Mein Ganztags-Job

Es ist gerade mal alles so richtig schön scheiße.

Ich hatte nicht auf dem Schirm gehabt, wie quälend es sein kann, Medikamente anzusetzen. Das die Symptome von Niedergeschlagenheit, Lebensmüdigkeit, Gefühlsleere erst einmal zunehmen. Das der Kopf nicht mehr richtig denken kann, aus Flimmern besteht, die Augen weh tun, die Zähne unangenehm kribbeln, der Körper schwitzt, die Muskeln steif werden und ich aussichtslos die Gefühle von Dankbarkeit und Freude in mir suche, was vorher noch ging.

Naja, ob sich das jetzt gelohnt hat, bleibt abzuwarten.

Durch sowas komme ich nicht alleine. Das geht gerade nur mit Anruf auf der Krisenstation oder bei einer Freundin, mich trösten lassen von der Heilpraktikerin, sogar mit Hand halten, was echt sehr geholfen hat, mit Kartenziehen und wiederholt gesagt bekommen – akzeptiere was ist, passe dich den Bedingungen an und vertraue – und mich von unterschiedlichsten Seiten erinnern lassen, dass das vorbei gehen wird und ich schon anderes geschafft habe.

Trotzdem kommt da immer wieder Angst, weil ich weiß, nur ein Tag hauptsächlich liegend, ruhend bringt mein Herz in der Leistung so runter, dass die nächsten größeren Anstrengungen mit Schwindel und Kreislaufproblemen starten. Und das immer wieder aufs Neue. Ich sehe, wie sich nichts aufbaut. Ich weiß, was ich tun muss, um Muskeln aufzubauen und trotzdem kann ich es zurzeit nicht tun. Und ich soll das akzeptieren, mich daran anpassen – arrrgh – das bringt mich zum heulen.

Ja und gleichzeitig erinnere ich mich an die Zeit 2012/13  herum, da war das ähnlich und noch viel schlimmer. Da konnte ich kaum noch Treppensteigen oder nur in Zeitlupe, weil mein Herz mir fast aus dem Körper sprang. Ich wurde in die waagerechte gezwungen und das über einige Monate hinweg. Und dann wurde es auch wieder besser und das nicht, weil ich mich in die Bewegung gezwungen habe, nicht durch mein eigenes aktives Tun. Ich kann aber auch nicht sagen, ob es besser wurde durch mein aktives Nicht-tun. Es wurde einfach besser, warum auch immer. Erst viel, viel später konnte ich erkennen, dass dies eine Zeit voller massiver Angst und Panik war, die ich nicht wahrnehmen konnte.

Ich weiß nicht, ob es da Parallelen gibt. Is auch schnurz.

Ich frage mich immer wieder, ob ich mir mehr Unterstützung, also TK oder Klinik holen soll. Da bekomme ich kein JA für. Also scheint es so zu gehen, von Moment zu Moment, immer einen Schritt nach dem anderen und immer schauen, was brauche ich jetzt, was kann jetzt helfen und lindern.

Heute Morgen war das eine Kerze auf dem Tisch, ein Duftstäbchen und Wiegenmusik, während ich mein Frühstück vorbereitete und aß. Das ist scheiße schwer, wenn ich nur noch wenig gute Gefühle hervorholen und halten kann. Aber irgendwie ging es. Die Musik macht es glaube ich gerade. Die zieht meine Aufmerksamkeit und meine Schwingung mit. Die hält mich hier. Nach dem Frühstücken ging nur noch das. Liegen und der Musik folgen oder weg dösen. Ohne Musik, ohne Ablenkung und Ausrichtung wird es sehr unangenehm in meinen Gedanken und in meiner Stimmung. Schnell ist alles hoffnungslos und die Anspannung steigt enorm.

Ich erkenne gefühlte tausendmal am Tag diese Gedanken und Gefühle, versuche sie anzuerkennen, etwas Weiches um sie zu legen und mich dann auf das JETZT zu konzentrieren, die Welt ran zu holen, die Zusammenhänge klar zu bekommen und mich an Hilfreiches zu erinnern. Ich versuche Tag für Tag meine Ängste aller Art zu erkennen und zu lindern, einen Halt bei Mutter-Erde zu finden, zu akzeptieren was ist und zu heulen darüber was nicht ist und zu suchen, was denn statt dessen ist. Immer wieder aufs Neue. Immer wieder und immer wieder. Jeden Gott verdammten Tag aufs Neue. Ich bin abends froh, wenn der Tag um ist und morgens eher nicht so begeistert, dass er wieder anfängt. Und dann geht es wieder von vorne los. Depression ist ein Ganztags-Job.

Mir geht es nicht besser – ich kann nur punktuell lindern – aber vielleicht würde es mir viel schlechter gehen, wenn ich das alles nicht tun würde. Nicht ‚vielleicht‘. Auf jeden Fall würde es mir viel schlechter gehen. Jetzt ist es schlimm und quälend. Ohne mein Zutun wäre es endlos schrecklich und ich wäre schon längst auf Station und hätte mir vorher wohl noch irgendwas Ungutes angetan.

Also läuft es wohl ganz gut. *mich zu einem lachen abringen*

Änderungen

Mir schwirrt seit ein paar Tagen das Schreibbedürfnis durch den Kopf und dann verliere ich den Faden. Ich glaube das liegt an dem Medikament. Darüber wollte ich auch schreiben. Und über eine Begegnung heute. Und noch irgendwas, was mir gerade nur am Hirnrand herum flackert.

Eins nach dem anderen.

Also…. Ich bin seit zwei Wochen bei 12,5 mg Quetiapin (Seroquel). Die Verdoppelung von vorher 6,25 mg war nicht sehr angenehm. Aber ich war zu ungeduldig mit der Teilerei. Ein Drittel von 25 mg lässt sich einfach scheiße teilen.

Ich wollte die Wirkung und Nebenwirkungen festhalten. Warum eigentlich? Vielleicht für mein Kontrollbedürfnis und zum leichteren Aushalten. Bin ganz schon ins Leiden gefallen für ein paar Tage und wieder diese stetige Ambivalenz, vielleicht doch wieder weniger nehmen. Gut das es mir wieder aufgefallen ist und ich die Gründe für die Einnahme sehen konnte und das Hilfreiche und den Zeitaspekt (Nebenwirkungen lassen auch nach – evtl.).

Die Nebenwirkungen sind bisher Kopfschmerzen, Müdigkeit, leicht verstopfte Nase, unangenehm veränderter Körpergeruch, Mundtrockenheit, veränderter Stuhlgang, leicht unruhige Beine und morgens verdammt schwer aus dem Bett kommen.

Und dann gibt es noch Veränderungen, wo ich annehme, dass das die Wirkung sein soll. Ich bekomme weniger von meinem Innenerleben mit. Und wenn ich es mitbekomme, ein Gefühl habe, dann gleite ich davon sehr schnell wieder weg. Wenn da von außen kein Reiz kommt und ich auch keine Handlung angehe, läuft das in einen verträumten Zustand. Ich würde das auch unkonzentriert nennen. Achtsamkeit ist damit auch nicht mehr so einfach. Meine Gedanken laufen wie gehabt so vor sich hin, doch sie sind wie in einem Nebelfilm, dass ich oft gar nicht so leicht fassen kann, was ich gerade denke, gedacht habe. Könnte man auch Vergesslichkeit nennen. Meditation ist zur echten Herausforderung geworden. Ich töne nun öfters das Om, weil der Reiz mich präsenter hält.

Emotional fühle ich mich sehr entlastet. Es ist ruhiger geworden. Teilweise sogar richtig entspannt. In einer Situation wo Ängste normalerweise aufgetreten wären, habe ich nur Anspannung gespürt, die ich ja dann wieder vergessen habe. 😉

So gleite ich gerade durch die Tage. Was mich daran hippelig macht ist, dass meine Gefühle an die ich mich so gewöhnt habe (da meine ich auch die leisen Empfindungen mit), die meinen Alltag bestimmt haben und meine Richtschnur waren, nun verändert sind oder nicht mehr spürbar. Das macht was mit dem Selbstgefühl. Irgendwie unklar, wer ich nun bin, wie ich bin, was sich für neue Orientierungspunkte in mir ergeben. Ob ich Überforderung noch mitbekomme, ob ich Grenzen noch mitbekomme. Keine Ahnung. Ich will mich erst einmal einlassen, das Andersfühlen zulassen.

Naja, und dann habe ich mich mit Unterstützung dazu entschließen können eine stationäre Traumatherapie auszuprobieren. Ich meine, die Vergangenheit liegt so nah an der Oberfläche, wurde in den letzten Wochen/Monaten immer deutlicher, die fordert mich förmlich auf, sie endlich zu verarbeiten.

Die Anmeldeunterlagen sind vor 5 Tagen raus. Das fühlt sich verdammt richtig an. Trotzdem lässt es mich auch daran denken, dass ich in meinem Leben noch nie länger als 3,5 Wochen von zu Hause weg war und das eine fremde Umgebung (neben anderen Dingen) mich stark destabilisieren kann. Aber… ich nehme ja jetzt Medikamente. 🙂

In den Dingen die ich so in letzter Zeit angegangen bin, Konfrontation mit Ängsten, gibt es nun nach der letzten Destabilisierung eine Planänderung, auch weil das echt blödsinnig ist, so etwas in der Betreuungsablösephase zu machen. Oh ha, welch Erkenntnisreichtum!

In den letzten 3-4 Terminen geht es vor allem um Anschlussvernetzung. Also zur Klinikplanung und wo kann ich mit wem Kontakt aufnehmen, wenn ich Unterstützung brauche. Dort schon mal Kontakte herstellen, informieren usw.. Das läuft alles schon und fühlt sich auch gut an. Obwohl ich es mir so überhaupt nicht vorgestellt habe. Naja… der Verstand und das Leben… und dieser breite Graben dazwischen.

So. Mehr mag nicht geschrieben werden.

Erfahrungsbericht

Das mit dem Schreiben und Denken ist gerade gar nicht so einfach.

Seit 4 Tagen nehme ich das Medikament Quetiapin (Seroquel), ein Neuroleptika.

Tja, was soll ich sagen… Es fühlt sich nicht schlecht an.

Erstaunt mich selbst, wo ich jahrelang sehr skeptisch gegenüber einer Medikation war und auch bisher von der Wirkweise einzelner ausprobierter Mittel (Citalopram 2 Wochen; Mirtazapin 6 Monate; Lyrica 3 Tage) nie überzeugt wurde.

Das Paroxetin, welches ich seit einem Jahr nehme, verhindert, dass mein Antrieb in schweren Zeiten nur noch am Boden klebt, mehr aber auch nicht. Ich müsste davon viel mehr nehmen, um Auswirkungen auf den emotionalen Bereich zu haben. Mehr vertrage ich aber aufgrund der Nebenwirkungen nicht.

Meine Psychiaterin erklärte mir das mit einer schlechten Verstoffwechselung, die ich wohl hätte. Mein Körper braucht viel, viel länger als üblich, um die Medikamente in seine Bestandteile zu zerlegen, deshalb entsteht so viel ‚Raum‘ für Nebenwirkungen, weil das Zeug ewig in mir herumschwimmt. Es könne sogar sein, dass es dann nicht mal zur Hauptwirkung kommt, weil es einfach zu lange dauert.

Na super, dachte ich und fügte diese Info zu der immer länger werdenden Liste an Überempfindlichkeiten/Beeinträchtigungen hinzu.
Allergisch gegen: Duschbadbestandteile, Katzenhaare, unzählige Pflanzenpollen (neuerdings bekomme ich schon Ausschlag, wenn ich bestimmte Pflanzen berühre), Sonnenstrahlung. Laktoseintolerant. Hefeunverträglichkeit. Autoimmunerkrankung der Schilddrüse. Infiziert mit dem HPV-Virus. Der Vollständigkeit halber erwähne ich auch, dass mir vier Zähne weniger mit ins Leben gegeben wurden, plus vier mussten als Kind gezogen werden, weil der Platz im Kiefer zu eng war.

So, und nun bin ich also auch ein Langsam-Verstoffwechsler.

Jetzt hab ich das mal schön hier breitgetreten. Eigentlich stört mich das alles gerade gar nicht. Ihr dürft mich trotzdem bemitleiden, wenn euch nach ist. 😉

Zurück zum Thema.

Also. Quetiapin. Gibt es als kleinste Einheit in 25 mg – Tabletten. Ohne Bruchrille. Absprache mit der Ärztin. „Nehmen sie 1/6 sechs Tage lang. Im Idealfall merken sie gar nichts und gehen dann auf ¼. „ Teile mal eine kleine Tablette, ohne Bruchrille in 6 einigermaßen gleich große Teile. Unmöglich. Sind wohl eher irgendwas zwischen 1/5 und ¼.

Wirkung: Ich kann super einschlafen damit. Sie machen müde. Tagsüber fühle ich mich auf eine angenehme Art und Weise benommen und auch müde. Was mich wirklich erstaunt, ist das Gefühl beschützt zu sein. Irgendwie ummantelt, aber positiv besetzt. Nicht abgeschnitten von mir, auch wenn ich öfters wegdrifte und nicht so bei der Sache bin.
Am ersten Tag lief ich durch den Wald und hatte dieses Gefühl von einer kuscheligen Pelzmütze um den Kopf. Ich konnte sie vor meinem inneren Auge richtig sehen. Ich fühle mich überhaupt nicht durch etwas fremdbestimmt, wie es bei den anderen Medis immer war.
Klar ist da noch die Mundtrockenheit, leichte Störungen im Sehen, Schwindel, bisschen flauer Magen, die Suche nach Sätzen und Wörtern. Damit bin ich irgendwie einverstanden. Denke auch, dass legt sich nach einiger Zeit.

Ich erwähne einfach mal noch, dass ich dieses Mal eine sehr offene, einlassende Haltung vor der Einnahme hatte. Ich nahm die Tabletten in die Hände, betrachtete sie als Freund und Helfer, als etwas was mir Gutes bringt. Ich segnete sie und bedankte mich für ihre Unterstützung.

Ich habe ja nichts zu verlieren. Wenn ich sie nicht vertrage oder sie als nicht hilfreich erlebe, kann ich sie wieder absetzen.

Momentan habe ich eher das Gefühl, sie unterstreichen/verstärken/unterstützen das Gefühl, dass eigentlich im Grunde alles in Ordnung ist.

Wie die Dinge manchmal laufen oder ein klassischer Fall von Sucht

Wenn man es besser weiß und sich trotzdem nicht anders verhalten kann. Eines greift ins andere. Ein Dominoeffekt.

Ein kurzer Moment reicht aus. Ein kleiner Spalt in der Tür und was sich erst wie ein frischer Luftzug anfühlt, wird zu einem kräftigen Durchzug, bei dem man all seine Kraft braucht, um die Tür wieder zu zubekommen.

Ein schmerzvoller Abend und gleichzeitig Werbung für psychedelische Pilze im E-Mailpostfach. Der erste Klick auf die Seite und schon schnappt die Suchtfalle zu. Der Blick verengt sich. Es wird nicht mehr nachgedacht, nicht links und rechts geschaut, nur noch gehandelt. Weitere Klicks folgen, Produkte in den Warenkorb gepackt. Weitere Handlungen folgen, Bedingungen werden in Kauf genommen, die man sonst nie eingehen würde. Auch ein klassisches Merkmal von Suchtstrukturen. Es wird mehr bestellt als nötig, um den Mindestbestellwert zu erreichen. Unklare Legalität wird in Kauf genommen und ein Entdeckt werden durch den Zoll. Einem Online-Banking-Verfahren für Auslandsüberweisungen wird zugestimmt, obwohl man gar nicht versteht, für was genau man da eigentlich zustimmt. Hauptsache der Deal läuft.

Einen Tag später habe ich tatsächlich erst einmal völlig vergessen, was ich da am Vorabend getan habe. Dann fällt es mir wieder ein und ich erkenne selbst, wie süchtig ich mich verhalten habe, wie untypisch risikobereit. Ich spreche mit einer Freundin darüber, kann herzlich über meine Beklopptheit lachen und find gleichzeitig so einen Pilzkonsum ja auch gar nicht so schlimm. Ambivalenz. Ein weiterer Klassiker von Suchtstrukturen.

Tagelang geht es hin und her. Mal ganz realistisch die Fakten betrachtend – ich bin psychisch nicht stabil, nehme Psychopharmaka, neige zu Dissoziationen – wonach von einem Konsum absolut abzuraten ist und ich das auch okay finde und dann wieder Tunnelblickartig verharmlosend sich auf den Konsum zu freuen.

Ich hab dann irgendwie gehofft, dass der Zoll das Zeug einfach abfängt und es gar nicht bei mir ankommt. Oder ein weiterer Plan war, dass ich das Zeug einfach in den Keller packe und vergesse, bis ein passender Moment dafür kommt. Suchtstruktur hallo! Man glaubt, man könne den Konsum kontrollieren. Kann man aber nicht, sonst wäre man nicht süchtig. Und ganz bestimmt hätte ich nicht vergessen können, dass da zwei Päckchen Pilze in meinem Keller liegen und ich einfach nur die Treppe nach unten gehen brauche, um sie zu holen.

Nach dem letzten Gespräch mit Frau Helferin, in dem ich ihr davon berichte und sie mir ein Versprechen abringt, nicht während ihres Urlaubes zu konsumieren, ist auch schon am nächsten Tag die Post angekommen.

Nur schon beim Blick in den Briefkasten, auf den Umschlag, wird mir bewusst wie stark die Sogwirkung ist und ich schließe ihn sofort wieder. Mein erster Gedanke ist, um Gottes willen, ich darf den Brief gar nicht mit hoch nehmen, aufmachen und am besten muss der gleich weg zu irgendjemand anderes in den Keller. Mich schützen, aber es trotzdem verfügbar halten.

Ich versuche jemanden telefonisch zu erreichen, bei dem ich es lagern kann. Erreiche aber niemanden, so dass ich abends nach Hause komme und ganz selbstverständlich den Briefkasten öffne und den Umschlag mit hoch nehme. Man ist ja auch neugierig, wie es so aussieht und schon ist es auch alles gar nicht mehr so schlimm und man merkt gar nicht, wie sehr die Aufmerksamkeit um die Droge kreist, was ein weiteres Merkmal für Sucht ist.

Ich stelle also fest, dass die Pilze frisch sind und nicht lange gelagert werden können, ohne zu schimmeln. Ich fange an im Internet zu lesen, über Lagerung, Trocknung, Verhaltensregeln bei Konsum usw. usf.. Die Ambivalenz ist stetig vorhanden. Aktuell zu konsumieren wäre dumm und gleichzeitig nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau halten. Das Versprechen an Frau Helferin hat überhaupt keine Bedeutung. Und den Gedanken zuzulassen, dass ich es einfach ganz lassen sollte, alles wegschmeißen, ist überhaupt nicht möglich.

Ich entscheide mich für das Trocknen. Viel innere Aufmerksamkeit ist in das Thema geflossen. Jeden Tag bin ich damit beschäftigt. Es wird an den Bedingungen für die Trocknung gebastelt. Es ist spannend. 4 Tage sind vergangen.

Der 5te Tag. Ich bin in der Kontakt- und Beratungsstelle zu Kaffee und Kuchen. Im Geist wäge ich einen heutigen Konsum ab. Meine Stimmung ist gut. Das reicht mir aus. Das es dann spät wird und ich am nächsten Tag wieder früh aufstehen muss und arbeiten gehe, ist unrelevant. Ich rechne herum und bin unentschlossen. Esse ich jetzt hier den Kuchen mit, muss ich länger bis zur Einnahme warten, damit der Magen leer ist. Vernunftgedanken gibt es auch noch, die immer mal wieder einschieben, ach lass es sein, muss ja heute auch nicht sein.

Hat trotzdem nichts gebracht. Abends nehme ich eine Minimaldosis, die ich mir als Testung verkaufe.

Der Preis für ein paar Stunden seichtest Verliebtheits- und Innigkeitsgefühl mit der Welt ist hoch. Unangenehme Hungerzeit. Unangenehme Kopfempfindungen, auch noch den ganzen nächsten Tag, wegen der Wechselwirkung mit den Medikamenten. Ewig lange nicht einschlafen können. Kreislaufschwäche. Am nächsten Tag in ziemlich mieser Stimmung und schlechter körperlicher/geistiger Verfassung, erst nicht aus dem Bett kommen. Die Arbeit nur zur Hälfte schaffen. Ein schlechtes Gewissen, bis Reuegefühle. Unterschwellige Aggression. Anspannung auf Grund des Verheimlichens.

Doch all das reicht immer noch nicht aus, meinen Umgang damit zu verändern.

Ich mache mich im Vertretungsgespräch auf. Komme dort zumindest schon zu dem Entschluss, zu versuchen, dass noch verschlossene Päckchen loszuwerden, jemandem zu schenken oder so und den Rest vom offenen Päckchen zu trocknen. Auf einen weiteren Konsum hab ich in dem Moment überhaupt keine Lust.

Am Ende des Gespräches habe ich ein ganz mieses Gefühl zu gehen. Ich bin so wenig im Kontakt gewesen, dass es mir so vorkommt, als hätte dieser Termin gar nicht stattgefunden. Mein Vertretungsgegenüber war meist in einer zuhörenden Position, so dass ich ihn kaum spüren konnte. Ich teile ihm das mit, dass mir ein zugehen auf mich, aktiv teilnehmen, helfen würde, mehr den Kontakt zu spüren. Dann kam es zu einer schmerzhaften Situation, weil seine Antwort darauf, von kindlichen Anteilen anders bewertet wurde, als wie es gemeint war. Er war sehr ehrlich und sagte mir, warum er sich heute so zurück gehalten hat. Einmal, weil er mich nicht überlasten wollte, so im ersten Kontakt, in einer Vertretungssituation und zum zweiten, weil er an den Konsum von Gestern dachte und das Gefühl hatte, dass das dann nicht so viel bringt. Autsch! Das tat weh. Bei mir kam an, alles was ich erzählt habe, womit ich mich offenbarte, hat nichts gebracht, hat keine Bedeutung, hätte man auch sein lassen können. Ich war nicht von Bedeutung, in dem Zustand wie ich da war!

Ich konnte das noch zurückmelden und habe auch die eigentliche Aussage verstanden. Trotzdem lief das Gefühlte in mir weiter, so dass ich auf dem Weg nach Hause im Bus saß und mich plötzlich in alles einnehmenden Wertlosigkeitsgefühlen wiederfand, die mit der eh insgesamt schlechten Verfassung zusammenflossen. Ein Konsum öffnet die Tür zum nächsten Konsum. Ich wollte mich wegschießen. Überlegte, dass ich einfach alle Termine am nächsten Tag und auch am übernächsten Tag cancel und mich in den Rausch zurückziehe. Alles wurde mir scheißegal.

Gott sei Dank wurde mir diese Zuspitzung dort im Bus bewusst und zum ersten Mal wurde mir klar, ich komme da nur wieder raus, wenn ich das Zeug sofort vernichte. Die Vorstellung tat weh! Meine Güte, wie tief war ich schon in der Abhängigkeit verstrickt.

Alleine brachte ich es nicht übers Herz, alles ins Klo zu werfen. Ich rief noch mal Herrn Helfer an, mit reichlich inneren Widerständen und bat ihn mich telefonisch zu begleiten.

Schluss! Aus! Vorbei! Weg war es. Ich legte auf und brach auf der Toilette sitzend in Tränen aus. Es fühlte sich schrecklich an, als hätte man mir etwas Lebenswichtiges weggenommen.

So funktioniert Sucht.

Boarhhh, ich bin froh, dass dieses Kapitel ein Ende hat.