Entlastungsschreiben

16.06.2018

Der emotionale Schmerz des Abgelehnt fühlen ist immer noch da. Ich kann ihn wahrnehmen, aber halte ihn auf Distanz, weil ich Angst vor ihm habe.
Selbstverletzung ist vorhin wirklich eine Option geworden. Ich habe das als Geste verstanden, diesen Schmerz sichtbar zu machen. Das macht für mich sogar Sinn, weil ich nicht glaube, dass ich diesen Schmerz mitteilen kann, so daß er gesehen werden könnte. Und weil es so unerträglich wird, wohl die Geste der Selbstverletzung. Der Wunsch gesehen zu werden.
Ich schreibe, um vielleicht drumherum zu kommen.
Bisher erfolglos. Weil, auch wenn ich von Schmerz schreibe, halte ich ihn auf Distanz. Er fühlt sich auch jetzt nicht gesehen.
Ich müsste ihn zulassen… Selbst fühlen…
Das ist so groß… dieses uralte abgelehnt fühlen.
Diese Verletzung so tief.
Einmal quer durch die Seele.
Mitten ins Herz.
Nicht gewollt.
Da geht mir die Sprache verloren.
Hab kurz aufgeschluchzt. Vielleicht reicht das erstmal für die nächsten Stunden.

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17.06.2018

Sonntag.
Gestern Abend wieder Selbstverletzungsgedanken und heute Morgen auch. Ohne Ausführung.
Heute habe ich das als Ausdruck der Belastung wahrgenommen. Vielleicht auch von Angst und Haltlosigkeit. Damit etwas Konkretes schaffen. Etwas Greifbares, Sichtbares, um das man sich kümmern kann.
Ich hab das glaube ich auch mit der Haltlosigkeit verstanden. Wann sie kommt.
Wenn ich Angst vor meinen eigenen Gedanken und Gefühlen bekomme und ihnen ausweiche. Dann entsteht Haltlosigkeit. Diese Gedanken und Gefühle finden keinen Halt mehr in mir, weil ich ihnen ausweiche.
Heute Morgen waren das zum Beispiel Gedanken, nicht mehr leben, nicht mehr da sein zu wollen und eine tiefe Niedergeschlagenheit.
Das macht mir Scheißangst, wenn ich mich so fühle. Angst in Dunkelheit und Leere abzurutschen und darin keinen Ausgang mehr zu finden.
Ich hab mich Gott sei Dank erinnert, dass es in der Vergangenheit immer, immer wieder eine Verbesserung gab und im Außen meist alles okay bleibt. Nur das Innen sich so schrecklich anfühlt.
Mein Leben wird also nicht in Dunkelheit und Leere versinken, abgesehen von begrenzten inneren Zuständen.
Die Angst ist trotzdem noch da.
Auch der Wunsch, heute mit diesen Gedanken nicht alleine zu sein.
Die KBS hat heute auf. Ich weiß nur nicht ob ich mich da so wohl fühle, mit meiner momentanen Grundstimmung. Könnte sein, dass Witze zu weiteren Verletzungen führen.
Na mal sehen. Ich lass das mal auf mich zukommen und mach erstmal ne Atementspannungsübung.

Gefühle klopfen 

Ich wache elend auf, wie schon seit einiger Zeit.

Selbstverletzungsgedanken tauchen auf. Ich erinnere mich, dass sich hinter dem Hass gegen mich, oft Wut auf andere verbirgt.

Ich lausche in meinen Körper und frage mich, an welcher Stelle dieses Elend liegt. Der Solarplexusbereich meldet sich. Dort krampft alles zusammen. Ich atme dreimal in diese Stelle und dann dreimal in eine angenehme Stelle an meinem linken Fuß. Mit Wiederholung. Ich kann die Empfindungen danach klarer fokussieren.

Ich fange an dieses Elend, diese Empfindung zu klopfen. Spüre dabei in den entsprechenden Körperbereich und folge den Worten die dabei auftauchen. Mal in Gedanken, mal laut ausgesprochen, mal in Satzform, mal nur Wörter, mal nur die Energiebewegungen im Körper verfolgend. Mal an Vorgaben orientiert, mal frei und immer in Verbindung mit Selbstannahme.

Auszüge:

Das tut richtig gut. Alles ausdrücken können, was da ist. Mit allem angenommen werden. Unterstützt werden. Ausgehalten werden, obwohl man sich selbst scheiße findet. Halt finden. Beruhigung finden. Zuversicht finden. Das Gefühl, das bewältigen und überleben zu können.

Wie auf dem Mond

Ich fühle mich zurzeit oft wie auf dem Mond.

So weit weg von Alltag und Normalität, wie ich sie kenne.

So fremd, was mir geschieht, wo ich mich befinde.

So spezielle Ausrüstung nötig, um mit der Situation zu Recht zu kommen. Ausrüstung, die noch nicht so richtig steht und erprobt ist, so dass Unfälle und Verletzungen geschehen.

Gestern erneut 3 h Rettungsstelle. Mit der Info, kein Bett frei, wieder nach Hause. Irgendwie war das dann auch okay.

Auf dem Weg nach Hause, in Begleitung, die Empfehlung, am nächsten Morgen mit einem möglichst normalen Tagesablauf zu starten. Ich überlegte und mir viel nicht mehr ein, wie ’normal‘ eigentlich aussehen würde.

Aber ich verstand ihre Botschaft.

Vertrauen.

Von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag.

Schritt für Schritt.

Die nackte Wahrheit…

… für heute und jetzt.

Schlechte Aufnahme. Laute Straße im Hintergrund. War auch so nicht geplant.

 

Über die Klopfakupressur habe ich es klar bekommen, dass meine Selbstverachtung wieder extrem präsent ist.

Diesmal haben die Selbstannahmesätze nichts gebracht.

Ich fing an mit: Auch wenn ich mich verachte, weil ich an so Kleinigkeiten scheitere, liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz und ich bin okay so. (geht um momentane Alltagshürden)

Aber von wegen, okay. Nichts war mit okay-fühlen, also klopfte ich: Auch wenn ich nicht glaube, dass meine Verachtung okay ist, liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz und ich bin okay so.

Auch das konnte ich nicht fühlen. So ging es weiter mit: Auch wenn ich nicht glaube, dass ich okay bin, liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz und ich bin okay so.

So habe ich es dann einfach stehen gelassen. Die große emotionale Welle war durch und ich ließ es dabei, mich scheiße zu fühlen und versuchte mich konkreten Dingen zuzuwenden.

Yin und Yang

Auch wenn ich diese Woche eine Nacht Alpträume hatte und wenig schlafen konnte, andere Nächte sehr lange schlafe, mir öfter übel ist, mein Appetit gesunken ist, an einem Tag der Suchtdruck enorm war, ich mich wieder geschnitten habe und mein Bein geboxt, meine vertrauten Sport-Übungen nicht gehen, ich oft sehr weine, punktuell extreme Angst durchfühle, meine Hände und Beine öfters zittern, ich Muskelschmerzen von der Anspannung in den Beinen habe, ich Momente habe, wo ich mich völlig überfordert und belastet fühle und Angst habe, dass alles zusammenbricht und Angst habe, dass ich das alles nicht schaffe…

ist der befürchtete Totalausfall bisher nicht eingetreten und ich schaffe auch noch ziemlich viel.

Momentan schaffe ich mehr als jemals zuvor,

innerlich – beruhigende Gedanken finden, beruhigende Gefühle finden, beruhigende Erinnerungen finden, beruhigende Lösungen finden, starke Gefühle aushalten, pessimistische Gedanken aushalten, Selbstabwertung aushalten

und äußerlich -andere Körperübungen die zur Erdung funktionieren finden, in den Wald gehen und viele andere kleine Skills die erfolgreich lindernd, beruhigend wirken, trotzdem abwaschen und Wäsche waschen und einkaufen, trotzdem mich um die Organisation eines Couchtransport zu mir kümmern, trotzdem einen schönen Film schauen und die selbstgemachten Postkarten von DM abholen (danke für den Tip, Vetch), den Termin zur Osteopathie wahrnehmen, mit dem Amt telefonieren, mit der Betreuung wegen der Haushaltshilfe beraten usw., usf..

Ich habe immer wieder Angst, dass die Pausen die ich mache, unter dieser Belastung nicht mehr ausreichen. Aber bisher bestätigt sich das nicht.

Ja, meine Nerven sind dünn und trotzdem scheinen Täler und Höhen näher aneinander gerückt zu sein. Geht es mir an einem Morgen/Vormittag sehr schlecht, bin ich panisch, weine und zittere die Angst in jeder Zelle meines Körpers, kann ich nachmittags fast friedlich, ruhig und zuversichtlich sein.

Ying und Yang. Licht und Schatten. Beides gehört zu mir und will im Gleichgewicht bleiben.

Und gaaanz wichtig – auch dies wird vorüber gehen. Ich freue mich auf beruhigtere Zeiten, wo ich wieder in meinen Rhythmus finden kann.

Meine Postkarten. *mit stolz geschwellter Brust draufzeig* :D

Meine Postkarten. *mit stolz geschwellter Brust draufzeig* 😀

Feindverwechslung

Das Gespräch heute im Sozialamt. Es war ganz einfach und völlig unproblematisch.

Das persönliche Budget wird es nicht. Dazu müsste ich minutengenau meinen Hilfebedarf und die Hilfebereiche wissen. Dazu ist es bei mir zu schwankend und auch noch unklar, was sich entwickelt.

Sie brachte von sich aus ein, dass eine Pflegestation nötig wäre, für die Haushaltsdinge und eine Betreuungsform für die anderen Dinge, wo wir uns auf das Betreute Einzelwohnen einigten. Man könnte das so zusammen bastel, dass ich die Haushaltshilfe nur bei Bedarf einfordere, dass BEW müsste ich jedoch regelmäßig aufsuchen.

Einzelfallhilfe wäre nach Bedarf und Abruf möglich gewesen, aber mich schreckt gerade so ein aufsuchendes Zweiersetting ab.

Im BEW könnte sie prüfen, dass nur im Notfall jemand zu mir käme, sonst würde ich in die Trägereinrichtung gehen und könnte anstatt der Gespräche, auch an Angeboten teilnehmen. Find ich besser. Entgehe ich vielleicht einer erneuten Beziehungsdynamik und Symptomverstärkung. Das hebe ich mir lieber für eine Therapie auf.

Ich kam danach zu Hause an und hatte erst einmal nur Rauschen im Kopf. Mir blieb nichts anderes außer hinlegen und abwarten, was da passiert. Ich hörte ne Entspannungsaudio und es wurde etwas klarer im Kopf, so klar, dass ich aufstehen konnte und etwas tun.

Meine Mutter kam vorbei helfen. Ich redete fröhlich, obwohl ich mich nicht fröhlich fühlte. Ich erledigte Sachen um sie herum, brachte Flaschen weg, räumte auf. Nach außen wirkte ich lebendig, vielleicht ausgeglichen. Mein Funktioniermodus wenn jemand da ist. Ich kochte sogar noch was Einfaches.

Meine Mutter ging und mein Bewegungs- und Beschäftigungstrieb blieb, obwohl ich mich kaum noch konzentrieren konnte, mich ganz wirr fühlte und meine Beine immer müder wurden. Irgendwas ist los. Ich kenne diese getriebenen Zustände, obwohl überhaupt keine Kraft mehr da ist.

Ich legte mich vernünftigerweise hin und versuchte still zu bleiben, irgendetwas von – ich darf mich jetzt entspannen – zu fühlen und zu lauschen was los ist. Ich trieb weg. Ich hatte Schneidephantasien und da wurde mir klar, dass ich dissoziierte, mich ganz taub fühlte.

Ich war so hin und her gerissen. Mich zog es ins Nichts und ich wollte mich hingeben und ein Teil werte sich dagegen, wollte wach und da sein.

Zweiterer gewann. Ich stand auf und dachte, okay, dann versuche ich es mal nach Lehrbuch. Mache ich selten, weil es sich so künstlich anfühlt. Also, kaltes Wasser über die Hände. Zitronenöl für die Nase und den Kopf. Mit der Kopfkralle Gänsehaut verursachen. Beinmeridiane abklopfen. Auf Tennisbällen stehen.

Ich spürte wie meine Kopfenergie, ab Übergang Halswirbelsäule es schwer hatte sich mit meinem Körper zu verbinden.

Ich malte Mandala aus. Dabei fühlte ich das erste Mal etwas. Weinerlich. Überfordert fühlte es sich an.

Ich überlegte, ab wann es begonnen hatte.

Eigentlich schon im Gespräch beim Amt, als sie das Procedere aufzählte und ich auch noch vorher einen Antrag bei der Pflegekasse stellen müsste. Ab da begann das Rauschen im Kopf. Ich hörte alles, aber konnte mir die Informationen nicht merken und miteinander verknüpfen.

Brauchte ich jetzt Unterstützung um die ganzen Formulare auszufüllen? Das kann ich eigentlich gut alleine. Habe das in der Vergangenheit schon oft getan und fühle mich damit eigentlich nicht überfordert.

Es löste sich nicht.

Ich entschied mich, mich zum achtsamen Sitzen hinzusetzen und die Energien einfach machen zu lassen, mit der Erfahrung, dass da immer irgendwas bei rauskommt.

Ich verband mich zu Beginn mit dem Universum, mit Mutter Erde und mit den Engeln, bedankte mich bei ihnen und bat jeden von ihnen um Unterstützung, diese Sorgen/Ängste/Unruhe mit offenem Herzen zulassen und annehmen zu können und ein Vertrauen damit zu finden.

Dann übergab ich mich dem Moment, mit seinen Empfindungen, inneren und äußeren Bewegungen und Gedanken. Wieder entfernte Empfindungen von Überforderung und weinen und mein Nicht-verstehen. Körperbewegungen. Energieentladungen. Viel Gähnen. Und dann meine lautere innere Frage, woher das kommt.

Und plötzlich kann ich die Ursache fühlen, kann fühlen, dass Behörden – hier in diesem Fall in dreifacher Form, Sozialamt, Sozialpsychiatrischer Dienst, Krankenkasse/Pflegekasse – als Übermacht wahrgenommen wurden und schwupps war ich in der Vergangenheit, ohne dass ich es gemerkt hatte.

Jetzt scheint es etwas zusammengerückt. Mir geht es besser. Ich bin klarer im Kopf und fühle mich stärker.

Heute kann ich mich vertreten und fühle mein Recht!

Heute kann ich mich aus dem Opfergefühl heraus bewegen.

Und nicht jede Behörde ist der Feind, wie ich auch erfahren darf. 🙂

Krisenzeit

Das war die heftigste Krise die ich seit letztem Jahr September erlebt habe. (Diese endete damals auf der Kriseninterventionsstation.)

Mit großen Augen und anerkennendem Blick sagt sie: „Und sie haben das durchgestanden!“ Ja, ich habe das zu Hause durchgestanden. Ich hatte mich zwar um eine Krisenaufnahme für das Wochenende, in einer Akuttagesklinik gekümmert, diese dann doch abgesagt. Ich habe es mir zugetraut, weil andere Dinge griffen.

Niemand konnte das ganze Ausmaß sehen, niemanden konnte ich sagen, was in mir passierte, dass sich alles in mir verändert hatte. Niemand bekam die Dimension dieser Krise mit. Ich hatte keine ausreichenden Worte und habe es selbst nicht verstanden – mittendrin. Wenn ich nicht mehr konnte, sah das keiner und wenn mich jemand sah, setzte der Automatismus ein, noch zu können. Und was soll ich sagen – es ist okay… irgendwie. Es war nicht nötig, dass ich mein Erleben erklären konnte (auch wenn ich es gerne getan hätte). Ich habe es anscheinend nicht gebraucht.

Ich habe MICH gebraucht. Und ich war überwiegend für mich da. Bin Wege gegangen, die ich noch nie gegangen bin. Habe Hilfe bekommen, auch ohne dass die Dimension erkannt wurde, wohl einfach, weil man mir auch glaubte, wenn ich um Hilfe bitte, dann brauche ich sie auch.

Ein sehr heilsames Erlebnis, wenn die Tagesklinik sagt (war da bisher zweimal, 2011 und 2014): „Kommen sie einfach. Sie brauchen keine Einweisung vom Arzt. Wir kennen sie ja und kümmern uns dann um alles.“ Ich habe geweint vor Dankbarkeit, nach diesem Anruf. Ich musste nichts erklären. Es hat einfach gereicht nach einer Krisenaufnahme zu fragen.

Erst danach konnte ich so halbwegs verstehen und erklären und sie sagte: „Ich habe es ihnen zugetraut.“ Wow…! Das hatte ich mir von meiner damaligen Therapeutin gewünscht und sie sogar darauf angesprochen, ob sie mir nichts zutraue. Und nun sagt man mir das von ganz alleine. Ein tolles Gefühl! Noch nie in meinem Leben, habe ich so etwas gesagt bekommen und auch annehmen können.

Da ist viel Kraft in mir. Ich durfte sie erleben und ich spüre sie immer noch. Ich fühle mich nicht stark. So meine ich das nicht. Sondern, dass da ein Kern in mir ist, der Kraft zur Verfügung stellen kann (immer gibt), wenn ich sie brauche.

Krisen erschaffen immer ganz besondere Erfahrungen. Ich tue Dinge, die ich ohne nicht tun würde. Dadurch erlebe ich Sachen, die ich ohne nicht erleben würde.

Die Lawine, die alles mit sich riss und sich stetig vergrößerte, läuft momentan langsam aus (und nichts ist mehr wie vorher). Ich weiß nicht, wo ich jetzt stehe. Da ist so viel passiert. Für mein Bewusstsein zu viel in zu kurzer Zeit, als dass ich greifen könnte, was es mit mir gemacht hat und was im Einzelnen der Inhalt war.

Das Überthema heißt wohl ‚zeigen und gesehen werden‘ und Bindung (immer noch). Da hängt so unglaublich viel dran! Das hat (und tut es weiterhin) so extrem viel ausgelöst.

Auch bin ich auf ein familiäres Thema, mütterlicherseits gestoßen. Ich trage Erlebnisse meiner Familie mit, die ich nie erlebt habe. Ich reagiere mit ihrer nackten Angst und Panik. Ich habe den Schmerz meiner (schon seit Jahren verstorbenen) Oma geweint.

Am Ende brauchte ich für drei Tage völligen Rückzug. Ich ließ die meiste Zeit Handy, Telefon und PC aus. Wusste ich, ich musste mich vor weiteren Reizen, Informationen, Reaktionen schützen, um mein völlig überreiztes Nervensystem zur Ruhe zu bringen und meinem durchgebrannten Verstand die Nahrung zu entziehen. Absolute Ruhe – das brauchte ich. Der erste Tag davon war sehr schwer. Meine Gedanken drängten immer wieder zur Tat, wollten Klärung, suchten Kontakt, waren voller Panik und auch Schmerz. Es erforderte Disziplin, nicht ins Handeln zu gehen. Ich schrieb sie alle auf, um mich dann wieder dem Jetzt zuzuwenden. Das half. (Und heute sind 70% des Geschriebenen unwichtig geworden)

Gestern und heute sehe ich nichts mehr um mich herum. Da ist so viel leerer Raum. Aus allen Zusammenhängen gelöst. Nichts scheint mehr wichtig, von Bedeutung oder trägt. Ich sehe keinen Weg. Ich habe kein Ziel vor Augen. In den letzten Jahren hätte mich das (zum wiederholten Male) in eine tiefe Sinnkrise gestürzt, auf die ich aufgesprungen wäre. Jetzt übe ich mich, die logischerweise folgenden Depressionswellen durch mich durchlaufen zu lassen. Jetzt hält nur noch das Leben, das Da-sein selbst. Schön fühlt sich das nicht an. Da ist Angst und Ungewissheit. Keine Richtung, in die ich blicken kann. Es bedeutet viel Bewusstseinsarbeit und aushalten.

Es ist zu erwarten, dass sich wieder etwas Greifbares formieren wird (und ich danach auch suchen werde), um beim nächsten Mal erneut zu zerfallen.

Ich bin müde, erschöpft und sehr schwach.
Ich fühle wieder (wackeligen) Boden.
Ich habe die schwach pulsierende Erinnerung von Kraft.

Autoaggressions-Schau

Autoaggressive Impulse gehören für mich immer noch zur Oberliga der meditativen Innenschau.

Einmal zuzulassen, dass da diese Bilder sind. Bilder, wie ich mir den Arm längs aufschneide, immer wieder, immer wieder. Oder wie ich mir ein Messer mehrmals in meinen Oberkörper steche.

Hinschauen. Diese Bilder zulassen und anschauen.

Zuzulassen, welche Gefühle mit diesen Bildern verbunden sind. Tiefe Verachtung, Hass oder Wut. Auch Schmerz. Selbstzerstörungswünsche. Bestrafungsgedanken.

Zu akzeptieren, dass das auch ich bin, dass das auch zu mir gehört. Raum geben, für diese Empfindungen, sie da sein lassen. Und dann auch noch liebevoll annehmen, sie ins Herz lassen und mitfühlendes Verständnis haben.

Und das alles, ohne zu handeln.

Der Gewalt an mir selbst zuschauen, sie zulassen (im Innen) und auch noch lieben. Das ist eine unglaubliche Leistung!

Gelingt mir nicht oft. Diese Gewalt an mir selbst, sie erschrickt mich enorm. Ich will sie nicht. Ich verbiete sie. Sie macht mir Angst. Ich schiebe sie meistens weg.

Die zwei, drei seltenen Momente wo es zu einer Vereinigung kam, so dass diese Anteile sich mit dem liebevollen Blick von mir verschmolzen, haben immer zu einer Veränderung geführt. Sie sind in ihrer Härte zusammen gefallen, wurden kleiner und verletzlich und weinten meist bitterlich vor seelischem Schmerz.

Ironie des Schicksals

Oder, das Universum traut mir große Aufgaben zu.

Frau Helferin (ambulante Betreuung) wollte doch eine Karte schicken, bevor sie hier in den Flieger steigt, Richtung 3 Wochen Urlaub.

Keine Karte kam.

Ich hatte deshalb eine richtig fette Krise, heftige Verzweiflung und Not, viel Krisenintervention, auch um selbstverletzendes Verhalten zu verhindern. Und zusätzlich erlebte ich den Wechsel der Betreuung von ihr zu einer Vertretung, als so heftigen Bruch, der im Inneren gar nicht verstanden werden konnte. Warum da vorher Nähe war und dann plötzlich nicht mehr, wo doch so viel alleine nur wegen dieser Nähe nach vorne gekommen ist und nun ganz schrecklich, ohne Halt in der Luft hing, ohne Gegenüber.

 

Notizen vom 26.06.2015

„Wissen sie, ich habe mich da eingelassen, auf ihre Idee vom Nachreifen. Und jetzt sitze ich hier, voller Schmerz und Verzweiflung, ganz alleine und weiß nicht mehr, ob das eine gute Idee ist. Ob ihnen eigentlich klar ist, was sie da auslösen.

Da werde ich wütend, wenn ich Herrn … (Vertretung) frage, auf welchem Stand er ist, was er weiß und er mir erzählt, dass es gut laufen würde, ich mir näher komme. Und er aber nicht weiß, was dieses Näherkommen für Türen aufstößt, Dinge auslöst, Emotionen hervorholt. Ich weiß nicht mal, ob sie das überhaupt wissen. Ich fühle mich alleine gelassen. Ich fühle mich alleine.

Dass sie nicht da sind, tut unglaublich weh. Und ihr Brief ist auch nicht gekommen. Haben sie mich vergessen? Liegt es an der streikenden Post?

Ich sitze hier in meiner Verzweiflung, heule herum. Hab in meiner Not in ein Diktiergerät gesprochen und geweint, damit ich überhaupt festhalten kann, was ich fühle. Damit es vielleicht doch jemand mitbekommt, dass da noch mehr läuft, als das gute Bewältigen von Panikattacken.

Ich fühle mich armselig, weil ich so fühle. Habe mich deshalb ziemlich stark geboxt.

War es richtig sich auf Nähe einzulassen? Wo führt das jetzt hin? Sie fehlen mir. Da ist ein riesen Schmerz. Das soll gut sein? Das soll hilfreich sein? Wie geht es weiter? Was soll ich damit tun? Ist es gut, diese Abhängigkeitsgefühle zuzulassen? Ist es gut, es überhaupt aktiviert zu haben? Wissen sie, auf was sie sich da einlassen? Können sie mir versprechen, dass es am Ende gut ausgeht?

Diesen Prozess alleine zu tragen ist unfair. Damit jetzt alleine dazusitzen ist unfair.“

 

So nach 1,5 – 2 Wochen klangen die Gefühle ab. Die Karte wurde nicht mehr wichtig. Ich weiß nicht, was dazu im Inneren los war, aber ich richtete mich darauf ein, dass ich alleine war und bin. Wut florierte unkonkret herum.

Die Urlaubszeit war um. Heute hätten wir unseren ersten regulären Termin gehabt, welchen ich absagte. Immer noch keine Karte da. Viel Wut. Angst vor der Begegnung und Klärung. Überforderung, zu den bisherigen täglichen Anstrengungen, mich auch noch mit dieser Beziehung auseinander setzen zu müssen. Deshalb die Absage. Auch ein Gefühl, momentan sehr gut ohne Betreuung klar zu kommen, sie nicht mehr zu brauchen. Und Wegstoßen wollen, Abstand halten wollen. Bloß nicht wieder so nah kommen und wieder mit solchen heftigen Gefühlen konfrontiert zu sein. Eine Bindung fühlte ich nicht mehr. Kein Vertrauen und kein Gefühl mehr, mich bei ihr entlasten zu können.

Gerade heute, wo wir uns eigentlich das erste Mal wiedergesehen hätten, mache ich abends den Briefkasten auf und ein Brief von ihr ist darin. Verschickt am 18.06.. Ich bin in Tränen ausgebrochen, hab gelegentlich mal fassungslos gelacht und war unglaublich wütend. Ich habe das Universum beschimpft, wie es mir so etwas antun kann, all dieses Leiden und gleichzeitig war mir klar, dass ich Riesiges bewältigt habe und diese Situation mich dort hin geführt hat. Trotzdem… soviel Schmerz. Das hätte alles nicht sein gemusst.

Und dazu ist diese Karte auch noch so liebevoll gemacht und so nah, dass ich deswegen noch mehr weinen musste. Sie hatte extra ein Bild kopiert und darauf geklebt, welches mir mal sehr gefiel und diesen Text dazu geschrieben: „Liebe Frau …, liebe kleine Sophie, ich bin im Urlaub, aber nicht weg von der Welt. Ich bin immer noch da und ich komme auch wieder und freue mich darauf, sie wiederzusehen. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit. Lieben Gruß …“

Nichts ist umsonst, ich weiß. Aber diese Sache hatte einen hohen Preis. Ich weiß noch nicht, wie sich das auf die weitere Beziehung auswirkt. Es tat so weh und das irgendwie alles umsonst. Versteh das mal einer.

Ich bin hin und her gerissen. Habe aber nicht mehr das Gefühl, sie wegstoßen zu müssen.

 

Innere Schichten

Diese internalisierte scharfe, herablassende, kalte Stimme, die so stark ist, dass sie mir die Gefühle ausredet, sie verleugnet, sie für mich kaum, bis gar nicht greifbar macht.

Nun hab dich nicht so. Sei nicht so erbärmlich. Das ist Nichts was du hast, im Vergleich zu manch Anderen. Das ist auch ohne Vergleich Nichts. Was heulst du herum. Mach nicht so ein Drama.

Diese Stimme, die so stark ist, dass sie mir glaubhaft vermittelt, auch andere Menschen würden so über mich denken, so dass ich mich nicht mehr traue, mich jemandem mit meinen Gefühlen mitzuteilen.

Man wird dich auslachen, wegen deiner Probleme die keine sind, wenn du da jetzt anrufst. Man wird sich über dich lustig machen.

Diese Stimme, die meine Einsamkeit verstärkt, weil sie mich nach außen nicht mehr mitteilen lässt.

Aber es zählt doch, wie es sich für mich damals angefühlt hat! Ob es sich für mich schlimm angefühlt hat. Das ist der Maßstab dafür, ob da etwas ist was Bedeutung hat oder nicht.
Ich glaube, das hat es, sich schlimm angefühlt. Dieses ständige Bedrohungsgefühl. Diese ständige Angst. Diese Enge zu Hause. Nicht falsch verhalten. Vorsichtig sein. Immer in Deckung bleiben, um nichts abzubekommen.

Du bist Nichts mit deiner Einsamkeit. Du bist NICHTS. Wertlos. Selbst daran schuld. Hast nichts anderes verdient. Es dir selbst eingebrockt. (Verlangen nach Bestrafung, körperliche Zerstörung)

Ich bin schuld. Ich bin zu keiner Verbindung fähig. Ich verlasse, ohne vorher jemals da gewesen zu sein. Bin nicht in der Lage etwas Haltendes daraus zu machen. Es liegt an mir, dass ich einsam bin. Ich bin nichts wert. 😥 (Verlangen nach Betäubung, Verschwinden)

Du konntest nichts dafür. Es war nicht deine Schuld. Es lag nicht an dir, dass da damals so viel Abschottung war, die du noch heute weiterlebst. Du warst nicht die Ursache! Du bist wertvoll. Herz-Menschen haben dich heute wirklich gern.

Ich liebe dich, Sophie.

Du bist genau so richtig wie du bist! Du kannst mir glauben.