Spiritueller Mensch

Ich mag es gerade die Stille in meiner Wohnung wahrzunehmen. Die Stille, die eigentlich keine ist, weil da der PC rauscht, die Tastatur klackert, Stimmen aus der Nachbarwohnung, Motorengeräusche von einem vorbeifliegendem Flugzeug. Es ist die Stille des Wahrnehmens, die Stille die entsteht, wenn die Gedanken zur Ruhe kommen und stattdessen wieder wahrgenommen werden kann. *tiefes ein- und ausatmen* Wie wohltuend. Wie entspannend.

Wie anstrengend so oft so viel zu denken. Wie ermüdend. Wie getrieben, wenn die Gedanken von ihrem steten Fluss zu einer Raserei wechseln. Nichts kann zu Ende gedacht werden. Jeder Reiz löst den nächsten Gedanken aus. Und im schwierigsten Fall fordert jeder Gedanke zu einer wieder neuen Handlung auf. Da laufe ich einmal durch die Wohnung und durch das was ich sehe und an was ich denke, kann ich bis zu 5, 10, 15 verschiedene Handlungsimpulse bekommen, ohne Zusammenhang und Sinnhaftigkeit. Das ist echt erschöpfend. Da passt doch irgendwie der Begriff Geistes-krank. Oder müsste man sagen Gedanken-krank oder Verstandes-krank?

Ich komme gerade aus der Meditation. Deshalb die Ruhe. Also ruhiger als vorher. Natürlich denke ich noch viel. Habe ich auch während der Meditation. Klare Gedanken. Darüber wollte ich eigentlich schreiben. Ich will eigentlich über so viel schreiben.

Wo fange ich an? Vielleicht was mir während der Meditation so als Erkenntnis kam.

Wenn ich so meine Übungen mache, wie das meditieren, die Körperarbeit oder auch das Hände-auflegen, dann bemerke ich, wie ich oft Klarheit und Orientierung finde. Ich weiß dann z.B. plötzlich, welche Worte ich wähle, um jemanden etwas zu sagen. Ich weiß dann überhaupt erst, worum es eigentlich bei dem Thema geht, was mein Anteil daran ist und wie ich das dann in Worte packe, die den anderen auch annehmen.

Das ist ein häufiges Alltagsthema bei mir. Ich will irgendwas nicht oder etwas anders oder muss jemandem etwas von mir sagen und ich habe keine Ahnung wie ich das machen soll, wie es angemessen ist. Meistens habe ich eine riesen Angst etwas falsch zu sagen oder falsch zu sein, mit unbedachten Worten jemanden zu verlieren oder von ihm zurückgewiesen zu werden und meine Gedanken dazu nehmen viel Raum ein.

Ich dachte eben beim Sitzen, dass das zwei Menschen sind. Wenn ich in Praktiken meine Energie anhebe, dann bin ich mehr der spirituelle Mensch. Im Alltag fällt dann meine Energie wieder ab und ich bin der, ich nenne es mal ‚persönliche‘ Mensch.

Als spiritueller Mensch bekomme ich mein Leben gut geregelt. Ich finde Lösungen, ich schaffe Klarheit, ich kann mich orientieren, ich sehe nächste Schritte, ich fühle was wahr für mich ist und was nicht, ich komme zur Ruhe, ich tanke Kraft.

Als ‚persönlicher‘ Mensch bekomme ich mein Leben nicht so gut auf die Reihe. Begegnungen, egal welcher Art bringen fast immer irgendeine Verwirrung mit sich.  Ich fühle mich dabei fast immer unsicher und habe viel Angst. Ich bin unklar und weiß oft nicht, was als nächstes zu tun ist. Ich fühle mich orientierungslos, unfähig und ratlos.

Ich möchte natürlich am liebsten immer in meinem spirituellen Zustand sein. Immer die richtigen Worte finden. Keine Fehler machen. Keine Konflikte. Und wenn, mich damit trotzdem sicher fühlen. Immer und zu jeder Zeit wissen, wann es wo lang geht, was als nächstes zu tun ist. Überhaupt mich mit mir selbst immer sicher fühlen. Kein Kopfkino. Keine sinnlosen Gedankenschleifen.

Hach jaaa… hier könnte die Realitätsflucht beginnen. Ich könnte jeden Kontakt vermeiden und mich in mein spirituelles Ich versenken und glauben, das bin ich.

Bin ich aber nicht.

Bin ich auch. Aber ich bin auch der Alltagsmensch, der Ahnungslose, der Überforderte, der Hilfesuchende, der Beziehungslegastheniker.

Ich könnte ja in jedem Gespräch, wenn ich unsicher werde, sagen: „Moment mal, ich muss eben ins Nebenzimmer und über diese Sache meditieren. Bin gleich wieder da.“ 😀

Eigentlich sind es nicht zwei Menschen. Es ist ein und der Selbe, nur in unterschiedlichen Energieniveaus.

Ich denke da an ein Video von Bodo Deletz, wo er zum mitmachen demonstriert, wie ein Gedanke sich von ganz alleine verändert, wenn man ihn mit seinem Bewusstsein ‚anhebt‘. Fand ich sehr spannend, das zu erleben. In dem Video will er natürlich seine Methode bewerben, weshalb es auch so lang ist. Ab Minute 2:10 beginnt er mit dem ‚Experiment‘, falls es jemanden interessiert.

Energie anheben ist keine große Zauberei, bei der man etwas ganz Spezielles tun muss (auch wenn Herr Deletz das in dem Video so tut), sondern sie geschieht durch Bewusst-sein oder auch Achtsamkeit.

Und das wünsche ich mir in Begegnungen. Dass ich es zulassen kann (immer mehr) mein Bewusstsein bei mir zu halten, während jemand anwesend ist. Das heißt auch, dass ich zulassen kann den Raum zu spüren, in dem Begegnung geschieht und meine Angst darin bewusst zu erleben, die diesem Da-sein immer voran geht.

Das würde dann heißen, dass ich mein spirituelles Sein in Beziehungen mit hineinnehme und nicht nur außerhalb lebe.

Ooooh, ich weiß nicht wann ich das kann. (hier steht nicht ‚ob‘ 🙂 )

Brief an Dich

Liebe …,

nun ist etwas Zeit vergangen und es war hilfreich für mich.

Was so an mir gerüttelt hat, waren die Erfahrungen aus der Zeit meines Klinikaufenthaltes.

In dieser Zeit, beginnend mit dem Wunsch, dass du mit mir in die Notaufnahme fährst, habe ich gefühlt dich zu brauchen, anwesend zu brauchen.

Du sagtest am Telefon, du seist in …. Du hast nichts weiter erklärt.

Du sagtest auch, dass du mich dort erst mal auf Station ankommen lassen wolltest, dass das gut wäre. Ich habe mir das nicht gewünscht. Ich hätte es anders gewollt.

Du hast dich die folgenden zwei Tage, für andere Dinge entschieden, als vorbei zu kommen.

Ich respektiere deine Entscheidungen. Du hast dich so verhalten, wie es sich für dich richtig angefühlt hat.

Ich hatte das Gefühl, du hältst meine Not und damit auch mich auf Abstand.

Für mich waren deine Entscheidungen ein riesen Schmerz.

Mein Gefühl dich zu brauchen, bauten auf die wiederholten Aussagen von „ich bin immer für dich da“ auf. In mir wuchs dadurch eine Vorstellung, dass du alles stehen und liegen lässt, wenn es hart auf hart kommt und versuchst da zu sein.

Das ist nicht geschehen und ließ mich im Ungewissen darüber, wie schlimm es sein muss, damit deine Worte wahr werden.

Zum Schluss bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass deine Worte nicht das waren, was ich dachte, dass sie sind, sondern etwas anderes meinten. Wir sprachen kurz darüber.

Liebe …, was bleibt, ist, dass ich dich liebe, auch wenn mir deine Entscheidungen weh taten und mich auch heute noch traurig machen.

Ich möchte Wahrheit zwischen uns.

Was ich mir von dir wünsche, ist dein Eingeständnis oder dein Bewusstsein darüber, dass du zukünftig nicht immer für mich da sein wirst, wie ich es vielleicht fühle zu brauchen.

Das ist auch mein Eingeständnis an mich.

Wahrheit bedeutet auch, dass ich mir die Grundlage meiner Beziehung zu dir anschaue und da Bedürftigkeit finde.

Ich will lernen diese Bedürftigkeit zu mir zurück zu nehmen.

Ich weiß nicht, wie sich das auf meine Beziehung zu dir auswirken wird, was noch bleibt, was sich anderes entwickeln kann.

Da bleiben erst einmal ein großes Fragezeichen und eine große Beziehungsunsicherheit, die dir wahrscheinlich auffallen wird.

Ich wünsche mir, dass du weißt, egal wie ich mich dir gegenüber verhalte, vielleicht zurückhaltend oder abweisend, vielleicht angespannt oder gereizt, im Kern liebe ich dich und kann es nur gerade nicht anders.

Ich übe.

Ich umarme deine Seele und dein Sein.

Das Böse in mir

Ich erinnere mich, da gab’s doch schon mal so etwas. Da habe ich doch schon einmal drüber geschrieben. Alles kehrt wieder und wird weiter bearbeiten, von einem neuen Standpunkt aus.

Überheblichkeit, Arroganz um mich nicht unsicher zu fühlen? Mich erfahrener, weiser, reifer fühlen, um mich über andere zu erheben, um mich nicht so klein zu fühlen?
Mich ungefragt als Lehrer aufführen, lehren wo niemand um Lehre gebeten hat. Der Wunsch, dass zu mir aufgeschaut wird, damit ich hinabschauen kann und mich größer fühle?
Macht ausüben. Unrecht ausüben. Durch meine Haltung. Die Größe, die Buddha-Natur jedes einzelnen nicht wahrnehmen. Die Richtigkeit jeder anderen Erfahrungen nicht anerkennen, würde sie mich doch in Frage stellen, mich mit meiner Selbstunsicherheit innerhalb dieser Beziehung konfrontieren.

Ich muss die ‚Kinderwelt‘ loslassen, die Vorstellung, dass alles ‚gut‘ wäre. Die Flucht in eine Welt, von Engeln behütet, in der, wenn ich mich nur stark genug auf mein Herz konzentriere, alles ‚dunkel‘ draußen bleibt.
Das ‚Böse‘ nicht verleugnen. Das ‚Böse‘ in mir. Zulassen. Fühlen. Verstehen. Mitgefühl auch für diese Seiten in mir, die letztendlich aus der Angst erwachsen. Das ‚Böse‘ entsteht im Grunde immer aus Angst.
Macht, Gier, Hass, Geltungsbedürfnis (alles in mir vorhanden) – im Ursprung Angst. Angst als ein Teil von mir. Der Gegenpol zur Liebe. Beides ist ein und dieselbe Energie.
Habsucht, Neid, Gewalt, Missbrauch – alles in unterschiedlicher Ausdrucksform (oft subtil oder nur im inneren verborgen) in mir vorhanden.
Es gibt das ‚Böse‘ in der Welt. Es gibt das ‚Böse‘ in mir. Alles ist Ausdruck dieser Welt, alles entspringt aus dem gleichen Stoff, der gleichen Quelle. Alles ist miteinander verbunden.
Gehässigkeit, Schadenfreude. All das finde ich auch in mir.

Es tut weh dort hinzuschauen. Es löst Selbstverurteilung aus. Wie schlecht bin ich. Verurteilung. Auch dieses ‚Böse‘ ist in mir. So viel Dunkelheit.

Und so viel Licht.

Ich stelle mir die ‚Quelle‘ als eine Kugel vor, die aus einem Nadelteppich besteht, wie diese Zimmerdekorationen, wo man z.B. seine Hand gegen die Nägel drückt und auf der Gegenseite dann die Form der Hand erscheint.
Jede erdenkliche Form bildet sich aufdieser Kugel ab – Häuser, Bäume, Gefühle, Menschen, Gedanken, Religionen, Kriege, Gemeinschaft, Liebe, Angst, Gewalttaten, Wetter, Planeten, Kometen, Sonnen – einfach alles. Die Formen empfinden sich selbst als getrennt voneinander, doch sind sie alle aus dem gleichen Material und alle über das Material miteinander verbunden. So ist alles was sich um mich herum abbildet, auch in mir vorhanden. Wenn ich mich nun hinsetze und mich ganz bewusst für dieses Material öffne, mich damit verbinde, erfahre ich auf noch direktere Art die Erscheinungen im Außen auch in mir. Nichts unterscheidet sich mehr voneinander. Alles ist eins. Irgendwie klingt das verrückt. Das ist doch tatsächlich das, wie ich es wahrnehme und erfahre. Unglaublich!

Da war viel Angst die Tage. Ich konnte ihr zuschauen, wie sie mich halsabwärts abtrennte von mir. Wie sie Gedanken-, Vorstellungstürme um meinen Kopf herum erschuf und das das Vertrauen nicht zu ihren Eigenschaften zählte.
Angst kontrolliert zu werden, selbst keine Kontrolle mehr zu haben. Angst vor dem Ungewissen, dem Unsichtbaren, dem Namenslosen, welches sich unbemerkt in mir einschleicht und von innen manipuliert, die Herrschaft übernimmt. Angst vor der Unberechenbarkeit des Lebens.
Ja. Kontrolle ist eine Illusion. Wenn ich mich dem Leben (der ‚Quelle‘) öffne, öffne ich mich ALLEM. Dass mir das angst macht, finde ich nun absolut nachvollziehbar.

All die ‚dunklen‘ Anteile in mir zulassen. Mit dem Herzen sehen. Vielleicht zeigt sich diese gewaltige, dahinterliegende Urangst. Ich bin bereit sie zu fühlen. Ich bin bereit mich in Beziehungen klein zu fühlen. Ich bin bereit mich in Beziehungen unsicher zu fühlen. Ich bin bereit mich zu zeigen. Ich bin bereit, dass meine panische Angst gesehen wird. Oh, da kommt mehr… ich bin bereit mich der Angst, der totalen Vernichtung zu stellen, sie zu fühlen. Vernichtungsangst scheint die Urangst zu sein.

Auslösersuche

Heute Morgen. Aufstehen. Alles ist anders. Nach fünf Tagen Symptomfreiheit, verbunden mit viel Freude am Leben, Bewegung, Energie, alles Schaffen.
Heute Morgen ist es sehr ernst in mir. Seeehr ernst. Besorgt, fühlt es sich an. Sehr in Gedanken. Denken und denken und denken. Und müde, antriebslos.

Was ist passiert? Was ist los?

Ich erinnere mich an meinen Traum vor dem Aufwachen. Ein männliches Wesen, vorne Mensch übergehend nach hinten in einen Skorpion. Riesiger Stachel, erhoben zum Angriff. Schwarz. Bedrohlich. Der Mensch selbst weiß nichts von seinem verwandelten Hinterteil. Treffe mit anderen Menschen in einer Halle Vorkehrungen, um einen Angriff abzuwehren, wenn er kommt. Ich halte ein Feuerzeug in der Hand, um im richtigen Moment eine Flamme zur Verteidigung zu entzünden. Das Feuerzeug fällt auseinander. Ich suche weitere in meinen Taschen. Ich fühle mich nicht ausreichend vorbereitet, um mich schützen oder wehren zu können.

Mir ist sofort klar, dass der Traum sich auf die Frau von gestern bezieht. Ich kenne sie nicht. Habe sie in einer Gruppe sprechen hören. Nach vorne freundlich, habe ich hinten herum in mir Angst gespürt. Sie machte mir Angst. Ich fürchtete mich vor ihr. Vor einem Angriff, vor meiner Vernichtung. Mit Worten zerstören. Mit Worten Verachtung ausdrücken. Es gab keinen Austausch zwischen uns, aber zwei kleine Situationen, in denen sie auf jemand anderes reagiert, reichten aus, um Angst zu erzeugen. So schnell geht das. Ich habe mich mit der Wahrnehmung nicht weiter beschäftigt. Doch das muss ich wohl, wenn es so starke Auswirkungen hat.

Der Traum. Dort ist es männlich, das Wesen. Mein Vater. Ich spüre den Zusammenhang. Verachtung kenne ich von meinem Vater. Mit Worten vernichten können, kenne ich von meinem Vater. Sein Sternzeichen ist Skorpion. Ich verstehe nur die Angst nicht. Ich finde keinen erlebten, gefühlten, erinnerten Zusammenhang.

Heute dann das Gutachtergespräch beim Sozialpsychiatrischen Dienst, für den Antrag auf Einzelfallhilfe. Ich werde wieder nach Traumata gefragt. Ich werde nicht sehr konkret. Da ist ja auch nicht viel konkret. Aber erzähle schon von Symptomen, einzelnen Triggerbeispiele, Vermutungen aus der Kindheit. Ich kann sehr leicht darüber sprechen. Alles fühlt sich okay an.

Dann bin ich wieder zu Hause. Und es ist doch nicht so okay. Der Dunst ist stärker geworden, in dem ich verschwinde. Kraftlosigkeit. Apathisches Dasitzen, sich nicht aufraffen können und immer wieder kreisende Gedanken um die Frau, um den Traum, um Gefühle von Vernichtung.

Ein Freund ruft an, kommt vorbei. Auch da habe ich ein verändertes Gefühl, obwohl mir sehr nach Entlastungsgespräch ist. Ich habe Angst vor Nähe. Ich habe auch wieder Angst vor der Welt da draußen. Ich fühle mich verletzlich, wie eine offene Wunde.

Im Kontakt spüre ich eine starke Verunsicherung. Wie ist was gemeint, der Blick, der Satz, der Witz? Ich brauche es klar, eindeutig, sicher. Kannst du dich neben mich setzen, anstatt gegenüber, damit ich nicht so in deinem Blickfeld bin? Kann er. Zulassen, dass sich jemand auf mich einstellt. Nicht leicht.

Ich rede einfach. Erzähle alles. Schwitze stark. Als ich aufstehe und ins Bad gehe, spüre ich Schwindel und da ist sie, die Angst. Sehr da, sehr spürbar. Nimmt mehr von mir ein. War Reden überhaupt gut?
Zwanghaftes Wiederholen der Frage, welcher Tag heute ist, als würde im inneren immer wieder Orientierung gesucht. Ich weiß es sofort und dann wieder nicht.

Lass uns mal raus gehen, ein bisschen laufen. Bin die ganze Zeit verunsichert, ob der Kontakt mir jetzt gut tut oder nicht. Spüre, dass ich Angst vor ihm habe, aber schiebe es weg. Will mich nicht von ihr steuern lassen. Schwitzen und Schwindel bleiben. Als wir uns trennen, geht sie runter. Das überzeugt mich, dass tatsächlich der Kontakt ebenso getriggert hat. Verdammt. Naja, wieder dazu gelernt.

Ich bekomme meine Gedanken kaum von der Thematik weg. Ich bin getrieben nach der Warum-Frage. Es fällt mir schwer die Symptome ernst zu nehmen und als etwas zu erkennen, was mir sagt, hier erst mal nicht weiter. Ich sollte mich ablenken. Vertiefung ist alleine nicht sinnvoll. Ja okay, ich sehe es ein.

Mit dem Fluss fließen

Es wird draußen dunkel. Ich fühl mich verbunden mit mir und meiner inneren Stimme. Sie sagt raus. Raus, sofort! In den Wald. Irgendwo hinlegen und Wald fühlen, mich fühlen, erden. Nicht irgendwo. Ich weiß an welcher Stelle. Das Verlangen ist wichtiger, als alle Ängste. Da hinlegen wo dich alle sehen? Bist du verrückt? Und außerdem ist es schon spät. Egal. Zielstrebig und zügig mache ich mich los.

Draußen. Oh! Ob es gleich regnet? Wunderbar! Ist mir recht. Im Wald. Es fängt an zu regnen. In Strömen. Hinlegen passt nicht. Hinsetzen. Fühlen wollen. Viel fühlen wollen. Ich suche nach viel fühlen. Ich versuche das Viel-fühlen-wollen loszulassen. Es ist nicht so wie ich es gerne hätte. Ich fühle nicht so viel, wie ich es gerne hätte. Aber ich finde das okay dazu. Ich fühle das was da ist. Im Raum zwischen meinem Körper und den Dingen im Außen. Da bin ich. Das ist okay. Da bleibe ich. Ich lasse die Augen etwas offen, da ich weg bin, wenn ich sie schließe. Der Regen durchnässt mich, trotz Baum über mir. Ein Feld öffnet sich. Ich öffne mich zu einem Feld, größer als mein physischer Körper. Um meinen Kopf herum oder davon ausgehend. Der Körper bleibt fern. Ohne mein Zutun steigt Freude auf. Ich spüre Regentropfen. Alles ist gedämpft. Aber es ist okay. Ich bin voller Freude. Fange an zu lächeln. Ganz von alleine. Fühle ein großes Lachen wollen. Fühle leben und lachen. Fühle ein lachendes Jauchzen aufsteigen. Ich kann es mir noch nicht erlauben. Es ist okay so.

Ich umarme den Baum unter dem ich saß. Bedanke mich. Auch hier komme ich nicht sehr tief in Kontakt mit meinem Herzen, wie sonst zu anderen Zeiten. Es ist okay. Ich laufe nach Hause. Das Lächeln weicht nicht aus meinem Gesicht. Ich bin glücklich, obwohl ich nicht ganz da bin. Laufe durch den Regen. Weiche Pfützen aus. Wieso weiche ich den Pfützen aus? Meine Füße wollen barfuß durchlaufen. Okay. Dann tun wir das jetzt. Ich ziehe die Schuhe und Socken aus. Herrlich. Ich freue mich noch mehr. Ein breites Grinsen. Es ruft in mir: schaut her, ich traue mich, ich genieße, ich lebe. Ich stehe an der großen Kreuzung. Autos halten. Sehen mich. Ich grinse weiter. Die Scham, die Furcht bleiben im Hintergrund. Was tut sie nur? Erfüllt und zufrieden komme ich klatschnass zuhause an. Das hat gut getan!

Puzzleteile und das Ganze

Ein erfahrungsreicher Tag heute. Intensive Prozesse laufen. Puzzleteile fügen sich zu einem Ganzen.

Erfahrungen

Die neue Übung morgens den dritten Tag. Ich habe meinen Weg damit gefunden. Mir versprochen, mindestens 2 Wochen diese Übung für 10 Minuten. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht erhöhen, aus dem Zweifel, dass es zu wenig ist. Nicht unter Druck setzen, mehr machen zu müssen (wie andere es sagen). Mir das erlauben. Mir treu bleiben. So fühlt es sich gut an.

Ich liege heute in dieser Übung, dem schlafenden Tiger. Auf dem Rücken, Beine leicht gebeugt in die Luft gehalten, Hände auf dem Unterbauch und durch den Mund mit „Haaah“ ausatmen. Bewusstsein immer wieder in den Unterbauch lenken. Alles wahrnehmen, nichts sein, nur beobachten. Nicht mit dem Körper identifizieren und dem was sich da tut an Schmerzen, Anspannung, Zittern.

Ich spreche innerlich mit mir. „Meine Beine werden getragen. Ich vertraue.“ Ich versuche in die Atmung und meinen Unterbauch loszulassen. Parallel eine andere Stimme in meinem Kopf, in meinem Körper. Ein Wimmern. „Ich kann das nicht schaffen. Da siehst du? Mein Becken fängt wieder an zu kippen. Meine Muskeln fangen an zu zittern. Ich kann meine Beine nicht mehr halten. Ich kann das nicht! Ich werde das nicht schaffen. Ich glaube nicht daran. Nie und nimmer.“ Dieses Gefühl, diese Worte kommen aus meinem Unterbauch. Es fängt an zu weinen. Ich weine während ich weiter die Beine in die Luft halte (Wahrnehmung am Rande: das Halten geht auf einmal ganz einfach). Dieses Gefühl beinhaltet das gesamte fehlende Vertrauen, den gesamten fehlenden Glauben in mich selbst, über diese Übung hinaus. Es erinnert sich ein Leben lang, an jedes Alter in dem Erinnerungen möglich sind, vom Kindergarten bis heute, dagewesen zu sein. „Ich kann das nicht. Ich kann nichts. Ich werde scheitern.“ In mir ein Kind mit gesenktem Kopf, hängenden Schultern, innerlich weich, ohne Widerstand. Unbeweglich, zusammengefallen, zurückschreckend vor jeder neuen Erfahrung, Herausforderung, Aufgabe. In sich selbst verkriechend, um Schutz zu suchen. Auflösen. Später, auf diese Gefühle bauen andere auf. „Ich bin schlecht, weil ich nichts kann. Ich bin schuld, das ich nichts kann.“ Wie traurig, dass es sich so fühlen muss. Es tut mir leid. Es tut mir weh.

Nach dieser Erfahrung fühle ich mich zwar sehr gerädert, doch auch befreit. Etwas hat zusammen gefunden. Mir fällt die enge Verknüpfung von meinen Gedanken und Gefühlen auf. Gefühle entstehen bei mir oft erst über Gedanken.

Zusammenhänge

Am Nachmittag. Meine Gedanken treiben immer wieder um diese Erfahrung. Suche in meiner Vergangenheit. Wann bin ich an was so massiv gescheitert? Wann musste ich etwas tun, was ich nicht konnte? Wo habe ich das Vertrauen verloren, in mich? Es muss früh gewesen sein. Mir fällt der Unfall ein, mit 2 Jahren.

Ich krame in Notizen meiner Eltern (toll, dass ich so etwas habe). Mit ca. 1,3 Jahren unsicheres Laufen, mit 1,8 Jahren sicheres Laufen. Mit ca. 1,3 Jahren Gewöhnung ans Töpfchen. Dann mit 2,1 Jahren ein Sturz, mit Oberschenkelhalsfraktur. 3 Monate das Becken komplett in Gips, inklusive das ganze rechte Bein und das halbe linke. Nur noch Krabbeln möglich und wieder durchgängig Windeln benutzen.

Dieser wahnsinnige Schmerz vom Sturz? Erzählungen von großer Unsicherheit, als ich nach der Gipsabnahme laufen sollte. Eine neue Ängstlichkeit, von der berichtet wurde, die vorher nicht existierte. Eine Ängstlichkeit meinen Fähigkeiten zu vertrauen? So grundlegend? Es würde passen. Ich spüre weiter nach. Ich soll etwas tun, was ich nicht kann. Laufen? Ein Schmerz der mich aus meinem Körper treibt? An diesem wichtigen Entwicklungsschritt scheitern? Auf eigenen Beinen stehen? Es passt immer noch.

Was machen Kleinkinder mit Schmerzerfahrungen?

Heute. Die Verkrampfung im gesamten Darm. Das Halten im Becken. Das allgemeine schwere Loslassen in meinem Körper. Nicht loslassen können in Lustempfindungen. Das Misstrauen gegenüber Körpergefühlen. Davor zurückschrecken. Rein und gleich wieder raus. Durch diesen Unfall? Mir fällt auch ein Traum mit einem Rollstuhl ein. Ich hätte aufstehen können. Wollte es aber nicht. Wollte sicher bleiben.

Ich habe keine konkrete Erinnerung. Die Verbindungen entstehen gerade im Kopf. Doch es fühlt sich so verdammt stimmig an.

Auswirkungen

Ich versuche, während ich an einer Schachfigur feile, weiter meinen Unterbauch zu fühlen. Und oho, welch Wunder… er ist wirklich fühlbar. Dadurch veränderte sich meine gesamte Haltung und mein Gefühl. Ich arbeite nicht mehr über den Kopf, sondern mit dem Bewusstsein im Körper. Meine Schultern sackten nach unten, entspannten sich (mein Gott, ich wusste gar nicht, dass die die ganze Zeit oben sind). Mein Rücken richtet sich selbstständig auf, in eine gesunde, wohltuende Position. Meine Atmung ging tief. So hat das alles richtig Freude bereitet, wo sonst viel Konzentration und Anspannung war.