Elternbeziehung

Mail an die Wunsch-Therapeutin:

„Hallo Frau …,

bisher gab es keine weitere Info von der TK. Ich habe heute eine Anfrage per Mail, zum Stand der Dinge gestellt.

Ich war öfters in innerer Bedrängnis in letzter Zeit und habe mehrmals überlegt, ob ich mich schriftlich bei Ihnen entlasten kann. Habe es immer verworfen, 1. wegen dem Entstehen von Nähe und dann wird es doch nicht finanziert und 2. weil sie dafür nicht bezahlt werden, per Mail zu arbeiten.

Ich rahme es jetzt trotzdem kurz ein, weil, wenn wir arbeiten, dann gehört das genau da hin – die Elternbeziehung.

Es gab einen Auslöser, der meine Beziehung zu meinen Eltern aktuell in den Fokus gerückt hat und mir bewusst geworden ist, dass ich mich oft unwohl fühle, nach Begegnungen leide oder mir Begegnungen zu nah sind. Der Wunsch nach Abgrenzung, auf Distanz gehen und auch mit Verantwortung konfrontieren und auch die Erkenntnis, dass meine Eltern von damals die gleichen Menschen von heute sind (mein Verstand hat das irgendwie immer getrennt gehalten), haben Krisen ausgelöst. Ich war auch 10 Tage stationär zur Stabilisierung und habe momentan ein engmaschigeres Netz an BEW-Kontakten. Es ist gerade ein Drahtseilakt die inneren Bewegungen, Verschiebungen zuzulassen, Änderungen im Verhalten auszuprobieren und gleichzeitig mit der Angst (die riesige ist und sich manchmal Schock-nah anfühlt) klarzukommen und die Auseinandersetzung auch zu begrenzen und die grenzenlos zu werden.

Ja damit habe ich zur Zeit enorm zu tun.

Mit freundlichem Gruß

…“

Dunkle Vergangenheit

Schockerlebnis, mit heftiger Angst, die nicht abgebaut werden kann und damit ein Teil von meinem Selbst wird.
Frühstück. Tante zu Besuch. Ich vielleicht 8 Jahre. Es ist lustig. Schlagabtausch. Vater genervt. Wir sollen ruhig sein. Lachen, Reden geht weiter. Motiviert durch meine Tante. Peng! macht es und mein Kopf schlägt nach vorne auf den Tisch, reißt eine Teekanne um, die sich über den Tisch ergiesst. Schock. Völlig unerwartet traf mich dieser Schlag von meinem Vater. Völlig unvorbereitet. Mit der Mutter ins Bad. Tränen werden zurück gedrängt. Wiederherrichten im Bad. Kein auf-den-Arm-nehmen. Zusammenreißen. Gesicht frisch machen. Wieder vorzeigbar werden. Keine soziale Unterstützung. Das Ereignis wird nicht verarbeitet. Nur zurück gedrängt.
Ich will um Gottes willen nicht zurück an den Tisch. Sitze wieder da. Mein Blick krallt sich an meinem Teller fest. So tun, als wenn alles normal wäre. Normalität festhalten. Außen ausblenden. Angst. Innen tut alles weh. „Hör auf zu heulen!“ Fühle gebrochenen Wände meiner selbst. Geduckte Haltung. Körpergrenzen wurden überschritten. Sicherheit zerstört.

Nächste Erinnerung.
Ich war ein Kind im Körper einer Jugendlichen. Ich kannte keinen Selbstausdruck, keine Selbstbehauptung. Ich war angepasst, unauffällig, wohlerzogen und pflichtbewusst. Eine weiche, formbare Masse. Biegsam. Profillos.
Ein erwachsener Mann macht sich das zum Nutzen. Meine kindliche Suche nach Nähe, Schutz und Zuwendung. Er erkennt die Spielwiese, die sich ihm da bietet. Macht sich meine Abhängigkeit, meine Sehnsucht nach Liebe zu eigen. Manipuliert, lenkt, kontrolliert auf ganz subtile Art und Weise. Ich unterwerfe mich, freiwillig. Unterwerfung ist etwas, was ich gut kenne. Für mich ist es Liebe. Ich gebe mich ganz.
Ich darf den Schlüssel zu seiner Wohnung haben. Oh ho, was für eine Ehre damals. Ich fühle mich so besonders. Endlich ist da jemand.
Für ihn war ich wohl sein Freifahrtschein. Leicht verfügbare Sexualität. Widerspruchslos. Lernwillig. Warten auf Anweisung. Nackt angerichtet, wenn er nach Hause kam. Was für ein Luxus. Über ein Jahr lang.
Der heutige Schock. Ich war ein Kind in einem 16-jährigem Körper, welches kein Verlangen nach Sexualität verspürte. Ich wollte das alles gar nicht!