Psychische Erkrankung

Ja, merkwürdige Sache, wie sich das mit den Symptomen, Diagnosen, Medikamenten entwickelt hat.

Es ist zwar immer noch nicht eindeutig, irgendwas zwischen Borderline mit psychotischen Symptomen oder Schizophrenie, aber zumindest macht das Auftauchen dieser psychotischen Symptome paradoxerweise etwas leichter. Es gibt einen Namen. Dadurch gibt es Erklärungen. Und nun ist es auch mit Medikamenten behandelbar.

Und tatsächlich, ich spüre die Hilfe dieser Medikamente.

Ich komme gerade vom Termin bei der Psychiaterin. Seit vielen Wochen arbeiten wir das erste Mal, seit 2011 richtig zusammen. Weil wir plötzlich einen Ausgangspunkt haben und Medikamente als Thema. Wöchentlich sind wir im Gespräch, wie es sich verändert, ob die Dosierung hoch oder wieder runter oder morgens oder abends, wie es sich auswirkt. Die optimale Einstellung ist nocht nicht gefunden (falls es sie überhaupt gibt).

Es ist nicht einfach. Es gibt Veränderungen, wo noch nicht klar ist, ob ich es aushalte. Obwohl ein Teil von mir es enorm hilfreich findet und da endlich die Veränderung sieht, nach der sich gesehnt wurde.

Und trotzdem gibt es zwei Meinungen dazu in mir. Das ist anstrengend.

Letzte Woche habe ich morgens noch die verabredete Dosis genommen. Die Psychiaterin war im Urlaub. Und dann fing jeden Tag dieser Kampf dagegen in meinem Kopf an, der Wunsch zu reduzieren und das, obwohl mein Bauchgefühl ganz eindeutig sagte, behalte es bei. Doch nach jedem Erlebnis unter Leuten, kam wieder dieser Wunsch zu reduzieren. Diesem Wunsch war das Bauchgefühl scheißegal. Tag für Tag diese Diskussion in meinem Kopf.

Also setzte ich mich an einem Morgen hin und versuchte herauszufinden, was die Nachteile sind, woher der Reduzierungswunsch kommt und was die Vorteile sind, woher mein Bauchgefühl kommt.

Ich schrieb 3 Gründe auf, die mein Verstand als negativ bewertete/erlebte und musste dabei gemeinerweise feststellen, dass genau die gleichen Gründe von meinem Bauch als positiv bewertet wurden.

  • weniger Anteilnahme/Einfühlung
  • weniger Gedankentiefe
  • schnelles vergessen von Gedanken/leeres Abschweifen

Die Psychiaterin nannte das heute ‚aufnehmend‘. Das ich jahrelang so stark ‚aufnehmend‘ war, dass mich das ständig aus dem Leben gehauen hat.

Aufnehmend. Das trifft es gut. Und das ist der Grund, warum mein Bauchgefühl zu den Wirkungen oben sagt,

Gott sei Dank! Endlich mal ein wenig Ruhe. Nicht immer allem folgen. Nicht immer alles im Kopf herum tragen. Nicht immer zu allem etwas Sagen. Nicht immer über alles nachdenken und alles zu meinem machen.

Und warum mein Verstand damit so große Probleme hat, wird auch klarer. Mein Verstand kennt mich so und erlebt mich nun anders. Das löst Angst aus. Auch soziale Angst.

Oh, jetzt reagiere ich nicht mehr so aufmerksam auf Menschen, ich bekomme nicht mehr alles mit. Mögen sie mich dann noch? Bin ich dann noch ein guter Mensch? Ich bin plötzlich viel ruhiger, spreche viel weniger, denke viel weniger zu dem was ich höre und sehe und fühle – bin ich dann noch ich? Ist das nicht unnormal? Wer bin ich jetzt?

Die Psychiaterin meinte heute, dass ich mich so, eigentlich dem annähere, wie ‚normale‘ Menschen funktionieren. Mit ‚normal‘ meint sie, Menschen die nicht unter ihren Wahrnehmungen/Gedanken leiden. Das ich so, einfach auch mal S-Bahn fahren kann, ohne von allem um mich herum etwas mitzubekommen.

Und ja, sie hat recht. Ich sehne mich sehr nach diesem ‚nicht von allem um mich herum etwas mitbekommen‘.

Um auf meinen Verstand-/Bauchkonflikt zurück zu kommen, hab ich dann den Mittelweg genommen, die Dosis morgens nicht ganz wegzunehmen, sondern zu halbieren.

Dann erlebte ich den Wechsel zum Alten sehr deutlich. Meine Gedanken beschleunigten sofort. Meine Stimmung schoss einen Tag extrem hoch, was nicht angenehm war. Mein Körper vibrierte, ich konnte nichts in Ruhe machen, weil meine Gedanken von einem zum nächsten flogen. Ich war mit der Kontrolle meiner Euphorie beschäftigt, um nicht die ganze Zeit herumzurennen und Leute voll zu quatschen und am nächsten Tag alleine nur davon, von meiner Stimmung, total erschöpft.

So deutlich konnte ich das noch nie Sehen, dass mein Ausgangs-Ich (-Punkt) im Ungleichgewicht ist und diese Medikamente tatsächlich dabei helfen, etwas ins Gleichgewicht zu bringen. Oder eine Annäherung dorthin zu unterstützen.

Aussage der Psychiaterin: an eine Wesensveränderung kann man sich gewöhnen. Das spekuliere ich auch, dass ich mich daran gewöhnen könnte, ruhiger zu sein. Wo ich mir noch nicht sicher bin, ob ich mich daran gewöhnen kann, müde zu sein.

Auch hier ist noch alles offen. Die Müdigkeit kann sich über die Einnahmedauer abschwächen. Müdigkeit kann aber auch ein Symptom des Ungleichgewichts sein, also eventuell, ob mit oder ohne Medikament mein Lebensbegleiter sein.

Das würde dann zur Minus-Symptomatik der Schizophrenie-Diagnose gehören, die über Jahre da sein können, auch mit Medikamenten.

Was auch interessant ist, man hat bei dem Ausbruch einer Schizophrenie festgestellt, dass es immer eine Prodromal-Phase (wiki) gab, die zwischen einigen Tagen bis Jahren dauern kann. Also vorrangehende Symptome, bevor die psychotischen Symptome ausbrechen. Nur sind diese Vor-Symptome so unspezifisch (Müdigkeit/Stimmungsschwankungen/Antriebslosigkeit/verminderte Belastung usw.), dass man erst nach Ausbruch der Hauptsymptome, diese Phase zuordnen kann.

Das würde jetzt rückblickend auch passen, dass das alles jahrelang so unklar war und das Kind ständig seinen Namen wechselte.

Am Ende sind das alles auch bloß Namen. Diagnosen existieren nicht wirklich. Sie sind ein Krückstock. Ich hab verschiedene Krückstöcke benutzt in den letzten Jahren und nun benutze ich diesen der psychotischen Symptome. Mal sehen, wie es weitergeht.

Wir haben heute besprochen, dass ich die Dosis, die ich morgens weggenommen habe, abends dazu nehme, um so vielleicht die Müdigkeit in die Nacht zu verlagern.

Psychische Erkrankung

Es ist viel passiert. Mir fällt es schwer zu denken, auf die Art, die ich schriftlich festhalten kann.

Eines der zwei Medikamente die ich nehme (Quetiapin), wurde in den letzten Wochen Schritt für Schritt angehoben, um eine antipsychotische Wirkung zu erzeugen.

Die gruseligen Erlebnisweisen haben fast aufgehört. Ich bin trotzdem noch nicht gerne draußen. Ziehe mich viel zurück. Schaue Serien-Marathon. Das lenkt mich erfolgreich ab.

Daneben habe ich nicht mit den unterstützenden Werkzeugen aufgehört, worauf ich stolz bin. Klopf-Akkupressur, Meditation, Gymnastik und Reiki begleiten mich weiterhin.

Der erste Teil des Tages ist oft schwer, niedergeschlagen, müde und antriebslos.

Plötzlich bekommen ich Fach-Erklärungen/Begriffe zu dem wie ich mich fühle, seit dem die Einordnung psychotische Symptome gefallen ist. Plus-Symptomatik/Minus-Symptomatik (viel Text). Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Video).

Etwas was ich schon seit Jahren erlebe. Und davor aus meinem Studium und ehemaligem Berufsfeld kenne. Komisches Gefühl, alles von der anderen Seite, von der Betroffenen-Seite wieder zu erkennen.

Ich hatte mir das schon gedacht, als ich etwas über eine Borderline-Psychose gelesen hatte („Identitätsgrenzen des Ich“ – Josi Rom – dazu hab ich Januar 16 schon mal was geschrieben).

Ich denke viel darüber nach. Was das alles bedeutet. Meine Lebens-Aussichten. Meine nötigen Anpassungsleistungen. Die Frage, wie und ob Medikamente wirklich helfen. Welche Ziele noch realistisch sind. Wie ich jeden Tag für mich trotzdem als einen gelebten, erfolgreichen Tag empfinden kann.

Zur Zeit finde ich keinen Zugang mehr zum Thema „Liebe verbreiten“, was nicht bedeutet, dass mir dieses Gefühl abhanden gekommen ist. 🙂

Borderline-Psychose

Borderline ist wohl aus der Schwierigkeit entstanden, dass man die Symptome nicht eindeutig einer Neurose oder Psychose zuordnen konnte. Deshalb Borderline – Grenzlinie.

Ich lese weiter in dem Buch von Josi Rom, z. B. über die innere oder äußere Borderline-Psychose.

Gestern Abend fühlte ich mich verdammt gut und schrieb auf einen Zettel: Ich fühle mich viel stärker ohne Sie. Vielleicht nennt man das auch Eigenmacht.

Heute Morgen schrieb ich in mein Tagebuch: Gerade habe ich das Gefühl ich schaffe alles, nichts kann mich mehr umhauen. 🙂

Prompt schnitt ich mir danach beim Brötchen aufschneiden unabsichtlich in den Finger. Lächelnd ließ ich das Blut ins Abwaschbecken tropfen, während ich mir die Hand auflegte und sprach lachend laut zu mir selbst: Ja, ja, ich habe verstanden. Nicht übermütig werden.

Meine Gedanken waren schnell, überbordend, springend.

Ich machte meine Gymnastikübungen und stellte dabei schon fest, dass ich irgendwie in einem veränderten Zustand bin. Danach etwas ruhiger und trotzdem unruhig. Einen großen Drang mich bewegen zu wollen, schnell und viel. Nur die Vernunft ließ mich körperlich abchecken und feststellen, dass ich immens müde bin und mich mal wenigstens kurz auf der Couch hinlegen sollte. Und die ganze Zeit so ein merkwürdiges überlegenes, erhabenes Lächeln im Gesicht, teilweise unbemerkt.

Lange hielt ich es nicht aus. Ging dann raus und spätestens im Wald war der veränderte Zustand eindeutig wahrnehmbar. Wie ein Rauschen zwischen mir und der Umgebung. Wie eine Parallelwelt in der meine Gedanken regierten, von einem hohen Thron. Ich fühlte mich etwas verrückt.

Größenwahn fiel mir da ein und die Borderline-Psychose.

Macht doch irgendwie auch Sinn, als Abwehrmechanismus vor diesen lebensbedrohlichen Gefühlen von Verlust und Fallen von gestern.

Umso mehr konkrete Sachen ich machte, umso realer fühlte ich mich wieder. Einkaufen, Puzzeln, Öl riechen, essen. Das Zentrieren auf diese Dinge kostet Kraft. Meine Gedanken und Gefühle von heute Morgen kommen mir nun unrealistisch vor.

Und mir fielen die Auflösegefühle vom Herbst letzten Jahres ein, wo ich in der Tagesklinik war. Das war dann bestimmt auch Psychose-Nähe.

Das macht deutlich weniger Angst, wenn man versteht was passiert. Schade das ich dazu ein Buch lesen muss/darf und niemand einem das erklärt. Dann bin ich jetzt also auch noch mein eigener Arzt. 😉

Ich bin so ein Gefühlsmischmasch heute. Hin und her. Groß und klein. Wütend und stark. Frei und Schmerz. Angst und Vertrauen. Resignation und Trauer und und und.