Alles auf Anfang und doch ein Stück weiter

Keine Richtung. Keine Perspektive. Keine Vorstellung, dass irgendwo ein Platz für mich ist, wo ich sein kann, mit dem was ich bin und mich trotzdem entfalten kann.

Nach der Tagesklinik ist vor der Tagesklinik. Seit gestern bin ich zu Hause.

Es fühlt sich alles nicht mehr passend an. Der Arbeitsplatz, die Kontakt- und Beratungsstelle. Es beengt mich, ich fühle mich in der Vorstellung dort eingesperrt.

Das Leben im Allgemeinen fühlt sich beengend an.

Ich werde wütend. Immer wieder. Bei kleinen und großen Dingen. Verweigerungshaltungen entstehen. Das ist nicht die Lösung. Der Wut auf der Spur.

Ein Bild in mir, mich mit aller Kraft aus Ketten zu sprengen.

Etwas Neues gibt es nicht.

Wertlosigkeitsgefühle und das „wertvoll“ daneben stellen.

Der Verzweiflung zuschauen, die aus der Orientierungslosigkeit entsteht.
Den Ängsten zuschauen, Massen an Ängsten, die Neues (noch) nicht möglich machen.
(Das Schauen gelingt besser, als vor der TK)

Wohin Bewegen?
Bewegungslosigkeit. Ganz real. Wozu noch Handeln?

Mit Selbstfürsorge balancieren, zwischen Gleichgültigkeit.

Starrende Ängste die glauben, dass alles untergeht, wenn wir uns nicht sauber machen, nicht bewegen, nicht strukturieren, nicht das neue Ticket holen, weil der 1. ist, nicht einkaufen gehen, weil am Wochenende Besuch kommt, nicht die Duschwand nach Benutzung abwischen, nicht die Wohnung putzen.

Das „nicht“ aushalten. Ja was ist dann? Was passiert dann, wenn alles NICHTS wird?
Noch mehr Ängste, noch mehr Gedanken. Und wenn… und wenn… und wenn.

Und ich lebe weiter…

Dramagedanken. Das Leben wird eng in ihnen.
Stimmt schon, meine Gedanken nehmen das Leben sehr ernst (wie jemand mir sagte). Das macht es nicht leicht.

Es ist wirklich nicht leicht, doch ich kann es aushalten. Gestern. Heute.

Dazwischen Momente wo alles okay ist, wo Gelassenheit auftaucht, beim einfachen Sein.

Krisenzeit

Das war die heftigste Krise die ich seit letztem Jahr September erlebt habe. (Diese endete damals auf der Kriseninterventionsstation.)

Mit großen Augen und anerkennendem Blick sagt sie: „Und sie haben das durchgestanden!“ Ja, ich habe das zu Hause durchgestanden. Ich hatte mich zwar um eine Krisenaufnahme für das Wochenende, in einer Akuttagesklinik gekümmert, diese dann doch abgesagt. Ich habe es mir zugetraut, weil andere Dinge griffen.

Niemand konnte das ganze Ausmaß sehen, niemanden konnte ich sagen, was in mir passierte, dass sich alles in mir verändert hatte. Niemand bekam die Dimension dieser Krise mit. Ich hatte keine ausreichenden Worte und habe es selbst nicht verstanden – mittendrin. Wenn ich nicht mehr konnte, sah das keiner und wenn mich jemand sah, setzte der Automatismus ein, noch zu können. Und was soll ich sagen – es ist okay… irgendwie. Es war nicht nötig, dass ich mein Erleben erklären konnte (auch wenn ich es gerne getan hätte). Ich habe es anscheinend nicht gebraucht.

Ich habe MICH gebraucht. Und ich war überwiegend für mich da. Bin Wege gegangen, die ich noch nie gegangen bin. Habe Hilfe bekommen, auch ohne dass die Dimension erkannt wurde, wohl einfach, weil man mir auch glaubte, wenn ich um Hilfe bitte, dann brauche ich sie auch.

Ein sehr heilsames Erlebnis, wenn die Tagesklinik sagt (war da bisher zweimal, 2011 und 2014): „Kommen sie einfach. Sie brauchen keine Einweisung vom Arzt. Wir kennen sie ja und kümmern uns dann um alles.“ Ich habe geweint vor Dankbarkeit, nach diesem Anruf. Ich musste nichts erklären. Es hat einfach gereicht nach einer Krisenaufnahme zu fragen.

Erst danach konnte ich so halbwegs verstehen und erklären und sie sagte: „Ich habe es ihnen zugetraut.“ Wow…! Das hatte ich mir von meiner damaligen Therapeutin gewünscht und sie sogar darauf angesprochen, ob sie mir nichts zutraue. Und nun sagt man mir das von ganz alleine. Ein tolles Gefühl! Noch nie in meinem Leben, habe ich so etwas gesagt bekommen und auch annehmen können.

Da ist viel Kraft in mir. Ich durfte sie erleben und ich spüre sie immer noch. Ich fühle mich nicht stark. So meine ich das nicht. Sondern, dass da ein Kern in mir ist, der Kraft zur Verfügung stellen kann (immer gibt), wenn ich sie brauche.

Krisen erschaffen immer ganz besondere Erfahrungen. Ich tue Dinge, die ich ohne nicht tun würde. Dadurch erlebe ich Sachen, die ich ohne nicht erleben würde.

Die Lawine, die alles mit sich riss und sich stetig vergrößerte, läuft momentan langsam aus (und nichts ist mehr wie vorher). Ich weiß nicht, wo ich jetzt stehe. Da ist so viel passiert. Für mein Bewusstsein zu viel in zu kurzer Zeit, als dass ich greifen könnte, was es mit mir gemacht hat und was im Einzelnen der Inhalt war.

Das Überthema heißt wohl ‚zeigen und gesehen werden‘ und Bindung (immer noch). Da hängt so unglaublich viel dran! Das hat (und tut es weiterhin) so extrem viel ausgelöst.

Auch bin ich auf ein familiäres Thema, mütterlicherseits gestoßen. Ich trage Erlebnisse meiner Familie mit, die ich nie erlebt habe. Ich reagiere mit ihrer nackten Angst und Panik. Ich habe den Schmerz meiner (schon seit Jahren verstorbenen) Oma geweint.

Am Ende brauchte ich für drei Tage völligen Rückzug. Ich ließ die meiste Zeit Handy, Telefon und PC aus. Wusste ich, ich musste mich vor weiteren Reizen, Informationen, Reaktionen schützen, um mein völlig überreiztes Nervensystem zur Ruhe zu bringen und meinem durchgebrannten Verstand die Nahrung zu entziehen. Absolute Ruhe – das brauchte ich. Der erste Tag davon war sehr schwer. Meine Gedanken drängten immer wieder zur Tat, wollten Klärung, suchten Kontakt, waren voller Panik und auch Schmerz. Es erforderte Disziplin, nicht ins Handeln zu gehen. Ich schrieb sie alle auf, um mich dann wieder dem Jetzt zuzuwenden. Das half. (Und heute sind 70% des Geschriebenen unwichtig geworden)

Gestern und heute sehe ich nichts mehr um mich herum. Da ist so viel leerer Raum. Aus allen Zusammenhängen gelöst. Nichts scheint mehr wichtig, von Bedeutung oder trägt. Ich sehe keinen Weg. Ich habe kein Ziel vor Augen. In den letzten Jahren hätte mich das (zum wiederholten Male) in eine tiefe Sinnkrise gestürzt, auf die ich aufgesprungen wäre. Jetzt übe ich mich, die logischerweise folgenden Depressionswellen durch mich durchlaufen zu lassen. Jetzt hält nur noch das Leben, das Da-sein selbst. Schön fühlt sich das nicht an. Da ist Angst und Ungewissheit. Keine Richtung, in die ich blicken kann. Es bedeutet viel Bewusstseinsarbeit und aushalten.

Es ist zu erwarten, dass sich wieder etwas Greifbares formieren wird (und ich danach auch suchen werde), um beim nächsten Mal erneut zu zerfallen.

Ich bin müde, erschöpft und sehr schwach.
Ich fühle wieder (wackeligen) Boden.
Ich habe die schwach pulsierende Erinnerung von Kraft.

Werde der du bist oder die Suche nach sich selbst

Am 04.07.2013 morgens nach dem aufstehen, erlebte ich etwas sehr Wundersames, Schönes und Neues und machte mir dazu ein paar Notizen. Die liegen nun seit Tagen herum und ich spüre ein großes Zögern es erneut aufzuschreiben und damit ernst zu nehmen und diesen Gedanken Bedeutung zu geben. Es kommt mir zu groß vor. Vielleicht gab es in der Vergangenheit schon zu oft grandiose Ideen oder starke Impulse, die dann doch immer so schnell wie sie da waren, auch wieder verschwunden sind. Ich frage mich immer im Rückblick, war das wirklich ich? Kam das aus mir? Warum bleibt davon nichts übrig? Kann ich mich noch ernst nehmen mit meinen Impulsen? Warum sieht die Realität um mich herum so viel anders aus, als was sich in mir ausmalt? Ich fühle hier fehlendes Vertrauen in mich selbst. Nun folgen die Worte aus diesem Morgen.

Und ich spüre NICHT die Angst Vertrautes, Gewohntes loszulassen. Keine Angst meine Wohnung loszulassen. Keine Angst meine vertraute Umgebung zu verlassen. Keine Angst Freunde zu verlieren, einsam zu sein. Ich spüre einfach nur, dass es richtig wäre raus aus der Stadt zu ziehen, irgendwohin umgeben von Natur. Mit ihr, in ihr zu leben. Ich sehe mich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, über leere Straßen, vielleicht in einem ökologisch arbeitenden Hof in der Landwirtschaft oder in einem Hofladen oder irgendetwas was mit Garten und Anbau zu tun hat. So oft wie möglich draußen sein, wo es ruhig ist und ich mich spüren kann. Das fühlt sich gerade so verdammt richtig an, dass ich am liebsten sofort losgehen möchte, um alles in die Wege zu leiten. Mir ist klar, dieser Lebenswandel braucht Zeit und meine Fähigkeit im Vertrauen zu bleiben, damit ich Schritt für Schritt in eine neue Richtung gehen kann.

Ich fühle mich gerade so, als hätte ich das erste Mal in meinem Leben einen Traum, eine Idee davon wo ich hin will und wäre bereit alles Tun darauf auszurichten. Das Ende einer Suche? Der Beginn von Sinn?

Ich spüre die Zufriedenheit die in diesem Ort liegt. Ich sehe, wie ich meine Eltern einlade, an diesen Ort wo alles richtig ist, wo ich richtig bin. Ich bin da wo ich sein sollte. Angekommen! Angekommen in mir selbst!

So, nun stehen da diese Worte und natürlich bin ich aktuell nicht mehr in dieser Intensität (oder ich lasse sie nicht mehr zu). Ich habe im Internet nach Jobs in der Bio-Branche gesucht und wie schon gedacht, ist da insgesamt um Berlin wenig los und ich habe keine entsprechenden Qualifikationen. Ich fühle mich jetzt schon scheitern und erinnere mich doch daran, dass ich im Vertrauen bleiben wollte. Was heißt das? Das heißt wohl, dass auch, wenn meine derzeitigen Lebensumstände nicht im Geringsten die Richtung meiner Vision einschlagen, mich zu entspannen und weiter daran zu glauben, dass sich alles irgendwann in die richtige Richtung fügen wird. Gefühlsmäßig bekomme ich das sogar hin. Verstandesmäßig sieht es nicht gut aus. Ich habe keine Erfahrungen in dem Bereich, ich habe keinen Führerschein, ich bin seit ca. 2 Jahren nur eingeschränkt oder nicht leistungsfähig (Antrag auf Erwerbsminderungsrente läuft), ich habe keine Ersparnisse und lebe knapp am Existenzminimum. Das einzige was einen Richtungswechsel andeuten könnte ist, dass ich meinen Gefühlen gefolgt bin und seit einer Woche, für ein paar Stunden an drei Tagen die Woche in einer Friedhofsgärtnerei mithelfe. Etwas was sich sehr stimmig anfühlt, solange nicht mein Perfektionismus und Leistungsanspruch oder mein schweres Gemüt mir auch dort die Arbeit erschwert. Immerhin. Stillstand gibt es nicht.

Können Persönlichkeitsanteile sterben?

Wenn ich dir doch sage, dass du nicht mehr kämpfen brauchst, warum bist du da so ernst? Warum fühlst du dich so niedergeschlagen, antriebslos und vielleicht auch traurig? Sollte es nicht befreiend sein?

     Wenn ich nicht mehr kämpfen brauche, wenn es nichts mehr zu erreichen gibt, wozu bin ich dann noch da?

Ich weiß nicht.

     Ich fühl mich sinnlos. Ständig sagst du mir, womit ich aufhören soll. Hör auf etwas zu wollen, hör auf etwas zu zählen (Gewicht, Schlaf, Trinken). Was soll ich dann noch tun? Ich werde nicht mehr gebraucht.

Ich weiß auch nicht was jetzt mit dir wird. Vielleicht wirst du sterben. Vielleicht finden wir auch eine andere Aufgabe für dich. Keine Ahnung.

     Ach lass mich doch in Ruhe.

Nachtrag:

     Hörst du mir zu? Ich will Nähe! Ich will, dass da jemand ist! Und du lässt mich nicht!

Du bist jetzt aber jemand anderes, nicht? Ja, es fällt mir nicht leicht dir das zu verwehren, weil ich fühle was du fühlst, dieses Loch. Doch ich weiß auch, dass dir das was du willst nie reichen wird. Das du dann enttäuscht sein wirst und das zutiefst und immer wieder. Davor will ich dich beschützen. Ich weiß auch nicht ob das richtig ist.

Neulich in der Apotheke…

Ich: „Einmal Ibuprofen bitte. Welche Größen gibt’s da?“

Sie: „10er, 20er und 50er“ und nennt die Preise dazu.

Kurze Pause. Ich überlege. Denke über Mengen, Verwendung und Preise nach. Ich: „Okay. Ich nehm die 50er-Packung. Das kann ich mit Karte zahlen, oder?“

Sie: „Ja, ab 5,- € geht mit Karte. Solange sie nicht alle auf einmal nehmen.“

Upsss… Ich, lachend: „Nee, die sind gegen Regelschmerzen und damit werd ich wohl noch ein paar Jahre zu tun haben.“

Parallele Gedanken in meinem Kopf: Wie kommt sie darauf? Kann sie sich an meinen letzten Einkauf erinnern, wo ich Promethazin und hochkalorische Diätgetränke gekauft habe und hat irgendetwas geschlussfolgert? Sah ich das letzte Mal so beschissen aus? Sehe ich heute so beschissen aus? Hat mir jemand nachts heimlich auf die Stirn das Wort „Sinnkrise“ geschrieben? Auf die Idee alle auf einmal zu nehmen, wäre ich selbst nie gekommen. Jetzt existiert diese Möglichkeit in meinem Kopf. Das muss ich unbedingt für den Blog aufschreiben.