Werkstattsuche geht weiter

Puhhh. Das muss ich erst mal verkraften.

Ein Vorstellungsgespräch in einer Holzwerkstatt für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen…

…und wir stellen fest, dass die Einstiegsschwelle für mich zu hoch ist!

Schluck. Mein Ego kränkelt.

Oh mein Gott, wie tief stehe ich eigentlich – will es denken. Und was für ein Loser bin ich eigentlich, nicht mal das zu können – will es vertiefen.

Aber Stopp! Das stimmt ja alles nicht so ganz. Ich hab mir da ja auch die Deluxe-Variante an Werkstatt rausgesucht. Etwas Anspruchsvolles. Möbel restaurieren und neu bauen. Vielleicht wollte ich einfach nicht zu ‚denen‘ gehören, die nur noch irgendwo abgestellt werden.

Hmmm. War wohl ein Höhenflug. Tut’s recht, zurück auf den Boden zu prallen.

Da sieht’s eigentlich gar nicht schlimm aus, dort auf dem Boden. Alles sehr realistisch und angemessen, dort wo ich im Moment bin.

Und ich habe etwas dazu gelernt. Dadurch, dass ich nun weiß, wofür ich noch nicht geeignet bin.

Flexibilität. Mich auf Menschen, Gruppen, Arbeitsaufträge einstellen können. Das schaffe ich derzeit noch nicht gut, ohne dass mir mein eigenes Selbst-Gefühl dabei flöten geht und Angst mich übernimmt.

Statisch. Das ist das neue Schick, das ich anscheinend noch brauche. 😉

Klingt erst mal nicht so schön in meinen Ohren. Statisch sein. Aber ich versuche es mal nicht zu bewerten.

Einen statischen Arbeitsplatz. Heißt so viel. Nur wenige Anforderungen von Außen, auf die ich mich einstellen muss. Einen festen Platz im Raum an dem ich arbeite, überwiegend für mich. Aufgaben die ich mir selbst suche. Wenige Veränderungen von außen. Innere Veränderungen passieren von alleine.

Das ist die erste Stufe. Das ist vernünftig. Erste Erfahrungen sammeln. Beobachten wie es mir damit geht. Experimentieren. Eigene Ideen habe ich genug.

Ich war ewig nicht in einem Arbeitssetting, mit Menschen um mich herum, mit Interaktion zu jemand der anleitet und Wissen vermittelt.

Ich tue mich extrem schwer, mich auf Lehrer-Schüler-Beziehungen einzulassen. Wenn was nicht auf Augenhöhe ist, gerate ich in Abwehrhaltung. Und solange ich noch nicht weiß, ob der Andere mich gleichwertig sieht und mit mir umgeht, fühlt es sich in jeder Interaktion für mich an, als müsste ich um mein Leben kämpfen.

So verlief auch das Vorstellungsgespräch. Ein riesiger Energieverbrauch. Mehrmals fühlte ich mich in meinem Selbst so bedroht, dass ich sehr energisch wurde. Ich hatte das Gefühl, ich müsste um mich kämpfen. Das ich da sein darf, mit dem wie ich bin und was ich brauche. Ich hatte das Gefühl, ich müsste mich aufgeben, um dort arbeiten zu können (was in gewisser Hinsicht auch stimmt – deshalb kann ich da ja nicht arbeiten), ich darf nicht acht auf mich geben, muss mich anpassen.

Natürlich wurde das nicht von mir erwartet, sondern meine eigenen inneren Programme liefen ab.

Der Arbeitsbereich ist so strukturiert, das mein Achtgeben auf mich und umgehen mit Angst, dort keinen Platz findet.

Ich verstehe das, dass das nichts Persönliches ist, auch wenn es sich zeitweise sehr persönlich angefühlt hat.

Es gibt einfach Menschen die sich schon mehr Festigkeit erarbeitet haben und auch eine Weiterentwicklungsmöglichkeit suchen. Für diese Menschen ist dieser Ort genau richtig.

Mir fehlt diese Festigkeit noch. Ich benötige eine Vorstufe.

Logisch wäre nun, mir eine Holzwerkstatt zu suchen, die niedrigschwelliger arbeitet. Noch sind da Widerstände in mir. Und ein Gedanke ruft laut bei der Vorstellung von niedrigschwellig – Laaaangweiliiiig.

Ist schon irgendwie gemein, diese Kombination aus ‚Suche nach Herausforderungen‘ und ’schneller Überforderung‘. Das passt nicht so zusammen.

Ich musste dann zum Schluss auch echt im Gespräch weinen, weil ich an dieser Grenze, der fehlenden Funktionsfähigkeit/Flexibilität verzweifelt bin.

Und heute versuchte sich eine Selbstwertkrise anzuschließen. Leid und Wertlosigkeit machten alles eng. Doch mein Herz fand jedes Mal einen Weg sich wieder für mich zu öffnen, Tränen laufen zu lassen und mich in die Obhut des Lebens, dass es nur gut mit mir meinen kann, zurückzulegen. ❤

 

Arbeitsfähigkeit

Wie passe ich in die Vorstellung des Systems in den Bereichen Gesundheit und Arbeit? Wie ordnet das System mich ein? Wie ordne ich mich ein? Was erfahre ich mit mir? Welche Relevanz hat das für das System? Was bedeutet Leistungsfähigkeit für mich und was bedeutet es für das System?
Diese Fragen beschäftigen mich immer wieder und momentan etwas mehr.

Über den ganzen Zeitraum der laufenden, von der Ärztin ausgeschriebenen Arbeitsunfähigkeit, also seit April 2013, sehe ich Verbesserungen. Schritt für Schritt wird es besser. Was wird da besser? Die Lebendigkeit, die Aktivität nimmt insgesamt zu und die schweren, handlungsunfähigen Zeiten nehmen insgesamt ab. Aber was genau bedeutet das? Das bedeutet, dass es wochenweise Zeiten gibt, wo ich spüre, dass da Kapazitäten frei sind. Das ich wohl ein paar Stunden arbeiten gehen könnte und auch wollen würde. Und dann kommt es alle paar Wochen dazu, dass ich null Reserven habe und verdammt froh bin, nicht mit einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit belastet zu sein, weil mich der Alltag schon unheimlich anstrengt und kaum zu bewältigen ist.

Was heißt das jetzt für meine Arbeitsfähigkeit? Die Bescheinigung der Ärztin attestiert immer wieder die Arbeitsunfähigkeit. Im System bedeutet das, dass ich an keinem Tag arbeitsfähig bin. Für mich stimmt das nicht. Ich bin tageweise arbeitsfähig. Im System bedeutet das, dass ich keine mindestens 6 h täglich arbeiten kann. Das kann ich auch momentan nicht. Nach meiner eigenen Einschätzung, könnte ich trotzdem sehr wohl, in der Form des freien Arbeitens einige Stunden schaffen. Um das zu tun, muss ich aber arbeitsfähig geschrieben werden. Doch im System heißt Arbeitsfähigkeit 100%. Darunter ist eben arbeitsunfähig. Die Zwischenbereiche sind im System nicht geregelt und existieren so einfach nicht. Da heißt es arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig. Ganz oder gar nicht. Mit meiner Realität hat das wenig zu tun.

Und dann kommen eine oder zwei oder drei Behörden dazu, die meine Realität einschätzen wollen. Die aus einer „Außerhalb-Perspektive“ einschätzen wollen, wie arbeitsfähig ich bin. Das ist doch schon mal total schräg. Da werden dann zwar, im Gegensatz zu dem ganz-oder-gar-nicht-Prinzip, Abstufungen zugelassen, von unter 3 h täglich, über 3 h und mehr als 6 h. Doch es bleibt skurril, denn wer erlebt denn am eigenen Leib die Leistungsfähigkeit? Wer kann denn am besten durch seine Erfahrungen einschätzen, wie und welches Arbeiten möglich ist? Meine Erfahrungen haben hier keinen Wert. Das ist das, was ich erlebe. Der Rententräger hat mich in seiner Begutachtung als voll arbeitsfähig eingestuft, obwohl ich zu der Zeit, während der ehrenamtlichen Arbeit in der Friedhofsgärtnerei etwas ganz anderes erlebt habe. Da blieb mir nur verständnisloses Kopfschütteln. Ich bin relativ ruhig geblieben, weil mir klar war, dass diese behördliche Einschätzung nichts an meiner Realität verändert. Bloß weil einer sagt, du kannst arbeiten, mit den damit verbundenen Vorstellungen des Systems, wie oben beschrieben, kann ich nicht auf einmal arbeiten. Wenn ich das könnte, würde ich es doch schon längst tun.

Was ich so schade finde, ist, dass ich mich gerne in der Zeit wo ich das kann, wo Reserven da sind einbringen möchte, aber dafür keinen Ort finde.

Was es gerade wieder so hochaktuell macht, ist ein Schreiben der Krankenkasse, mit ‚nur‘ bewilligten 40 h für die Fortsetzung der Therapie, von beantragten 80 h. Mit der Begründung des Gutachters, dass keine Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit zu erkennen ist und sich die Frage ergibt, wofür das dann eigentlich gut sein soll. Das sind meine Worte, die es kurz zusammenfassen.
Ich persönlich sehe so viele Verbesserungen mein ganzes Leben betreffend. Zwar sehr langsam, aber stetig und nicht unbedingt nur auf die Leistungsfähigkeit bezogen. Ist eine Therapie nur sinnvoll, wenn sie die Verbesserung oder sogar Wiederherstellung der Leistung beinhaltet und nicht die Verbesserung der Lebensqualität? Hat Lebensqualität nicht einen viel höheren Wert? Was ist wenn meine Leistungsfähigkeit eingeschränkt bleibt? Darf ich dann trotzdem den Anspruch haben, in meinem Leben damit eine Zufriedenheit herzustellen? Mir diese Möglichkeit zu nehmen und mich auf Leistung zu reduzieren, finde ich extrem unmenschlich.

40 h sind für mich nichts, wenn ich sehe, dass ich fast 2 Jahre gebraucht habe, um mich (noch ganz unsicher) auf eine Beziehung einzulassen. Und nun soll ich innerhalb von 5 Monaten darauf etwas aufbauen? Auch hier haben meine Erfahrungen keine Relevanz für die Entscheidungen des Systems.

Lange und viel wird schon darüber geredet, dass das System krank ist und am Menschen vorbei geht. Jetzt sammle ich selbst ganz persönliche Erfahrungen dazu und sehe das für diese speziellen Bereiche in meinem Empfinden bestätigt.
Dazu passt auch ein Kommentar von Alexander Wagandt aus der 55. Tagesenergie-Sendung (http://www.youtube.com/watch?v=uSuc-nKuNsY, ca. 53 Min.).
„Und wenn ich verstanden habe, das der Staat, dass das Rechtssystem, das Gesundheitssystem, das juristische System, all das was ich an Systemen vorfinde, immer dazu dient mich in eine bestimmte Struktur zu pressen, […]. Immer dann, wenn sie eine bestimmte Struktur aufrechterhalten, geht gleichzeitig die wahre Qualität verlustig. Weil die Struktur für sich in Anspruch nimmt Stabilität aufbauen zu wollen, aber das Leben ist Wandel im Ausdruck. Und wenn ich den Wandel nicht zulasse, dann mache ich etwas was richtig ist automatisch für die Zukunft Tod und damit unwahr.“

Ab Minute 2:32:55 spricht es mich auch sehr an, in meinen aktuellen Erkenntnissen und Empfindungen.