20.08.2017

Text an Freunde.

„Hey ihr Lieben, ich lese euch, doch komme ich inhaltlich nicht ganz rein.

Hab sehr mit mir zu tun und dadurch wieder mal weniger Raum für Andere.

Bin zu Hause und wieder mal hat sich alles auf den Kopf gestellt und will losgelassen werden.

Werkstatt scheint zu große Belastung und Therapie scheint zu viel auszulösen und zu wenig Halt zu geben.

Es ist komplex und viel. Ich kann hier nur andeuten.

Die Angstempfindungen im freien Draußen und unter Menschen haben zugenommen und sich durch den stationären Aufenthalt nicht gebessert. Nur mein Selbstgefühl ist wieder greifbarer geworden, der Zerfall gestoppt.

Ich bin super eingeschränkt durch die Ängste und Erschöpfung und rutsche auch immer wieder in düstere Gedanken, mit Hang zur Abgabe der Verantwortung. Die Seite die das halten will, gibt es auch.

Die Unterstützung wird gerade hochgefahren und wieder steht Klinik im Raum.

Ich fühle mich am Ende eines Weges und suche das Vertrauen, das es in meinem Sinne weiter gehen wird, auch wenn ich da nichts sehe.

Ich denke öfter an euch. Fühl mich sehr unbeholfen mit meinem Zustand. Weiß nicht was an Kontakt überhaupt geht. Habs auf Station auch immer nur kurz ausgehalten, im Gespräch zu sein. 
Trotzdem fehlt mir eure Nähe immer mal wieder. ❤“

Jetzt ist es so (und morgen anders)

Ich fühle mich gerade überhaupt nicht gut. Aber was soll ich machen. Es ist wie es ist und wie es kommt (weiß niemand).

Solch ein Gedankengang empfinde ich als Fortschritt. Annahme. Demut. Ich habe getan, was sich nach Tun angefühlt hat. Habe gelassen, was sich nicht nach Tun angefühlt hat. Trotzdem geht es mir immer noch schlecht.

So ist das. Und das ist okay, auch wenn mir dieser Gedanke jetzt die Tränen in die Augen treibt.

Es ist aber gerade auch schwer, versuche ich mir ins Bewusstsein zu holen. Ja, es darf mir schlecht gehen. Was sich alles die Tage, die Woche gezeigt hat. Heut erst so klar im Kopf, um mich überhaupt hierher zu setzen und ein paar Worte sprechen zu lassen.

Freunde habe ich eingeladen. Ich gehe davon aus, dass das lindern wird. Ich hoffe es. Wenn nicht (wie letztes Mal), wird der Tag noch sehr traurig.

Dann ist das so. Dann füge ich mich.

(ich möchte fliegen)

Tragende Säulen

Wie kommt es eigentlich, dass, wenn eine Hauptsäule meiner Stabilität/Identität ins Wanken kommt, gleich auch andere Säulen mit in Frage gestellt werden?

Ich weiß, dass mich der Abschied von Frau Helferin gerade so richtig tief trifft (obwohl noch Zeit ist, sie aber für 4 Wochen nicht da ist). Da wird ganz Grundlegendes meiner Identität angegriffen. Das rüttelt so richtig an der Basis meines Selbstwertgefühls.

Und gleichzeitig stelle ich die Medikation in Frage und bin mir sicher, mein Bauchgefühl sagt mir gerade, mit dem Seroquel etwas runter zu gehen, weil ich bereit/stark genug bin alles zu halten.

Gerade stelle ich dieses Gefühl in Frage und bin mir nicht sicher, ob das eine so schlaue Idee, zu genau diesem Zeitpunkt ist.

Und eben fange ich auch noch an am Zuverdienst zu zweifeln, ob ich da richtig bin, dass ich ja mein Potenzial gar nicht entfalten kann (wenn ich mal wüsste, was überhaupt mein Potenzial ist…). Und das, wo es noch nicht so lange her ist, dass ich genau gespürt habe, dass es nichts zu verändern gibt und alles zur Ruhe kommen darf.

Ich habe so eine Ahnung, dass ich aufgrund der Belastung in dem Beziehungs-/Bindungsthema, unbewusst andere Baustellen aufmache, um… ja… um was eigentlich? Abzuwehren? Lieber die Krisen woanders haben, als in dem Bindungs-/Verlustthema? Keine Ahnung.

Im Zuverdienst war ich heute ständig in Diskussionen verwickelt, die ich gar nicht führen wollte, aber nicht anders konnte, als sie zu führen und mich aufzuregen und mich unverstanden zu fühlen und verletzt und angespannt und super erschöpft und und und. Ich hatte im Nachhinein das Gefühl, ich wollte irgendetwas von den Anderen, ohne zu wissen was es ist und habe gezehrt und gezogen und es trotzdem nicht bekommen.

Ich glaube, ich bin gerade super sensibel und angreifbar, was meinen Wert betrifft. Und ich suche im Außen nach der Bestätigung, dass ich immer noch okay bin, richtig bin.

Das könnte passen. Weil ich erinnere mich an meine erste therapeutische Trennung, die zum Supergau wurde und mein Leben seit dem ein anderes ist. Da habe ich mich auch völlig wertlos gefühlt, als würde mein Wert nur durch die Beziehung zur Therapeutin existieren.

Okay. Also was ist heute anders.

Ich habe einen kleinen, sehr wertvollen Freundeskreis aufgebaut. Diese Menschen sind da und bleiben auch erst einmal da. Wir konnten uns einige Wochen nicht sehen, weil ich keine Kraft für nahen Kontakt hatte, dafür auch zu verletzlich war. Aber ich kann sie fühlen, die ganze Zeit. Sie sind da! Ich bin nicht alleine!

Ich habe mit dem Zuverdienst einen Ort, wo ich auch in brüchigen, desolaten Zeiten hingehen kann. Das bleibt bestehen! Die Menschen dort, die Mitarbeiter sind für mich da!

Ich habe in der Kontakt- und Beratungsstelle die Möglichkeit, bei Überforderungs-/Krisensituationen psychologische Unterstützung zu bekommen. Die Menschen dort sind für mich da!

Ich bin also auch ohne Frau Helferin nicht alleine! Ich bin in Verbindung mit unterschiedlichen Menschen und Orten. Mein Leben existiert weiter und verschwindet nicht plötzlich!

Alles ist gut!!! Ich bin okay so wie ich bin, immer noch, auch mit all den aufsteigenden Gefühlen, Verwirrungen, Verirrungen, Kämpfen und Verzweiflungen!

Die Zeit ist reif

Meine Güte, fühle ich mich wohl gerade. So kann es auch gehen. Schön! Wusste gar nicht mehr wie es sich anfühlt, wenn alles zur Ruhe kommt, ich zur Ruhe komme.

Da waren die Pellkartoffeln mit Leinöl eben noch ein Wohlfühl-Topping. Hab ich auch schon ewig nicht mehr gegessen.

Heute ist mein freier Tag. Davon versuche ich zwei Stück die Woche einzuplanen. Erfahrungen haben mir gezeigt, dass ich das brauche, zum runterkommen, sortieren, nachfühlen, aufarbeiten, still werden, Gestautes abfühlen, starre Strukturen wieder weich machen. Diese Tage können alles beinhalten, es passiert dann das was passieren will/muss/kann/soll. Das kann super anstrengend sein, wenn die Ruhe es möglich macht, das Neues ins Bewusstsein kommt, was die vorangegangenen Tage berührt wurde. Das kann aber auch total schön sein, wenn die Ruhe es möglich macht, dass Jetzt und mein Selbst mehr zu spüren, der Moment Genuss erzeugt und ein planloses Treiben durch den Tag erlaubt, an den Dingen entlang wo Lust und Wollen entsteht.

Heute ist es schön! Heute fühle ich viel Zufriedenheit und etwas wie im Einklang sein.

Ich habe heute Vormittag auch einen kurzen, jedoch heftigen Stressmoment ziemlich schnell wieder in die Beruhigung bekommen, was mich auch freut.

Die Klinik hatte sich nämlich schon bei mir telefonisch gemeldet. Sie hätten ein leeres Bett und da ich angegeben hätte, auch kurzfristig anreisen zu können (war mir nicht bewusst), könnte ich Montag nächste Woche kommen.

Mal so auf die Schnelle, in einem Überrumpelungsmoment eine Entscheidung zu treffen, ist nicht meine Sache. Ich hatte mich auf 3-6 Monate Wartezeit eingestellt. Der Anruf kam total überraschend für mich. Ich sagte ihr, dass ich mit der Entscheidung überfordert sei. Es entstand etwas Luft zum Denken/Fühlen, als sie nach dem regulären Aufnahmetermin schaute. Es wäre zwar echt geil, gar keine Wartezeit zu haben, eine richtige Glückssache. Aber mir wurde auch klar, dass ich den Aufenthalt innerlich und äußerlich vorbereiten muss, um da gut orientiert und präpariert hin zu fahren und Frau Helferin ist gerade im Urlaub. Also habe ich abgelehnt. Da bin ich ja fast stolz drauf. Wieder eine klare Ansage gemacht, als holterdiepolter in eine neue Situation gestolpert.

Sie hat mich trotzdem als kurzfristigen Nachrücker vermerkt und ich hab mir überlegt, dass das ab dem 04.01. für mich gut möglich wäre. Regulär müsste ich 2 Monate warten. Find ich auch nicht so lang.

Seit dem Entschluss für die Klinik, fühle ich, wie sich innerlich alles ganz von selbst darauf zentriert, als wäre es das natürlichste, selbstverständlichste was jetzt als Nächstes kommt. Als hätten mich alle Krisen und Begegnungen mit dem Trauma in den letzten anderthalb Jahren auf diesen Moment vorbereitet. Genau so fühle ich mich – ziemlich gut vorbereitet. Ich habe eine ungefähre Ahnung davon, was auf mich zukommt und wie es sich anfühlen wird. Das macht es sehr unwahrscheinlich, dass mich die Ereignisse, wie damals wieder völlig überrennen.

Vor anderthalb Jahren hatte ich die Reha, wo mich Traumasymptome erstmalig in Masse unerwartet überrumpelt hatten und ich gar nicht wusste, was da eigentlich mit mir geschah. Da bekam ich auch die Diagnose komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Dort empfahl man mir zum ersten Mal eine stationäre Traumatherapie. Das habe ich aus verschiedensten Gründen nicht in die Tat umgesetzt. Aus der Perspektive von heute, glaube ich auch zu sehen, dass es einfach noch nicht der geeignete Moment war. Ich habe gerade in den letzten Monaten, seit August so viel durchlebt und für Erfahrungen ein Bewusstsein gefunden, dass ich überhaupt mit diesem Wissen erst den Anmeldebogen für die Klinik richtig gut ausfüllen konnte.

Ich hatte damals nach der Reha schon Klinikrecherche betrieben und die Ergebnisse in einer Mappe dann beiseite gelegt und vergessen. Umso erfreuter und überraschter war ich, als ich diese Mappe jetzt wieder heraus kramte und feststellte, dass ich gar nichts mehr machen musste, außer den Bogen auszufüllen und ein Blatt Papier von meiner Psychiaterin ausfüllen zu lassen. Ich hatte mich damals schon auf zwei Kliniken festgelegt, mit beiden telefoniert und alle Anmeldemodalitäten in Erfahrung gebracht. Cool! Richtig cool!

Und nun geht das alles so ratzi fatzi und fließend. Die Zeit ist einfach reif.

Und da passt auch noch so schön dazu, dass ich die Entscheidung am 01.12. traf. Am 01.12. standen Mars und Lilith in exakter Konjunktion (falls man das so ausdrückt) und ich las dazu, dass es eine gute Zeit sei, eine radikale Entscheidung zu treffen und die Initiative zu ergreifen.

Das war es wirklich für mich, eine radikale Entscheidung. Ich hatte da vorher nicht großartig drüber nachgedacht. Das ergab sich tatsächlich erst an diesem Tag.

Also bin ich auch noch zusätzlich im Einklang mit den Planeten und Sternen. Wie toll! 😀

Ich freue mich auch auf die Weihnachtszeit. Ich freue mich auf viele Tage der Ruhe und des mit mir seins. Ich freue mich auf ein schönes gemeinsames Essen mit Freunden am Weihnachtstag. Ich freue mich, diesmal die Entscheidung getroffen zu haben, nicht an den Feiertagen meine Großfamilie zu besuchen. Ich freue mich auf die Rauhnächte, diese spezielle Zeitqualität. Das fühlt sich alles dieses Jahr so an, als würde ich ganz in meinem Sinne diese Zeit verbringen und keinen aufgesetzten Konventionen mehr folgen. Nochmal schön!