Therapie Beziehung 23.02.19

Tag nach der Stunde.

Auf der Couch liegend, eine Entspannungsaufnahme hörend, spüre ich die heftige Anspannung in meinem Kopf. Wie eine geballte Faust über Stunden. Gründe weiß ich nicht.

Sie hält mich davon ab, mich der Welt um mich herum zuzuwenden, richtig da zu sein.

Ich frage behutsam hinein, was los ist.

Ein zaghafter, schwacher Gedanke taucht auf. Brüchig und verletzt. Schnell wieder verschwunden.

„Ich hab solche Angst etwas falsch gemacht zu haben.“

Vermutlich ist die Therapiestunde gestern gemeint.

Ich spüre nach… falsch verhalten, falsch reagiert, falsch sein, dort an der Wand, auf dem Boden. Gesehen worden! Schrecken und Angst.

Dabei waren wir besonders echt und authentisch und sehr sichtbar mit unserer Unvollkommenheit. Mich berührt das angenehm. Es war eine gute Erfahrung.

Genau deshalb heute diese große Furcht.

Angst ich selbst zu sein. Angst, das mein selbst-sein falsch ist.

Ergotherapie

Den kleinen Eisbären schützend und haltend im Ausschnitt herum tragen.

Da ist so viel Angst.

Gestern war Ergo. Es war sehr anstrengend. So angstvoll, gesehen zu werden. So anders zu sein.

Heute getraut, ihr eine in mir kreisende Frage zu schicken.

Hey …., ich muss das nochmal fragen, weils mir ständig durch den Kopf geht. Du findest mich jetzt nicht blöd, wie ich mich verhalten habe?“

Sie: „Nein, ich finde Dich doch nicht blöd. Mach Dir keine Gedanken. Es ist sehr interessant was da entsteht, finde ich. (…)“

Es wäre das erste Mal, dass sie so arbeitet. Dem Klienten den Raum und die Führung überlassen. Sie ’nur‘ als Halt und Zeuge. Auf der Liege hab ich noch nicht einmal gelegen. Doch kurze Berührungen fanden schon statt, immer begleitet mit viel Panik.

Ich lauf da viel im Raum herum.

Momentan geht’s hauptsächlich darum Angst wahrzunehmen, anzuschauen und in aushaltbare Bereiche zu regulieren. Skills vor anderen anwenden. Das fällt mir sooo schwer. Aber ich bin mutig. 🙂

Krisenzeit

Das war die heftigste Krise die ich seit letztem Jahr September erlebt habe. (Diese endete damals auf der Kriseninterventionsstation.)

Mit großen Augen und anerkennendem Blick sagt sie: „Und sie haben das durchgestanden!“ Ja, ich habe das zu Hause durchgestanden. Ich hatte mich zwar um eine Krisenaufnahme für das Wochenende, in einer Akuttagesklinik gekümmert, diese dann doch abgesagt. Ich habe es mir zugetraut, weil andere Dinge griffen.

Niemand konnte das ganze Ausmaß sehen, niemanden konnte ich sagen, was in mir passierte, dass sich alles in mir verändert hatte. Niemand bekam die Dimension dieser Krise mit. Ich hatte keine ausreichenden Worte und habe es selbst nicht verstanden – mittendrin. Wenn ich nicht mehr konnte, sah das keiner und wenn mich jemand sah, setzte der Automatismus ein, noch zu können. Und was soll ich sagen – es ist okay… irgendwie. Es war nicht nötig, dass ich mein Erleben erklären konnte (auch wenn ich es gerne getan hätte). Ich habe es anscheinend nicht gebraucht.

Ich habe MICH gebraucht. Und ich war überwiegend für mich da. Bin Wege gegangen, die ich noch nie gegangen bin. Habe Hilfe bekommen, auch ohne dass die Dimension erkannt wurde, wohl einfach, weil man mir auch glaubte, wenn ich um Hilfe bitte, dann brauche ich sie auch.

Ein sehr heilsames Erlebnis, wenn die Tagesklinik sagt (war da bisher zweimal, 2011 und 2014): „Kommen sie einfach. Sie brauchen keine Einweisung vom Arzt. Wir kennen sie ja und kümmern uns dann um alles.“ Ich habe geweint vor Dankbarkeit, nach diesem Anruf. Ich musste nichts erklären. Es hat einfach gereicht nach einer Krisenaufnahme zu fragen.

Erst danach konnte ich so halbwegs verstehen und erklären und sie sagte: „Ich habe es ihnen zugetraut.“ Wow…! Das hatte ich mir von meiner damaligen Therapeutin gewünscht und sie sogar darauf angesprochen, ob sie mir nichts zutraue. Und nun sagt man mir das von ganz alleine. Ein tolles Gefühl! Noch nie in meinem Leben, habe ich so etwas gesagt bekommen und auch annehmen können.

Da ist viel Kraft in mir. Ich durfte sie erleben und ich spüre sie immer noch. Ich fühle mich nicht stark. So meine ich das nicht. Sondern, dass da ein Kern in mir ist, der Kraft zur Verfügung stellen kann (immer gibt), wenn ich sie brauche.

Krisen erschaffen immer ganz besondere Erfahrungen. Ich tue Dinge, die ich ohne nicht tun würde. Dadurch erlebe ich Sachen, die ich ohne nicht erleben würde.

Die Lawine, die alles mit sich riss und sich stetig vergrößerte, läuft momentan langsam aus (und nichts ist mehr wie vorher). Ich weiß nicht, wo ich jetzt stehe. Da ist so viel passiert. Für mein Bewusstsein zu viel in zu kurzer Zeit, als dass ich greifen könnte, was es mit mir gemacht hat und was im Einzelnen der Inhalt war.

Das Überthema heißt wohl ‚zeigen und gesehen werden‘ und Bindung (immer noch). Da hängt so unglaublich viel dran! Das hat (und tut es weiterhin) so extrem viel ausgelöst.

Auch bin ich auf ein familiäres Thema, mütterlicherseits gestoßen. Ich trage Erlebnisse meiner Familie mit, die ich nie erlebt habe. Ich reagiere mit ihrer nackten Angst und Panik. Ich habe den Schmerz meiner (schon seit Jahren verstorbenen) Oma geweint.

Am Ende brauchte ich für drei Tage völligen Rückzug. Ich ließ die meiste Zeit Handy, Telefon und PC aus. Wusste ich, ich musste mich vor weiteren Reizen, Informationen, Reaktionen schützen, um mein völlig überreiztes Nervensystem zur Ruhe zu bringen und meinem durchgebrannten Verstand die Nahrung zu entziehen. Absolute Ruhe – das brauchte ich. Der erste Tag davon war sehr schwer. Meine Gedanken drängten immer wieder zur Tat, wollten Klärung, suchten Kontakt, waren voller Panik und auch Schmerz. Es erforderte Disziplin, nicht ins Handeln zu gehen. Ich schrieb sie alle auf, um mich dann wieder dem Jetzt zuzuwenden. Das half. (Und heute sind 70% des Geschriebenen unwichtig geworden)

Gestern und heute sehe ich nichts mehr um mich herum. Da ist so viel leerer Raum. Aus allen Zusammenhängen gelöst. Nichts scheint mehr wichtig, von Bedeutung oder trägt. Ich sehe keinen Weg. Ich habe kein Ziel vor Augen. In den letzten Jahren hätte mich das (zum wiederholten Male) in eine tiefe Sinnkrise gestürzt, auf die ich aufgesprungen wäre. Jetzt übe ich mich, die logischerweise folgenden Depressionswellen durch mich durchlaufen zu lassen. Jetzt hält nur noch das Leben, das Da-sein selbst. Schön fühlt sich das nicht an. Da ist Angst und Ungewissheit. Keine Richtung, in die ich blicken kann. Es bedeutet viel Bewusstseinsarbeit und aushalten.

Es ist zu erwarten, dass sich wieder etwas Greifbares formieren wird (und ich danach auch suchen werde), um beim nächsten Mal erneut zu zerfallen.

Ich bin müde, erschöpft und sehr schwach.
Ich fühle wieder (wackeligen) Boden.
Ich habe die schwach pulsierende Erinnerung von Kraft.

Wenn der Schmerz in den Kopf flüchtet

Wenn das Denken zum Selbstläufer wird.

Wenn das Denken die Umgebung verschwinden lässt.

Wenn das Denken wegführt, von dem was man gerade tut.

Wenn das Denken zur Handlungsunfähigkeit führt.

Wenn das Denken die Stimmung verdunkelt und immer weiter nach unten zieht.

Wenn das Denken die Schmerzen im Nacken und Kopf immer stärker werden lässt.

Wenn das Denken keinen bestimmten Inhalt folgt, sich einfach nur immer enger anfühlt.

Wenn das Denken zu keinem Ergebnis führt.

Wenn die Not darunter stetig zunimmt.

Wenn scheinbar nichts hilft, um wieder den Moment klar zu erleben.

Wenn es dann zu einer Situation kommt, in der man jemandem schreibt, was gerade passiert.

Wenn man dann Gedanken hat, dass man sich nicht so anstellen soll.

Wenn man dann trotzdem von all dem Schwierigem schreibt und es abschickt.

Wenn man dann den Text am liebsten wieder zurückholen will.

Wenn man Angst hat und sich schämt.

Wenn man auch das schreibt und abschickt.

Wenn dann diese Worte kommen: „Danke, das du dich zeigst!“

Wenn das Denken dann ins Herz rutscht und heftig, erlösend weint,

dann hat man verstanden, dass vorher der Schmerz über das Nicht-gesehen-werden in den Kopf geflüchtet war.

Ja, wenn ich es denn mitbekomme, kann ich auch für mich sorgen

Ich habe morgen einen Kennen-lern-Termin in einer Gärtnerei eines Krankenhauses, für einen Platz im Arbeitstraining.

Solche Dinge plane, suche und setze ich alleine um. In den meisten Bereichen meines Lebens bin ich selbstständig. Eigentlich in allen Bereichen, wenn es mir gut geht und genügend Energie vorhanden ist.

Da komme ich gerade eben zur Tür herein, in mein Zuhause, stehe im Flur und denke beim Schuhe ausziehen an diesen Termin morgen. Plötzlich schiebt sich der Satz, „ich habe Angst“ in meinen Kopf und das Gefühl kommt hinterher und schon finde ich mich schluchzend auf der Couch wieder. Und was für Angst ich habe. Völlig überrascht, erkenne ich das.

Ich habe Angst. Tatsächliche scheiß große Angst und habe bis eben noch überhaupt nichts davon gewusst.

Ich bin irritiert. Will erst einmal, nach alter Gewohnheit verständnislos fragen, warum ich denn Angst habe. Es gibt doch gar keinen Grund. Da fällt mir ein, dass das jetzt egal ist. Ich habe Angst und das möchte ernst genommen werden und gesehen werde. Also nehme ich meine Angst so gut ich kann in den Arm und lasse sie zu. (Ist wie immer nicht so einfach, wie es klingt und eher ein hin und her, rein und raus, durch Gedanken unterbrochen.)

Ich suche ein Bild, wie sie sich malen würde. Ich sehe einen Abgrund. Es fühlt sich an, wie in einen Abgrund zu fallen, den Boden unter den Füßen zu verlieren, in etwas bedrohliches Schwarzes zu laufen.
Es ist keine Angst die auf Gedanken basiert. Die sich vorstellt, dort könnte das oder das passieren und davor habe ich Angst. Es ist keine Angst, der ich etwas Konkretes entgegenhalten könnte, um sie zu relativieren.
Es ist ein ganz tiefes bedrohliches Gefühl. Ein Gefühl, nicht zu wissen was da kommt. Namenlose Bedrohung. Ungewissheit. Fremde.
Ich habe Angst. Ich will nicht alleine sein. Ich will damit nicht alleine sein.
Das ist neu! Dass ich den Wunsch fühle, nicht alleine damit sein zu wollen.

Und ich erkenne, wie oft ich eigentlich so in mir fühlen muss, bei all den neuen, unbekannten Dingen die passieren und wie oft ich es nicht mitbekomme. Das erschrickt mich, tut weh. Wie oft spalte ich meine Angst ab. Wie oft bin ich in Situationen, wo ich mich eigentlich nach Unterstützung sehne und bekomme es gar nicht mit. Jetzt spüre ich es.
Ich wäre morgen echt gerne nicht alleine damit. Das da so kurzfristig noch jemand mitkommt, ist unwahrscheinlich. Wie kann ich jetzt noch für mich sorgen?

Es geht wie so oft um den Ausdruck und um das Gesehen werden, mit einem Gefühl. Ich weiß, wenn das stattfinden kann, ist mehr meist gar nicht mehr nötig und es schwächt sich von selbst ab.

Morgen außer der Reihe Frau Helferin anrufen und sie involvieren? Wäre sicherlich möglich. Zumindest ein telefonischer Kontakt. Doch wie soll das für die Zukunft sein? Frau Helferin ist nicht ewig da und ich brauche Möglichkeiten außerhalb von Helferbeziehungen. Freundeskreis? Zwei Menschen kämen in Betracht. Ich muss mich wieder einmal trauen. Puhhh… Mich überwinden, jemandem zu sagen, was ich gerade brauche und mich zeigen, mit dem was ist.

Ich tue es. Erreiche einen Herz-Menschen und frage, ob sie zuhören kann, ohne etwas zu sagen. Nur zuhören. Und dann rede ich alles heraus. Das was ich hier geschrieben habe. Die Angst wird dabei noch mal ein Stückchen größer, fühlbarer, sichtbarer und die Tränen laufen.
Und das war es dann tatsächlich schon. Es schwächt sich nach dem Aussprechen sofort ab. Ich fühle mich befreiter. Spüre deutlich, dass sich da etwas gelöst hat, weil es sein durfte und nichts damit gemacht wurde. Das tut gut!

Wie es dann morgen ist, wird sich zeigen.