Erfahrungsbericht

Das mit dem Schreiben und Denken ist gerade gar nicht so einfach.

Seit 4 Tagen nehme ich das Medikament Quetiapin (Seroquel), ein Neuroleptika.

Tja, was soll ich sagen… Es fühlt sich nicht schlecht an.

Erstaunt mich selbst, wo ich jahrelang sehr skeptisch gegenüber einer Medikation war und auch bisher von der Wirkweise einzelner ausprobierter Mittel (Citalopram 2 Wochen; Mirtazapin 6 Monate; Lyrica 3 Tage) nie überzeugt wurde.

Das Paroxetin, welches ich seit einem Jahr nehme, verhindert, dass mein Antrieb in schweren Zeiten nur noch am Boden klebt, mehr aber auch nicht. Ich müsste davon viel mehr nehmen, um Auswirkungen auf den emotionalen Bereich zu haben. Mehr vertrage ich aber aufgrund der Nebenwirkungen nicht.

Meine Psychiaterin erklärte mir das mit einer schlechten Verstoffwechselung, die ich wohl hätte. Mein Körper braucht viel, viel länger als üblich, um die Medikamente in seine Bestandteile zu zerlegen, deshalb entsteht so viel ‚Raum‘ für Nebenwirkungen, weil das Zeug ewig in mir herumschwimmt. Es könne sogar sein, dass es dann nicht mal zur Hauptwirkung kommt, weil es einfach zu lange dauert.

Na super, dachte ich und fügte diese Info zu der immer länger werdenden Liste an Überempfindlichkeiten/Beeinträchtigungen hinzu.
Allergisch gegen: Duschbadbestandteile, Katzenhaare, unzählige Pflanzenpollen (neuerdings bekomme ich schon Ausschlag, wenn ich bestimmte Pflanzen berühre), Sonnenstrahlung. Laktoseintolerant. Hefeunverträglichkeit. Autoimmunerkrankung der Schilddrüse. Infiziert mit dem HPV-Virus. Der Vollständigkeit halber erwähne ich auch, dass mir vier Zähne weniger mit ins Leben gegeben wurden, plus vier mussten als Kind gezogen werden, weil der Platz im Kiefer zu eng war.

So, und nun bin ich also auch ein Langsam-Verstoffwechsler.

Jetzt hab ich das mal schön hier breitgetreten. Eigentlich stört mich das alles gerade gar nicht. Ihr dürft mich trotzdem bemitleiden, wenn euch nach ist. 😉

Zurück zum Thema.

Also. Quetiapin. Gibt es als kleinste Einheit in 25 mg – Tabletten. Ohne Bruchrille. Absprache mit der Ärztin. „Nehmen sie 1/6 sechs Tage lang. Im Idealfall merken sie gar nichts und gehen dann auf ¼. „ Teile mal eine kleine Tablette, ohne Bruchrille in 6 einigermaßen gleich große Teile. Unmöglich. Sind wohl eher irgendwas zwischen 1/5 und ¼.

Wirkung: Ich kann super einschlafen damit. Sie machen müde. Tagsüber fühle ich mich auf eine angenehme Art und Weise benommen und auch müde. Was mich wirklich erstaunt, ist das Gefühl beschützt zu sein. Irgendwie ummantelt, aber positiv besetzt. Nicht abgeschnitten von mir, auch wenn ich öfters wegdrifte und nicht so bei der Sache bin.
Am ersten Tag lief ich durch den Wald und hatte dieses Gefühl von einer kuscheligen Pelzmütze um den Kopf. Ich konnte sie vor meinem inneren Auge richtig sehen. Ich fühle mich überhaupt nicht durch etwas fremdbestimmt, wie es bei den anderen Medis immer war.
Klar ist da noch die Mundtrockenheit, leichte Störungen im Sehen, Schwindel, bisschen flauer Magen, die Suche nach Sätzen und Wörtern. Damit bin ich irgendwie einverstanden. Denke auch, dass legt sich nach einiger Zeit.

Ich erwähne einfach mal noch, dass ich dieses Mal eine sehr offene, einlassende Haltung vor der Einnahme hatte. Ich nahm die Tabletten in die Hände, betrachtete sie als Freund und Helfer, als etwas was mir Gutes bringt. Ich segnete sie und bedankte mich für ihre Unterstützung.

Ich habe ja nichts zu verlieren. Wenn ich sie nicht vertrage oder sie als nicht hilfreich erlebe, kann ich sie wieder absetzen.

Momentan habe ich eher das Gefühl, sie unterstreichen/verstärken/unterstützen das Gefühl, dass eigentlich im Grunde alles in Ordnung ist.

1-Tage

Auf einen kleinen Zettel gekritzelt. Beschreibungen. Nicht die ersten dieser Art, aber doch schon eine Weile her, dass es so war.

„Fällt mir schwer mit meinem Bewusstsein hier zu bleiben, ohne Gegenüber. Konzentrieren und Handeln braucht viel Kraft. Körperschwach. Müde. Schnell überfordert. Keine Handlungsimpulse.“

Hab viel geschlafen. Mich oft wie in Trance gefühlt. Kaum Impulse mich zu bewegen. Versorgung mit Essen in diesem Zustand eine Herausforderung. Plötzlich ist wieder Brei interessant. Nur löffeln, schlucken. Alles andere zu anstrengend. Sehnsucht nach Badewanne. Sehnsucht nach Wasser – schweben – loslassen – umhüllt sein. Weinen unter der Dusche. Sonst wenig bis keine Gefühle. Viel Treiben – irgendwo weit weg. Viel liegen. Viel schlafen. Und ist jemand da zum reden, dann geht das, dann ist alles fast normal (außer das die Welt schwankt, als ich vor die Tür trete). War schon immer so. Kontakt stellt Bezug her.

Ich dachte an Regression. So kann ich es vielleicht nach außen erklären. Drehe den Begriff im Kopf hin und her. Regression. Zurückentwickeln. Eigentlich stimmt das nicht. Da bin nicht ICH, welche gerade zurückfällt. So fühlt es sich nicht an. Da ist ein Teil in mir, vielleicht ein frühkindlicher oder vorgeburtlicher Teil, der nach vorne gekommen ist. Der war und ist schon immer so. Das sind seine Merkmale. (Stelle ich mir zumindest vor.) Also ist es keine Regression. Ich kann sogar in diesem Zustand noch 2 Stunden im Laden stehen – freundlich auf Kunden reagieren und handeln (nervös und ängstlich sein). Meine Fähigkeiten sind also noch da. Auch wenn ohne Kunden und Kontakt jede Bewegung eine immense Anstrengung ist, die Müdigkeit mich wie Blei auf den Tresen drückt.

Hinzu kommen Momente von merkwürdigen Zeit-Raum-Erlebnissen.
Nach den 2 Stunden im Laden, falle ich zu Hause auf die Couch. Kann mich nicht mehr rühren. Mit geschlossenen Augen nehme ich den Raum war und es ist nicht mein zu Hause, welches ich wahrnehme, sondern immer noch der Laden. Als wenn ich in dem Moment wirklich ausgestreckt, auf den Rücken liegend auf dem Tresen liegen würde. Es ist keine Vorstellung, kein in Gedanken sein, sondern ich fühle tatsächlich anstatt meines Wohnzimmers, das andere Zimmer um mich herum. Unheimlich war das schon ein wenig.
An einem anderen Tag in dieser Woche, laufe ich zeitlos durch die Gegend und habe das Gefühl, nur noch ein Kopf zu sein. Ein schwebender Kopf, der durch den Raum gleitet – ohne Zeitbezug. Der Ortsbezug war noch vorhanden.

Ich schaue gerade mal, wann ich das letzte Mal so aus meinem Alltag rausgeflogen bin. Um den 13.06.. Hmmm… ist doch nicht so lange her. Und davor um den 21.05. herum. Das sind die sogenannten 1-Tage, die in der Diary-Card (aus dem DBT-Programm), in der Spalte für Antrieb mit 1 bewertet sind, was so viel bedeutet wie, dass nur noch Energie für Grundversorgung vorhanden.

Um den 1-Tag, gab es die 2-Tage. Ich muss vieles absagen, weil nur wenig Energie vorhanden ist, aber ich kann mich noch etwas bewegen. Und als hätte ich es geahnt oder anders gesagt, ich habe gefühlt, dass da eine schwere Woche auf mich zukommt und habe vorsorglich 2 Arbeitstage von 3en abgesagt (das viel mir gar nicht so schwer).

Wenn ich nun auf die vergangenen 5 Tage zurückschaue, habe ich mit der sehr wenigen Energie lauter schöne Dinge für mich getan. Ich war beim Friseur. Ich habe mir Barfußschuhe gekauft.

http://www.solesportsrunning.com/1229-thickbox_default/vibram-fivefingers-bikila-evo-women.jpg

Bild von http://www.solesportsrunning.com Ich liebe sie! ❤

Und ich hatte eine Knabberfisch-/ Akupressurbehandlung, was wirklich sehr, sehr viel Freude gemacht hat und ich mich fühlte wie ein kleines aufgeregtes Kind, als die kleinen Fische an meinen Füßen knabberten.

Fisch - Pedicure

Hat ganz schön gekitzelt, sag ich euch. 🙂 Bild von http://www.toxic.fm

Genau so fühlte es sich richtig an. Früher hätte ich die wenige Energie in die Arbeit gesteckt und hätte für mich nichts mehr übrig gehabt. So war viel Raum für Achtsamkeit und Selbstfürsorge.

Ich bin richtig stolz auf mich! 🙂