Was alles so wahr

Ich komme so langsam wieder zu mir.

Angst nimmt ab und Lebensfreude nimmt zu.

Zu solchen Empfindungen gibt es wieder zaghaften Zugang, während des Yogas – ich kann mein Vertrauen in dieses Leben legen.

Das sagt einiges aus. Wie es aussah in mir. Ohne dieses Vertrauen.

Es war schrecklich. Ich bin froh, dass es vorüber geht.

Ich hab Dinge wahrgenommen, die haben mich immer wieder erneut in Schockzustände gebracht, mal abgesehen vom Ausgangsauslöser in der Holzwerkstatt.

Wenn eine Tür auf ist, scheint es ein leichtes zu sein, dass auch sämtliche anderen Türen aufgehen.

Mein armes Gehirn, mein armer Körper.

Ostermontag spürte ich, dass die Phase vorüber war, aber mein Gehirn, mein Körper konnte das noch nicht erfassen. Ich schlief in Anspannung ein und wachte in Anspannung auf. So ging das die ganze Zeit.

Ich hatte Gedanken mit der Absicht mich zu vernichten, die so wirklich waren, dass ich in dem Moment glaubte, schon alleine durch den Gedanken wirklich vernichtet zu werden. Sehr gruselig war das!

Ostersonntag war ich so voller Leere und dem Gefühl nicht zu existieren und keinen Sinn in dieser Welt zu haben, das ich glaubte, wirklich nicht mehr zu existieren und mir die Augen aus dem Kopf geweint habe. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung mehr davon, mich irgendwie bewegen zu können, geschweige aufzustehen, zu essen, zu laufen, da zu sein.

Wie froh ich bin, jeweils immer jemanden kontaktiert haben zu können.

Sonntag war es die Krisenstation. Die konnten zwar mit dem Thema inhaltlich nichts anfangen (ich ja auch nicht), aber ich stellte dann zumindest fest, dass ich aufstehen konnte und immer noch existierte und handeln konnte und ich war für einen Moment nicht mehr alleine damit.

Nicht alleine damit zu sein, ist schon eine echt hilfreiche Sache. Ich bin so dankbar für diese Wohnbetreuung und die verschiedenen Möglichkeiten Menschen erreichen zu können, ob per Mail, per SMS, per Whats-App oder Telefon. Das habe ich in dieser Phase regelmäßig genutzt, immer wenn ich mich überfordert fühlte.

Wie oft war ich haarscharf dran gewesen Medikamente zu missbrauchen, um einfach Ruhe zu haben. Einmal hat mich dieses Verlangen bis in einen Morgentraum verfolgt. Einer dieser Träume, wo ich schon so wach bin, dass ich meine Umgebung immer wieder wahrnehme, aber auch noch träume. Das war so richtig fies, weil ich in dem Traum eben auch in meinem Bett lag und Ecstasy-Pillen in meiner Kommode hatte, die ich dann auch nahm und auch schon die Wirkung spürte, was so gemein war, weil ich echt dachte es ist real, dadurch dass ich immer wieder auch wach war, im Bett liegend und trotzdem die Wirkung wie echt in meinem Körper gespürt habe. Dann bin ich aufgestanden (diesmal in echt), um wieder an die Kommode zu gehen und nachzulegen und hab dann erst mitbekommen, dass alles ein Traum war und ich da gar nichts habe und auch nichts genommen habe. Das war mal so richtig scheiße (und auch gut). Suchttrigger hoch zehn.

Gestern war ich bei U.. Körperarbeit. Seit dem geht es mir um einiges besser. Ich glaube, ohne Berührungen wäre ich echt aufgeschmissen… und auch ohne meine Gymnastik und bissel Yoga. Und ohne Akupressur-Klopfen. Damit habe ich mich durch diese Phase geschleppt.

Ohne Medikamenten-Missbrauch oder sonstigen Rückfall!

Ohne stationären Aufenthalt!

Und nur ein Miniatur-Ritzer im Arm.

Ich habe mir währenddessen so oft gewünscht, es würde alles einfach aufhören, jemand solle machen, dass es aufhört.

Mit Abstand sehe ich mal wieder, es konnte nicht früher aufhören und alle Menschen die beteiligt waren konnten nichts anderes tun, als dabei zu sein. Niemand hätte daran, am Ablauf etwas ändern können.

Das waren einfach zu viele bedrohliche Gefühle und Gedanken für mein System. Es musste blockieren, dicht machen, sich damit schützen und dann Tag für Tag immer eine kleine Ecke dieses riesen Berges ab-fühlen und erleben. Das passierte dann meist beim Klopfen.

Wenn das alles gleichzeitig gekommen wäre, wäre ich glaube ich verrückt geworden. Kein Wunder, dass meine Entspannungs-Werkzeuge nicht mehr funktioniert haben. Entspannung hieß ja fühlen und fühlen war gefährlich.

Nun steht erst einmal weiter Entspannung auf dem Programm und die schönen Seiten des Lebens stärken.

Mir fällt das unglaublich schwer, die Holzwerkstatt noch für ein paar Wochen zurückzustellen. Ich war da so geil drauf, endlich an einer Werkbank zu arbeiten und Werkzeuge zu haben. Ich sehe aber auch ein, dass Stabilisierung wichtiger ist und es sinnfrei ist, brüchig da hin zu gehen und viel schneller wieder ganz aufzubrechen.

Das Ganze ruht schon seit drei Wochen, nachdem ich beim vierten Besuch emotional entgleist bin, vor dem Termin und danach dann wieder.

Ich arbeite dort noch nicht. Die Wege dorthin dienen der Angstexposition. Ich bin einmal die Woche hin. Ich bin jedes Mal ein Stück weiter gekommen, trotz starker Ängste und Ansätzen von Panikattacken. Der Mensch der mich begleitete, half mir damit vor Ort umzugehen. Ich ging immer so weit, bis meine Wahrnehmung anfing sich aufgrund von Panik zu verändern. Dann regulierten wir das gemeinsam, auf die Art wie wir das abgesprochen hatte. Wahrnehmen, zulassen, atmen, Körperkontakt, stampfen, mit der Umgebung im Kontakt bleiben und so weiter. Die Welle nahm dann immer irgendwann ab, ich nahm wieder klarer war.

Diese Reaktion kam bei jedem Besuch etwas später. Erst vor der Eingangstür – danach sind wir noch in den Vorraum. Dann im Flur, nach dem Vorraum. Beim dritten Mal beim einmal in die Werkstatt treten und wieder zurück in den Flur. Dann konnte ich mich sogar nochmal ein paar Minuten im Werkraum aufhalten. Und beim vierten Mal gab es ein kurzes Gespräch mit dem Anleiter. Das war der Trigger. Ein männlicher Anleiter.

Also Umgebung geht mittlerweile klar. Männliche Arbeitskollegen scheinen auch klar zu gehen, weil ich Abstand halten kann. Männlicher Anleiter, auf den ich angewiesen bin, um alles erklärt zu bekommen, geht noch gar nicht klar.

Ergebnis offen.

Ich habe mir gedacht, wenn das mit den Menschen genauso ist, wie mit der Umgebung, dann war klar, dass mich das überfordert. Ins Haus bin ich ja auch ganz langsam, Schritt für Schritt. Also müsste ich mich auch an eine männliche Anleitung ganz langsam herantasten und nicht gleich Vollkontakt. So in der Art – erst aus der Entfernung sehen, im Umgang mit anderen erleben, an die Anwesenheit gewöhnen und dann erst in Kontakt treten.

Nur, wie soll das gehen? Ich kann mich in der Zeit schlecht selber anleiten.

Mal sehen, was daraus wird.

Wie die Dinge manchmal laufen oder ein klassischer Fall von Sucht

Wenn man es besser weiß und sich trotzdem nicht anders verhalten kann. Eines greift ins andere. Ein Dominoeffekt.

Ein kurzer Moment reicht aus. Ein kleiner Spalt in der Tür und was sich erst wie ein frischer Luftzug anfühlt, wird zu einem kräftigen Durchzug, bei dem man all seine Kraft braucht, um die Tür wieder zu zubekommen.

Ein schmerzvoller Abend und gleichzeitig Werbung für psychedelische Pilze im E-Mailpostfach. Der erste Klick auf die Seite und schon schnappt die Suchtfalle zu. Der Blick verengt sich. Es wird nicht mehr nachgedacht, nicht links und rechts geschaut, nur noch gehandelt. Weitere Klicks folgen, Produkte in den Warenkorb gepackt. Weitere Handlungen folgen, Bedingungen werden in Kauf genommen, die man sonst nie eingehen würde. Auch ein klassisches Merkmal von Suchtstrukturen. Es wird mehr bestellt als nötig, um den Mindestbestellwert zu erreichen. Unklare Legalität wird in Kauf genommen und ein Entdeckt werden durch den Zoll. Einem Online-Banking-Verfahren für Auslandsüberweisungen wird zugestimmt, obwohl man gar nicht versteht, für was genau man da eigentlich zustimmt. Hauptsache der Deal läuft.

Einen Tag später habe ich tatsächlich erst einmal völlig vergessen, was ich da am Vorabend getan habe. Dann fällt es mir wieder ein und ich erkenne selbst, wie süchtig ich mich verhalten habe, wie untypisch risikobereit. Ich spreche mit einer Freundin darüber, kann herzlich über meine Beklopptheit lachen und find gleichzeitig so einen Pilzkonsum ja auch gar nicht so schlimm. Ambivalenz. Ein weiterer Klassiker von Suchtstrukturen.

Tagelang geht es hin und her. Mal ganz realistisch die Fakten betrachtend – ich bin psychisch nicht stabil, nehme Psychopharmaka, neige zu Dissoziationen – wonach von einem Konsum absolut abzuraten ist und ich das auch okay finde und dann wieder Tunnelblickartig verharmlosend sich auf den Konsum zu freuen.

Ich hab dann irgendwie gehofft, dass der Zoll das Zeug einfach abfängt und es gar nicht bei mir ankommt. Oder ein weiterer Plan war, dass ich das Zeug einfach in den Keller packe und vergesse, bis ein passender Moment dafür kommt. Suchtstruktur hallo! Man glaubt, man könne den Konsum kontrollieren. Kann man aber nicht, sonst wäre man nicht süchtig. Und ganz bestimmt hätte ich nicht vergessen können, dass da zwei Päckchen Pilze in meinem Keller liegen und ich einfach nur die Treppe nach unten gehen brauche, um sie zu holen.

Nach dem letzten Gespräch mit Frau Helferin, in dem ich ihr davon berichte und sie mir ein Versprechen abringt, nicht während ihres Urlaubes zu konsumieren, ist auch schon am nächsten Tag die Post angekommen.

Nur schon beim Blick in den Briefkasten, auf den Umschlag, wird mir bewusst wie stark die Sogwirkung ist und ich schließe ihn sofort wieder. Mein erster Gedanke ist, um Gottes willen, ich darf den Brief gar nicht mit hoch nehmen, aufmachen und am besten muss der gleich weg zu irgendjemand anderes in den Keller. Mich schützen, aber es trotzdem verfügbar halten.

Ich versuche jemanden telefonisch zu erreichen, bei dem ich es lagern kann. Erreiche aber niemanden, so dass ich abends nach Hause komme und ganz selbstverständlich den Briefkasten öffne und den Umschlag mit hoch nehme. Man ist ja auch neugierig, wie es so aussieht und schon ist es auch alles gar nicht mehr so schlimm und man merkt gar nicht, wie sehr die Aufmerksamkeit um die Droge kreist, was ein weiteres Merkmal für Sucht ist.

Ich stelle also fest, dass die Pilze frisch sind und nicht lange gelagert werden können, ohne zu schimmeln. Ich fange an im Internet zu lesen, über Lagerung, Trocknung, Verhaltensregeln bei Konsum usw. usf.. Die Ambivalenz ist stetig vorhanden. Aktuell zu konsumieren wäre dumm und gleichzeitig nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau halten. Das Versprechen an Frau Helferin hat überhaupt keine Bedeutung. Und den Gedanken zuzulassen, dass ich es einfach ganz lassen sollte, alles wegschmeißen, ist überhaupt nicht möglich.

Ich entscheide mich für das Trocknen. Viel innere Aufmerksamkeit ist in das Thema geflossen. Jeden Tag bin ich damit beschäftigt. Es wird an den Bedingungen für die Trocknung gebastelt. Es ist spannend. 4 Tage sind vergangen.

Der 5te Tag. Ich bin in der Kontakt- und Beratungsstelle zu Kaffee und Kuchen. Im Geist wäge ich einen heutigen Konsum ab. Meine Stimmung ist gut. Das reicht mir aus. Das es dann spät wird und ich am nächsten Tag wieder früh aufstehen muss und arbeiten gehe, ist unrelevant. Ich rechne herum und bin unentschlossen. Esse ich jetzt hier den Kuchen mit, muss ich länger bis zur Einnahme warten, damit der Magen leer ist. Vernunftgedanken gibt es auch noch, die immer mal wieder einschieben, ach lass es sein, muss ja heute auch nicht sein.

Hat trotzdem nichts gebracht. Abends nehme ich eine Minimaldosis, die ich mir als Testung verkaufe.

Der Preis für ein paar Stunden seichtest Verliebtheits- und Innigkeitsgefühl mit der Welt ist hoch. Unangenehme Hungerzeit. Unangenehme Kopfempfindungen, auch noch den ganzen nächsten Tag, wegen der Wechselwirkung mit den Medikamenten. Ewig lange nicht einschlafen können. Kreislaufschwäche. Am nächsten Tag in ziemlich mieser Stimmung und schlechter körperlicher/geistiger Verfassung, erst nicht aus dem Bett kommen. Die Arbeit nur zur Hälfte schaffen. Ein schlechtes Gewissen, bis Reuegefühle. Unterschwellige Aggression. Anspannung auf Grund des Verheimlichens.

Doch all das reicht immer noch nicht aus, meinen Umgang damit zu verändern.

Ich mache mich im Vertretungsgespräch auf. Komme dort zumindest schon zu dem Entschluss, zu versuchen, dass noch verschlossene Päckchen loszuwerden, jemandem zu schenken oder so und den Rest vom offenen Päckchen zu trocknen. Auf einen weiteren Konsum hab ich in dem Moment überhaupt keine Lust.

Am Ende des Gespräches habe ich ein ganz mieses Gefühl zu gehen. Ich bin so wenig im Kontakt gewesen, dass es mir so vorkommt, als hätte dieser Termin gar nicht stattgefunden. Mein Vertretungsgegenüber war meist in einer zuhörenden Position, so dass ich ihn kaum spüren konnte. Ich teile ihm das mit, dass mir ein zugehen auf mich, aktiv teilnehmen, helfen würde, mehr den Kontakt zu spüren. Dann kam es zu einer schmerzhaften Situation, weil seine Antwort darauf, von kindlichen Anteilen anders bewertet wurde, als wie es gemeint war. Er war sehr ehrlich und sagte mir, warum er sich heute so zurück gehalten hat. Einmal, weil er mich nicht überlasten wollte, so im ersten Kontakt, in einer Vertretungssituation und zum zweiten, weil er an den Konsum von Gestern dachte und das Gefühl hatte, dass das dann nicht so viel bringt. Autsch! Das tat weh. Bei mir kam an, alles was ich erzählt habe, womit ich mich offenbarte, hat nichts gebracht, hat keine Bedeutung, hätte man auch sein lassen können. Ich war nicht von Bedeutung, in dem Zustand wie ich da war!

Ich konnte das noch zurückmelden und habe auch die eigentliche Aussage verstanden. Trotzdem lief das Gefühlte in mir weiter, so dass ich auf dem Weg nach Hause im Bus saß und mich plötzlich in alles einnehmenden Wertlosigkeitsgefühlen wiederfand, die mit der eh insgesamt schlechten Verfassung zusammenflossen. Ein Konsum öffnet die Tür zum nächsten Konsum. Ich wollte mich wegschießen. Überlegte, dass ich einfach alle Termine am nächsten Tag und auch am übernächsten Tag cancel und mich in den Rausch zurückziehe. Alles wurde mir scheißegal.

Gott sei Dank wurde mir diese Zuspitzung dort im Bus bewusst und zum ersten Mal wurde mir klar, ich komme da nur wieder raus, wenn ich das Zeug sofort vernichte. Die Vorstellung tat weh! Meine Güte, wie tief war ich schon in der Abhängigkeit verstrickt.

Alleine brachte ich es nicht übers Herz, alles ins Klo zu werfen. Ich rief noch mal Herrn Helfer an, mit reichlich inneren Widerständen und bat ihn mich telefonisch zu begleiten.

Schluss! Aus! Vorbei! Weg war es. Ich legte auf und brach auf der Toilette sitzend in Tränen aus. Es fühlte sich schrecklich an, als hätte man mir etwas Lebenswichtiges weggenommen.

So funktioniert Sucht.

Boarhhh, ich bin froh, dass dieses Kapitel ein Ende hat.

Schlaraffenland

Oh man… das war gerade eben wie im Schlaraffenland.

Ich habe den ganzen Tag schon ein unbändiges Verlangen nach Obst. Immer wieder machte es sich bemerkbar. Stärker noch als meine sonstigen Cravingmomente in Bezug auf Kaffee, Zigaretten, Red-Bull, Alkohol, Cannabis.

Ich konnte es kaum noch aushalten, ohne Obst zwischen meinen Zähnen und betrat fast schon gehetzt, mit Tunnelblick Bio-Company und suchte die reduzierte Ware. Das ist immer ein Überraschungsmoment, da man nie weiß, was aussortiert wurde. Manchmal gibt es auch gar nichts. Und siehe da, die Kiste war knacke voll mit Obst und Gemüse in großer Vielfalt. Ich war selig und packte meinen Korb nach Lust und Laune, ohne auf Preise achten zu müssen.

Obst und so

Und als ich dann an der Kasse den Preis von 4,98 Euro hörte, verdoppelte sich mein Glücksmoment noch einmal, weil das mal echt ein Schnäppchen war, für so viel Gutes.

Wieder dieses tiefgreifende Gefühl vom Leben beschenkt zu werden. DANKE LEBEN! 🙂