Traurig

Das macht mich sehr traurig.

Morgen ist Ostern bei der Familie mütterlicherseits, mit Osterfeuer und ich möchte wirklich gerne hin, bei meiner Familie sein. So wie dieses Jahr, habe ich mich noch nie darauf gefreut.

So wie es gestern war, wie der Weg zu meinen Eltern mich erschöpft hat und die Zeit bei ihnen anstrengend war, obwohl wir nur etwas Small-Talk hielten und einen Film schauten. So wie ich gestern dann zu Hause an kam, völlig überfordert mit allem, war das eigentlich schon zu viel gewesen.

So wie ich heute unterwegs bin, großes Schlaf- und Ruhebedürfnis, große Anstrengung Essen zu machen und Momente von Schmerz im Herzen und Wut im Bauch.

So werde ich völlig überfordern, wenn ich morgen da hinfahre. Die Anfahrt dauert lange. Es wird mir in den öffentlichen Verkehrsmittel zu viel sein, ich werde überreizt, gereizt dort ankommen, müsste mich sofort zurückziehen. Es könnte sein, dass der Rückzug nichts bessert und ich insgesamt nicht groß Kontakt aushalte, Gespräche nicht führen kann, weil das alles überfordernd ist. Und dann wäre da noch der Weg zurück.

Ach man… 😦

Ich finde das gerade wieder mal gemein und traurig, dass die Symptome mich von bestimmten Dingen abtrennen und es dafür aus Kostengründen keine Lösung gibt.

So sollte es nicht sein. Wenn ich jemanden hätte, der mich hin fährt und zurück fährt, würde ich es auf mich nehmen. Dann gäbe es nur die Belastung vor Ort, die ich ausprobieren würde, weil ich ja keine weitere Belastung hätte.

Und da kreisen meine Gedanken wieder um das Persönliche Budget.

Ich bin betroffen von psychischen Einschränkungen und habe einen Schwerbehindertenausweis (oh, so ein gruseliges Wort). Damit dürfte ich die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme erfüllen. Ich habe nur keine Ahnung, für welche Leistungen Gelder bewilligt werden.

Ich habe den Sozialpsychiatrischen Dienst angeschrieben, um mich dazu beraten zu lassen. Meine Ansprechpartnerin ist gerade im Urlaub und erst ab übernächster Woche wieder da.

Das zu machen, jemandem zu sagen, wo Einschränkungen sind und welche Unterstützung ich mir für mehr Lebensqualität wünsche, ist für mich sehr schwer. Es erfordert, dass ich dieses Gefühl aufrechterhalten kann, es mir wert zu sein und ein Recht auf Linderung zu haben. Es erfordert auch, vor jemand anderem, zu meinem Nicht-können ja zu sagen.

Meine Programme von Selbstabwertung liegen da total nah dran. Es ist wirklich, wirklich schwer es anders zu fühlen. Na mal sehen. Ich schreibe viel auf, was ich dann als Orientierung im Gespräch nutzen kann, wenn mir vor Selbstabwertung und Scham kein Wort mehr einfällt.

Was bildest du dir eigentlich ein!? Wie dreist ist das denn von dir, sowas zu fordern? Das ist anmaßend! Dazu hast du kein Recht!

So in etwa brauste es auch heftig in mir auf, als ich vor ein paar Wochen eine Spenden-Annonce geschaltet habe. Ich traue es mich jetzt noch immer nicht, mich damit richtig zu fühlen, obwohl ich weiß, dass daran auch nichts falsch ist. Es überhaupt hier zu schreiben, holt die Stimmen von oben nach vorne.

Mir ging es so schlecht und es half so sehr Fernreiki zu bekommen, dass ich aus Verzweiflung, dafür eigentlich kein Geld zu haben, diese Anzeige schaltete.

 

Mit Abstand betrachtet, bringen diese Einschränkungen und Krisen immer wieder eine Dynamik in Gang, die Neues ausprobieren lässt. Das ist das Gute daran.

Arbeitsfähigkeit

Wie passe ich in die Vorstellung des Systems in den Bereichen Gesundheit und Arbeit? Wie ordnet das System mich ein? Wie ordne ich mich ein? Was erfahre ich mit mir? Welche Relevanz hat das für das System? Was bedeutet Leistungsfähigkeit für mich und was bedeutet es für das System?
Diese Fragen beschäftigen mich immer wieder und momentan etwas mehr.

Über den ganzen Zeitraum der laufenden, von der Ärztin ausgeschriebenen Arbeitsunfähigkeit, also seit April 2013, sehe ich Verbesserungen. Schritt für Schritt wird es besser. Was wird da besser? Die Lebendigkeit, die Aktivität nimmt insgesamt zu und die schweren, handlungsunfähigen Zeiten nehmen insgesamt ab. Aber was genau bedeutet das? Das bedeutet, dass es wochenweise Zeiten gibt, wo ich spüre, dass da Kapazitäten frei sind. Das ich wohl ein paar Stunden arbeiten gehen könnte und auch wollen würde. Und dann kommt es alle paar Wochen dazu, dass ich null Reserven habe und verdammt froh bin, nicht mit einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit belastet zu sein, weil mich der Alltag schon unheimlich anstrengt und kaum zu bewältigen ist.

Was heißt das jetzt für meine Arbeitsfähigkeit? Die Bescheinigung der Ärztin attestiert immer wieder die Arbeitsunfähigkeit. Im System bedeutet das, dass ich an keinem Tag arbeitsfähig bin. Für mich stimmt das nicht. Ich bin tageweise arbeitsfähig. Im System bedeutet das, dass ich keine mindestens 6 h täglich arbeiten kann. Das kann ich auch momentan nicht. Nach meiner eigenen Einschätzung, könnte ich trotzdem sehr wohl, in der Form des freien Arbeitens einige Stunden schaffen. Um das zu tun, muss ich aber arbeitsfähig geschrieben werden. Doch im System heißt Arbeitsfähigkeit 100%. Darunter ist eben arbeitsunfähig. Die Zwischenbereiche sind im System nicht geregelt und existieren so einfach nicht. Da heißt es arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig. Ganz oder gar nicht. Mit meiner Realität hat das wenig zu tun.

Und dann kommen eine oder zwei oder drei Behörden dazu, die meine Realität einschätzen wollen. Die aus einer „Außerhalb-Perspektive“ einschätzen wollen, wie arbeitsfähig ich bin. Das ist doch schon mal total schräg. Da werden dann zwar, im Gegensatz zu dem ganz-oder-gar-nicht-Prinzip, Abstufungen zugelassen, von unter 3 h täglich, über 3 h und mehr als 6 h. Doch es bleibt skurril, denn wer erlebt denn am eigenen Leib die Leistungsfähigkeit? Wer kann denn am besten durch seine Erfahrungen einschätzen, wie und welches Arbeiten möglich ist? Meine Erfahrungen haben hier keinen Wert. Das ist das, was ich erlebe. Der Rententräger hat mich in seiner Begutachtung als voll arbeitsfähig eingestuft, obwohl ich zu der Zeit, während der ehrenamtlichen Arbeit in der Friedhofsgärtnerei etwas ganz anderes erlebt habe. Da blieb mir nur verständnisloses Kopfschütteln. Ich bin relativ ruhig geblieben, weil mir klar war, dass diese behördliche Einschätzung nichts an meiner Realität verändert. Bloß weil einer sagt, du kannst arbeiten, mit den damit verbundenen Vorstellungen des Systems, wie oben beschrieben, kann ich nicht auf einmal arbeiten. Wenn ich das könnte, würde ich es doch schon längst tun.

Was ich so schade finde, ist, dass ich mich gerne in der Zeit wo ich das kann, wo Reserven da sind einbringen möchte, aber dafür keinen Ort finde.

Was es gerade wieder so hochaktuell macht, ist ein Schreiben der Krankenkasse, mit ‚nur‘ bewilligten 40 h für die Fortsetzung der Therapie, von beantragten 80 h. Mit der Begründung des Gutachters, dass keine Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit zu erkennen ist und sich die Frage ergibt, wofür das dann eigentlich gut sein soll. Das sind meine Worte, die es kurz zusammenfassen.
Ich persönlich sehe so viele Verbesserungen mein ganzes Leben betreffend. Zwar sehr langsam, aber stetig und nicht unbedingt nur auf die Leistungsfähigkeit bezogen. Ist eine Therapie nur sinnvoll, wenn sie die Verbesserung oder sogar Wiederherstellung der Leistung beinhaltet und nicht die Verbesserung der Lebensqualität? Hat Lebensqualität nicht einen viel höheren Wert? Was ist wenn meine Leistungsfähigkeit eingeschränkt bleibt? Darf ich dann trotzdem den Anspruch haben, in meinem Leben damit eine Zufriedenheit herzustellen? Mir diese Möglichkeit zu nehmen und mich auf Leistung zu reduzieren, finde ich extrem unmenschlich.

40 h sind für mich nichts, wenn ich sehe, dass ich fast 2 Jahre gebraucht habe, um mich (noch ganz unsicher) auf eine Beziehung einzulassen. Und nun soll ich innerhalb von 5 Monaten darauf etwas aufbauen? Auch hier haben meine Erfahrungen keine Relevanz für die Entscheidungen des Systems.

Lange und viel wird schon darüber geredet, dass das System krank ist und am Menschen vorbei geht. Jetzt sammle ich selbst ganz persönliche Erfahrungen dazu und sehe das für diese speziellen Bereiche in meinem Empfinden bestätigt.
Dazu passt auch ein Kommentar von Alexander Wagandt aus der 55. Tagesenergie-Sendung (http://www.youtube.com/watch?v=uSuc-nKuNsY, ca. 53 Min.).
„Und wenn ich verstanden habe, das der Staat, dass das Rechtssystem, das Gesundheitssystem, das juristische System, all das was ich an Systemen vorfinde, immer dazu dient mich in eine bestimmte Struktur zu pressen, […]. Immer dann, wenn sie eine bestimmte Struktur aufrechterhalten, geht gleichzeitig die wahre Qualität verlustig. Weil die Struktur für sich in Anspruch nimmt Stabilität aufbauen zu wollen, aber das Leben ist Wandel im Ausdruck. Und wenn ich den Wandel nicht zulasse, dann mache ich etwas was richtig ist automatisch für die Zukunft Tod und damit unwahr.“

Ab Minute 2:32:55 spricht es mich auch sehr an, in meinen aktuellen Erkenntnissen und Empfindungen.