Nach einer Therapiestunde, ich der ich meinen Unmut darüber äußerte, dass ich gehemmt bin bestimmte Dinge zu erzählen, weil ich davon ausgehe, dass sie sie mir sowieso nicht glaubt. Rückfrage dazu: „Das ich die Gefühle nicht glaube oder die Deutung dazu?“ Ich komme ins Schleudern, erkläre irgendwas. Von ihr kommt keine weitere Reaktion, nur zuhören. Ich verlasse die Stunde mit dem Gefühl falsch erklärt zu haben oder selbst nicht zu wissen was ich eigentlich sagen wollte. Ich war sehr unzufrieden. Am Tag später wurde etwas konkreter:
Wie können sie nur! Dass sie mich so hängen lassen, so im Stich lassen, so alleine lassen! Ich habe darauf gewartet, dass sie auf meine Ängste und Befürchtungen reagieren. Aber sie haben mich damit stehen lassen, mich damit noch unsicherer gemacht. Darüber, ob sie mir glauben, ob sie mich ernst nehmen, ob sie mich sehen.
Der folgende Tag. Ich fühle mich furchtbar nichtig. Ich kann sehen, wie ich mich in letzter Zeit in dem Gefühl besonders zu sein, gerettet habe. Mir wird auf unerträgliche Art und Weise klar, dass ich nichts besonderes bin, bloß weil ich all diese ekstatischen Gefühle, all die spirituellen Dinge erlebe, die Energien fühle und mit meinen Händen auch Energien der andern fühlen kann. Ich bin weder zu Außergewöhnlichem bestimmt, kann die Menschheit nicht heilen, bin absolut nicht perfekt und auf dem einzig, richtigen Weg. Und wenn das alles doch so sein sollte, so ist es bei jedem anderen Menschen auch so. Es gab keine Auserwählung. Ich kann nichts mit meinem Willen erreichen. Ich bin lediglich der Kanal. Peng! Das haut mich vom Hocker. Ich bin ganz unten.
Dann bricht ein kindlich, emotionaler Teil wie eine Welle über mich herein. Ich weine bitterlich.
Ich fühle mich so hilflos und alleine. Alles muss ich alleine entscheiden und ich habe überhaupt keine Ahnung was richtig und falsch ist. Aber ich tu die ganze Zeit so, als wüsste ich das und niemand anderes dürfte mir das sagen.
Jeder Unterstützungsversuch will abgeschmettert werden.
Ich kann das alleine! Aber jeder Unterstützungsversuch macht mich auch unsicher, weil ich genau das bin, zutiefst unsicher. Ich wünsche mir so sehr jemanden der mich an die Hand nimmt, mit mir gemeinsam den Weg geht, mir den Weg zeigt. Ich fühle mich so unendlich verloren und orientierungslos. Bitte helft mir. Warum hilft mir den keiner! Ich bin ganz alleine hier. Mir ist das alles zu viel.
Ich wünschte, sie wären jetzt hier, damit ich sie um Hilfe bitten kann. Ich will nicht mehr stark sein. Ich will nicht mehr auf alles eine Antwort wissen.
Heute Morgen. Ich wache auf und fühle mich hundeelend. Ich versuche meinen Gedanken nicht zu glauben, die mir erzählen wollen, dass dann alle großen Gefühle in der Vergangenheit ein Trugschluss waren, eine Illusion. Künstliche Gefühle, erzeugt durch meine eigene Erhebung. Nein, das will ich nicht glauben. Wenn ich das glaube, dann kommt die nächste depressive Welle (oder ist schon da?). Dann macht doch alles keinen Sinn mehr. Dann gibt es nichts das wahr ist und bleibt. Dann habe ich Lügen gefühlt und gedacht. Dann kann ich mir selbst nicht mehr vertrauen. Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!
Ich verweigere seit einiger Zeit für mich die Sortierung nach gut und schlecht. Wenn mich jemand fragte, wie es mir geht, habe ich nicht mehr mit gut oder schlecht geantwortet, weil es mir falsch vorkam. Ich wollte keine Vorstellung beim Anderen erzeugen, die oberflächlich ist. Und ich wollte selbst nicht mehr leiden und auch anderen vermitteln, dass ich nicht mehr leide, egal wie es ist. Aber jetzt gerade muss ich zugeben, dass es mir nicht gut geht. Und ich wäre gerne nicht alleine damit. Ich wäre gerne bei jemanden, der daran nichts verändern will. Bei dem ich mich einfach schlecht fühlen darf. Der keine Tipps gibt, es nicht bereden will, der kein Mitleid hat. Der einfach offenherzig dabei ist.
Dieses gesehen werde wollen, verweigere ich mir unbewusst, in dem ich immer vermittle, dass ich schon mit allem zu recht komme. Komme ich ja auch, aber trotzdem verweigere ich dadurch anderen den Blick auf meine Gesamtheit. Ich fürchte mich vor den üblichen Reaktionen, wenn ich erzähle was sich nicht gut anfühlt.
Ich richte mich auf einen „Zu nichts in der Lage sein – Tag“ ein. So ist es dann auch. Ich kann kaum laufen. Meine Muskeln schmerzen. Ich bin unglaublich müde. Über Stunden liege ich auf der Couch und es plagen mich Phantasien, in denen ich versuche mich zu offenbaren, Schwäche zu zeigen, Not zu zeigen. Gegenüber der Ergotherapeutin, gegenüber meiner Therapeutin. Es kommt nie zu einem guten Abschluss. Immer wieder muss ich dabei weinen, weil ich mich so sehr danach sehne. Weil ich es jetzt brauche und niemand da ist. Ich stelle mir vor, wie ich mich selbst mir gegenüber verhalten würde. Ich würde mich fragen: „Soll ich bei dir bleiben?“ Ich würde mir irgendwie eine Berührung anbieten, obwohl ich nicht wüsste mit welchen Worten, um mich nicht zu irritieren und zurückschrecken zu lassen. Bei dieser ersten Berührung, wenn ich sie zulassen kann, sehe ich wie alle Barrieren brechen, ich mich sehnsüchtig in eine volle Berührung öffne. Gehalten werden suche und alles loslasse, alle Einsamkeit heraus weine.
Ich überlege, ob ich darum bitten soll, den Therapietermin von Dienstag auf Montag vorzuziehen. Eine unglaubliche Idee. Ich werde nur bei der Vorstellung nervös. Ist das nötig? Brauche ich das? Morgen ist es eh wieder anders und du wirst dich dann schämen, darum gebeten zu haben. Ich fühle aber auch die Not. Es ist ein Ringen. Als ich mich dem soweit angenähert habe, dass ich den Text aufgeschrieben habe, denn ich aufs Band sprechen will (ich wäre nie in der Lage frei zu sprechen) und den Hörer in die Hand nehme, kommt die Panik in mir zum Höhepunkt. Mein Herz rast, ich zittere und schwitze. Mein Verstand überschlägt sich mit Argumenten dagegen. In mir schreit es: Nein, nein, tu das nicht! Sie wird nein sagen! Dieses befürchtete „Nein“ fühlt sich vernichtend an. Ich lasse all dieses Fühlen zu und wähle trotzdem die Nummer. Ich will es für mich tun. Geschafft!
So, die Phantasien haben aufgehört. Ich blende aber auch die Ergebnismöglichkeiten meines Anrufes aus. Jetzt bin ich nur noch wie gelähmt, müde und voller körperlicher Schmerzen. Die weiteren Stunden treibe ich musikhörend in irgendwelchen Zwischenwelten, nicht schlafend, nicht wach sein. Bis ich mich doch tatsächlich bis zum PC vorkämpfen kann, um mich auch dem www zu offenbaren. 🙂