation wie sie war, so wenig Scham und Selbstabwertung auslöste. Vielleicht war sie nicht so besonders von außen, aber in meinem Normalzustand würde so etwas nie vorkommen. Ich hätte nicht noch mein Frühstücksmüsli vor mir auf dem Tisch gehabt. Ich hätte nicht noch meine Haushose angehabt, wo wir doch einkaufen gehen wollten (was bedeutet, mich umzuziehen zu müssen, während jemand ‚Fremdes‘ da ist). Ich hätte niemanden in meine Wohnung gelassen, solange ich keine ordentlichen Sätze sprechen kann, die Zunge wie Blei im Mund liegt, die Mundpartie schlaff, ohne Ausdruck. Ich hätte nicht zugelassen, dass jemand sieht, wie wenig Kontrolle ich noch über mein Denken und Handeln habe. Vielleicht war das im Vergleich immer noch ziemlich viel, was ich konnte. Für mich war das trotzdem ein ordentlicher Kontrollverlust und es war okay so.
Die Schwellen scheinen zu sinken, sich alles immer offener zu präsentieren. Hilfe kann innerlich mehr angenommen werden und Hilfebedürftigkeit darf mehr gesehen werden.
Ich bin so gottverdammt froh, dass ich um mich herum diese verschiedenen Unterstützungen habe. Ich wäre definitiv in einer heftigen Krise, wenn das nicht so wäre.
Alles was ich die letzten Tage getan habe, hat geholfen. Im Wald war es sogar möglich, mich völlig auf etwas anderes zu konzentrieren und alles zu vergessen. Mein Alltag war äußerlich fast normal. Eine riesige Veränderung, wenn ich das mit anderen Momenten vergleiche, in dem Unbewusstes bewusst wurde und so viel Leid mit sich brachte.
Es macht einen enormen Unterschied, wenn man versteht was passiert und fühlt, was man braucht (und das auch da ist).
Den einen Morgen lag mein Körper in angstverkrampfter Haltung, ich zitterte und weinte und mir war klar, dass das eine Intrusion ist, mein Körper die vergangene Bedrohung durchlebt. Dadurch konnte ich es zulassen, hatte eine annehmende, verständnisvolle Haltung dazu, weil ich Tage vorher gefühlt hatte, aus welcher Phase, mit welchen Erlebnissen diese Erfahrung zusammenhängt. Und ich wusste, dass es vorbei gehen wird. Ich kontaktierte jemanden schriftlich und entlastete mich, in dem ich teilte, was ich erlebte.
Ich hatte auch keine Hemmnisse mehr, die Bedarfsmedikation zu benutzen. Ich tat es nicht mehr, weil ich nicht mehr fühlen wollte, was passiert, sondern weil ich verstanden hatte, das mein Körper in einem Ausnahmezustand ist, mein Nervensystem dauerangespannt und wenn das länger geht, mein Körper für eine Pause und auch Schlaf dankbar ist.
Trotzdem hatte ich Angst, dass ich in eine Situation komme, wo ich mit allem was ich fühle überfordert bin und keine Hilfe da ist. Das erkannte ich erst beim Klopfen und gab mir wieder die Möglichkeit, meine Angst ernst zu nehmen und die kommenden Tage abzusichern.
Was wiederum zu heftigen inneren Reaktionen führte, als ich meine Bedürfnisse nach außen vertrat und ernst genommen wurde. Das kann ich nicht genauer erklären, ist jedoch der Grund, warum es heute mit dem Bewusst-Sein endete.
Hallo, ich lese seit einigen Tagen bei dir. Deine Beschreibung von deiner Cranio-Therapie hat mich auch beeindruckt.
Ich bin auch seit Mitte letztem jahr dabei und es ist für mich eine große Erahrung, was dabei und auch im Nachgang bei mir so passiert.
Ich finde, du kannst echt stolz auf dich sein, wie gut du mit allem umgehst, dass du dich traust, dich vor anderen zu zeigen etc.
Und ich glaube auch, es ist wichtig dir auch immer wieder Pausen zu geben. Ich kenn das Problem auch von mir.
Nach einer Cranio z.B. falle ich oft in eine Art Koma, bin völlig weit weg und muss wohl verarbeiten und auch ausruhen.
Und danke für die LandArt-Anregung, hab die letzten beiden Tage endlich mal wieder eine lange Waldrunde gemacht und dabei die Umgebung mit Kunstwerken versehen. Habe gar nicht mehr gewusst wie gut es tut allein im Wald zu sein.
Ja, wirklich spannend was dann doch noch so alles im Leben passieren kann… Deine Haushaltshilfe, weiß die etwas über deine PTBS?
Herzlichst
Sternchen
hey sternchen, danke für deine rückmeldung, gedanken und eigenen erfahrungen.
ja, diese idee von, im nebel sein, heißt auch ausruhen, erholen, verarbeiten, versuche ich immer wieder mit auf den schirm zu holen. der körper, die seele und was weiß ich, holt sich was er/sie/es braucht.
jaaa… der wald… im geiste bin ich da heute auch wieder hin geflüchtet.
die haushaltshilfe kennt die diagnosen, hat aber keine, bis kaum erfahrung und wissen, was genau das bedeutet.
alles gute dir.
Das ist dann nicht leichter, wenn sie davon nichts versteht. Um so mehr zeigt sich deine Stärke dich vor ihr so zu zeigen. Ich habe bis vor einigen jahren keinem draußen mein wahres Traumagesicht gezeigt. Meine Psychiaterin habe ich sehr lange mit meiner ANP (Anscheinend Normale Persönlichkeit nach dem Modell der Strukturellen Dissoziation) getäuscht. Ich hab immer so getan als ob ich total kompetent bin ,sehr viel Ahnung habe ( was ja auch irgendwie stimmt), aber ich hab ihr nie meine grenzenlose Bedürftigkeit gezeigt. Jetzt zeige ich davon schon einiges mehr. Aber auch meinen Therapeutinnen gegenüber konnte ich kaum weinen und loslassen. Das kann ich tatsächlich jetzt erst bei meiner Heilpraktikerin, die ist Craniotherapeutin und Gestalttherapeutin. Was ich bei ihr auf der Liege schon alles gezeigt habe überrascht mich immer wieder. Ich find es ist groß, wie du dich zeigst und für dich sorgst.
Herzlichst
Sternchen
ich kenne, was du beschreibst, dass nicht sichtbar wird, was in einem ist.
berührung ist extrem heilsam (in einem guten, sicherem rahmen). da kann viel mehr geschehen, außerhalb der sprache, am denken vorbei, als in einem gespräch. mich beeindruckt das auch immer wieder.