Arbeitsfähigkeit

Wie passe ich in die Vorstellung des Systems in den Bereichen Gesundheit und Arbeit? Wie ordnet das System mich ein? Wie ordne ich mich ein? Was erfahre ich mit mir? Welche Relevanz hat das für das System? Was bedeutet Leistungsfähigkeit für mich und was bedeutet es für das System?
Diese Fragen beschäftigen mich immer wieder und momentan etwas mehr.

Über den ganzen Zeitraum der laufenden, von der Ärztin ausgeschriebenen Arbeitsunfähigkeit, also seit April 2013, sehe ich Verbesserungen. Schritt für Schritt wird es besser. Was wird da besser? Die Lebendigkeit, die Aktivität nimmt insgesamt zu und die schweren, handlungsunfähigen Zeiten nehmen insgesamt ab. Aber was genau bedeutet das? Das bedeutet, dass es wochenweise Zeiten gibt, wo ich spüre, dass da Kapazitäten frei sind. Das ich wohl ein paar Stunden arbeiten gehen könnte und auch wollen würde. Und dann kommt es alle paar Wochen dazu, dass ich null Reserven habe und verdammt froh bin, nicht mit einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit belastet zu sein, weil mich der Alltag schon unheimlich anstrengt und kaum zu bewältigen ist.

Was heißt das jetzt für meine Arbeitsfähigkeit? Die Bescheinigung der Ärztin attestiert immer wieder die Arbeitsunfähigkeit. Im System bedeutet das, dass ich an keinem Tag arbeitsfähig bin. Für mich stimmt das nicht. Ich bin tageweise arbeitsfähig. Im System bedeutet das, dass ich keine mindestens 6 h täglich arbeiten kann. Das kann ich auch momentan nicht. Nach meiner eigenen Einschätzung, könnte ich trotzdem sehr wohl, in der Form des freien Arbeitens einige Stunden schaffen. Um das zu tun, muss ich aber arbeitsfähig geschrieben werden. Doch im System heißt Arbeitsfähigkeit 100%. Darunter ist eben arbeitsunfähig. Die Zwischenbereiche sind im System nicht geregelt und existieren so einfach nicht. Da heißt es arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig. Ganz oder gar nicht. Mit meiner Realität hat das wenig zu tun.

Und dann kommen eine oder zwei oder drei Behörden dazu, die meine Realität einschätzen wollen. Die aus einer „Außerhalb-Perspektive“ einschätzen wollen, wie arbeitsfähig ich bin. Das ist doch schon mal total schräg. Da werden dann zwar, im Gegensatz zu dem ganz-oder-gar-nicht-Prinzip, Abstufungen zugelassen, von unter 3 h täglich, über 3 h und mehr als 6 h. Doch es bleibt skurril, denn wer erlebt denn am eigenen Leib die Leistungsfähigkeit? Wer kann denn am besten durch seine Erfahrungen einschätzen, wie und welches Arbeiten möglich ist? Meine Erfahrungen haben hier keinen Wert. Das ist das, was ich erlebe. Der Rententräger hat mich in seiner Begutachtung als voll arbeitsfähig eingestuft, obwohl ich zu der Zeit, während der ehrenamtlichen Arbeit in der Friedhofsgärtnerei etwas ganz anderes erlebt habe. Da blieb mir nur verständnisloses Kopfschütteln. Ich bin relativ ruhig geblieben, weil mir klar war, dass diese behördliche Einschätzung nichts an meiner Realität verändert. Bloß weil einer sagt, du kannst arbeiten, mit den damit verbundenen Vorstellungen des Systems, wie oben beschrieben, kann ich nicht auf einmal arbeiten. Wenn ich das könnte, würde ich es doch schon längst tun.

Was ich so schade finde, ist, dass ich mich gerne in der Zeit wo ich das kann, wo Reserven da sind einbringen möchte, aber dafür keinen Ort finde.

Was es gerade wieder so hochaktuell macht, ist ein Schreiben der Krankenkasse, mit ‚nur‘ bewilligten 40 h für die Fortsetzung der Therapie, von beantragten 80 h. Mit der Begründung des Gutachters, dass keine Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit zu erkennen ist und sich die Frage ergibt, wofür das dann eigentlich gut sein soll. Das sind meine Worte, die es kurz zusammenfassen.
Ich persönlich sehe so viele Verbesserungen mein ganzes Leben betreffend. Zwar sehr langsam, aber stetig und nicht unbedingt nur auf die Leistungsfähigkeit bezogen. Ist eine Therapie nur sinnvoll, wenn sie die Verbesserung oder sogar Wiederherstellung der Leistung beinhaltet und nicht die Verbesserung der Lebensqualität? Hat Lebensqualität nicht einen viel höheren Wert? Was ist wenn meine Leistungsfähigkeit eingeschränkt bleibt? Darf ich dann trotzdem den Anspruch haben, in meinem Leben damit eine Zufriedenheit herzustellen? Mir diese Möglichkeit zu nehmen und mich auf Leistung zu reduzieren, finde ich extrem unmenschlich.

40 h sind für mich nichts, wenn ich sehe, dass ich fast 2 Jahre gebraucht habe, um mich (noch ganz unsicher) auf eine Beziehung einzulassen. Und nun soll ich innerhalb von 5 Monaten darauf etwas aufbauen? Auch hier haben meine Erfahrungen keine Relevanz für die Entscheidungen des Systems.

Lange und viel wird schon darüber geredet, dass das System krank ist und am Menschen vorbei geht. Jetzt sammle ich selbst ganz persönliche Erfahrungen dazu und sehe das für diese speziellen Bereiche in meinem Empfinden bestätigt.
Dazu passt auch ein Kommentar von Alexander Wagandt aus der 55. Tagesenergie-Sendung (http://www.youtube.com/watch?v=uSuc-nKuNsY, ca. 53 Min.).
„Und wenn ich verstanden habe, das der Staat, dass das Rechtssystem, das Gesundheitssystem, das juristische System, all das was ich an Systemen vorfinde, immer dazu dient mich in eine bestimmte Struktur zu pressen, […]. Immer dann, wenn sie eine bestimmte Struktur aufrechterhalten, geht gleichzeitig die wahre Qualität verlustig. Weil die Struktur für sich in Anspruch nimmt Stabilität aufbauen zu wollen, aber das Leben ist Wandel im Ausdruck. Und wenn ich den Wandel nicht zulasse, dann mache ich etwas was richtig ist automatisch für die Zukunft Tod und damit unwahr.“

Ab Minute 2:32:55 spricht es mich auch sehr an, in meinen aktuellen Erkenntnissen und Empfindungen.

Innerer Reichtum

Umstände

Als ich im April wieder stark eingeknickt bin, emotional, wie auch in meiner Leistungsfähigkeit und klar wurde, dass für mich momentan eine Tätigkeit mit 25 h die Woche nicht zu bewältigen ist, kam der nächste harte finanzielle Einschnitt auf mich zu.

Der finanzielle Nach-unten-Trend begann 2011. Vom vollen Verdienst (40h) auf Krankengeld. Von Krankengeld auf Alg I. Von Alg I auf Verdienst (25h). Von Verdienst wieder auf Krankengeld. Der nächste und letzte Schritt auf Hartz 4-Niveau erwartet mich im September. Bis zu meinem letzten Verdienst konnte ich noch gut haushalten und musste nur geringfügige Anpassungen bewältigen. Kein monatliches Sparen mehr, alle Spenden kündigen und Handyvertrag reduzieren. An den Ausgaben des täglichen Lebens, musste ich nichts verändern.

Doch mit dem jetzigen Krankengeld bekomme ich nur noch halb so viel, wie ich damals mit 40 h die Woche verdient habe. Das rüttelt ordentlich an der Komfortzone und nicht nur das. Es rüttelt an meinen inneren Haltungen zu Gesundheit und Ethik, an meinem erworbenen, gewachsenen Lebensstil, besonders was meine Ernährung betrifft. Das war ein Schock. Kann ich mir keine Bio-Lebensmittel mehr leisten? Das ich nun nicht mehr einfach essen gehen kann, wann ich will, ins Kino gehen kann, wann ich will, tanzen gehen kann, wann ich will, Ausflüge machen kann, wann ich will, ist auch nicht leicht zu akzeptieren. Aber das was ich verzehre ist das, was mir am wichtigsten ist. Wo eine Umstellung mich am meisten quält.

Damals

Erstaunlich wie schnell man sich an einen Lebensstil gewöhnt, sich hinein entwickelt und wie er Teil der Identität wird. Ich dachte, ich wäre jemand der wenig braucht. Hab mich an die Studienzeiten erinnert. Da ging es doch auch mit sehr wenig. Begriffe wie Nachhaltigkeit, Fair Trade, Umweltschutz und meine Gesundheit standen noch überhaupt nicht zur Debatte. Aber ganz ehrlich, es hat mir auch dort schon keinen Spaß gemacht. Wenn man sich entscheiden muss zwischen neuer Unterwäsche oder neuen Socken (man braucht eigentlich beides), sich Lebensmittel von der Berliner Tafel holt und heimlich Flaschen sammelt. Ja es ging und das hat auch irgendwie stolz gemacht und trotzdem ist es mir anders lieber.

Heute

Jedenfalls habe ich mich bemüht der Situation gerecht zu werden. Habe alle Versicherungen stillgelegt und mir eine Übersicht über meine täglichen Ausgaben verschafft. Ja puh, 150,- € für Lebensmittel und 150,- € Ausgaben für alles Zwischendurch ist ordentlich und wird so nicht mehr möglich sein. Es ist wirklich schwer den alltäglichen Verführungen zu entgehen, aber noch schwieriger gestaltete sich der Versuch, wieder einen Teil konventioneller Lebensmittel zu kaufen. Mit riesigem Widerstand und sogar Ekel tat ich es trotzdem. Was sollte ich auch machen? Dann bekam ich starke körperliche Beschwerden – Sodbrennen, Magenschmerzen und Übelkeit. Meine Therapeutin würde wahrscheinlich die Gründe dafür woanders sehen, aber ich bin mir fast sicher, dass mein Körper auf die „unguten“ Energien, Pestizide und was weiß ich, reagiert hat. Zuerst wollte ich es auch nicht glauben, dass ich mittlerweile so sensibel sein sollte. Ich habe mittels einer Technik, meine Körperintelligenz dreimal ungläubig zu den neuen Haferflocken befragt und es kam immer das gleiche „Nein, will ich nicht“. Okay, das ist ja dann wohl eine klare Botschaft.

Energiewandel

Dann geschah erstaunliches. Nach diesen Erlebnissen traf ich die Entscheidung auf Bio nicht verzichten zu wollen. Komme was wolle. Und diese Entscheidung, dieser Wille, dieser unverrückbare Entschluss führte dazu, dass ich eine Stärke in mir spürte. Eine Stärke die mir versicherte, dass das möglich ist, dass sich Wege finden werden. Und genau das geschah! Mir fielen nach und nach lauter Dinge ein die ich tun könnte. Das erste waren andere Geldquellen zu erschließen. Dinge bei Ebay verkaufen und Blut spenden gehen. Beides erwies sich leider als Flob. Meine Dinge hatten keinen Wert mehr und mein Blut ist zum Spenden nicht geeignet. Das änderte nichts an meinem positiven Grundgefühl, das alles möglich ist. Eine neue Affirmation stieg in mir auf: „Alles ist immer in Fülle da!“ Und das unglaubliche ist, dass ich trotz des äußeren Mangels, einen inneren Reichtum fühlte. Mein Fahrrad ging kaputt. Ich eigentlich kein Geld für die Reparatur. Trotzdem zur Werkstatt. Immer das Gefühl, es wird schon irgendwie gehen. Unerwartet treffe ich an dem Tag der Fahrradabholung meine Mutter und sie bezahlt die Reparatur. Was hab ich mich gefreut. Dann der Aufbruch meines Kellers. Nichts entwendet, da nichts drin ist. Nur ein neues Schloss muss her. Das Schloss kauft meine Mutter mir gleich mit. Ich habe versucht Wohngeld zu beantragen. Habe leider keinen Anspruch. Das alles erlebe ich mit viel Gleichmut.

Zurück zum Thema Lebensmittel. Auch hier taten sich Möglichkeiten auf. Ich nehme einen weiteren Weg in Kauf, zu einer Bio-Kette die günstiger ist als mein bisheriger Laden. Ich versuche die Vielfalt einzuschränken – einfache Gerichte, einfache Zutaten – eben am Preis orientiert. Ich kaufe Großpackungen. Wird zwar erst mal teurer, aber am Ende günstiger. Ich wechsel soweit wie möglich auf die günstigen Biomarken, auch wenn ich damit auf höhere Bio-Standards (wie z.B. Demeter) verzichte. Ich kaufe reduziertes Obst und Gemüse, welches nicht mehr einwandfrei aussieht. Ich führe nun eine Liste über meine Ausgaben für Lebensmittel, Hygieneartikel und Getränke. Da zeigt sich eine Schwachstelle für Getränke wie Red-Bull und Spezi. Viel zu teuer und auch ungesund. Auch wenn das alles vielleicht konsequent wirkt, bin ich es eher nicht so ganz. Aber ich sehe das wieder als Prozess. Als etwas, was sich durch die Auseinandersetzung damit automatisch seinen Weg suchen wird.

Ich fühle mich zumindest momentan sehr zufrieden, wenn nicht sogar glückselig. Raus aus der verkrampften Opferposition, rein in die Rolle, die Dinge in der Hand zu haben und selbst bestimmen zu können. Es fließt. Ich freue mich. 🙂