Umgang mit Hass und Verachtung

Ja spannend. Sehr, sehr spannend. Ich habe sehr aufregende, neue Dinge zum Thema Hass und Verachtung wahrgenommen.

Ich stelle fest, dass mein Zugang mehr über Empfindungen im Körper läuft und sich darauf aufbauenden Gedanken, als über Wesen/Gottheiten/in Form gebrachte Qualitäten. Die Form irritiert mich jedes Mal und ich müsste sie erst in meiner Vorstellung erschaffen, was sich nach einem Umweg, nach Anstrengung und Trennung anfühlt.

Ich bin also nicht näher in den Begriff/die Gedanken/die Idee von Kali hineingegangen, sondern heute einfach weiter bei meinen Empfindungen in mir geblieben.

Diese Bilder sind trotzdem ein sehr hilfreicher Zugang, um überhaupt mit dem Thema gedanklich in Kontakt zu kommen. Ich wäre ohne sie gar nicht zu dem gekommen, was ich gerade wahrnehme.

Beim hinein spüren, wie sich diese beiden Qualitäten in mir anfühlen, dachte ich ein wenig an meine Vergangenheit und meine Familie. Ich konnte diese Empfindungen irgendwann dann nicht mehr trennen von einzelnen Familienmitgliedern und habe mich gefragt, ob das eigentlich wirklich meine Gefühle sind oder nicht eher die der Anderen und ich habe sie übernommen. Mein ursprüngliches Wesen kam mir viel stimmiger ohne diese Energien vor, als die Wesen einiger Familienmitglieder.

Ich klopfte derweil den Satz: „Ich liebe mich und ich akzeptiere mich, auch mit meinem Hass und meiner Verachtung.“

Dann erinnerte ich mich wieder an Kali, also eher an die Universalität von Gefühlsqualitäten und dass es dann gar nicht nötig ist zu trennen in mein Hass, dein Hass, weil er in jedem ist. Dann habe ich auch so ein globales Gefühl bekommen und der Klopfsatz passte nicht mehr.

Ich änderte ihn um in: „Ich bin voller Liebe, auch für Hass und Verachtung.“ Und damit meinte ich dann die Energie im Allgemeinen, in der Welt existierend anzunehmen.

Das hat alles verändert. Meine Körperenergie hat sich ganz anders bewegt. Es kam mir so vor, als hätte die vorherige Ich-Fixierung, also die Vorstellung, es wäre ausschließlich mein Gefühl, in mir existierend, auf mich beschränkt (ohne Wertung), das Ganze in mir festgehalten oder nur in mir bewegt, mit klarer Trennung zum Außen.

Doch nun fühlte ich wie sich mein ganze Feld öffnete, in alle Richtungen und Energien sich freier bewegten nach oben und nach unten, unterstützt von der nun anderen Vorstellung, der Hass und die Verachtung existieren als universeller Energiestrom der sich nicht nur in mir aufhält, sondern ein Strom zwischen allen (menschlichen?) Lebewesen ist und ich ihn durch mich hindurch lasse. Mein Körper wurde ganz warm, fast heiß und es hat sich sehr entlastend angefühlt, auch ein Gefühl von weit sein und unterstützt sein.

Die alten Gedanken haben sich immer wieder hineingeschoben und mit ihnen auch die Empfindung von Grenzziehung zwischen innen und außen und die Isolierung der Thematik auf mein Ich-Gefühl.

Ich finde das so unglaublich spannend, weil es das direkte Erleben von der Auswirkung der eigenen Vorstellungen war.

Und da fließt auch wunderbar die bisherigen Erfahrungen mit dem Nicht-Ich ein.

Denke ich, die Gefühle die ich habe sind meine Gefühle, dann sperre ich sie förmlich in mir ein, halte sie fest. (Ohne Wertung)

Denke/erfahre ich, die Gefühle die ich spüre, sind Empfindungen die durch meinen Körper laufen, die mir nicht gehören, sondern stattfinden und universell stattfinden, dann lasse ich sie frei und sie können sich in ihrem universellen Netz zwischen allen bewegen.

Das ist groß! So denke ich selten.

Dazu braucht es vielleicht, ein wenig die eigene Geschichte loszulassen. Die Geschichte die die Gefühle an ein Ich bindet. Das ist dort passiert, deshalb fühle ich heute das immer wieder. Vielleicht fühle ich auch ohne Geschichte das immer wieder. Hmmm.. das sind noch unausgegorene Gedanken, mit wenig, bis keinem Erfahrungswert.

Was bleibt, ist der tiefe Eindruck, dass sich durch meine veränderte Vorstellung mein Energiefeld so deutlich und entlastend verändert hat. Da bin ich echt beeindruckt von!

Die Energie von Tod und Zerstörung

Ich habe gestern in einer angeleitet Gruppe über mein Erlebnis mit der… ich nenne es mal Tötungsenergie erzählt, von der gescheiterten Ergotherapie letzte Woche und meinen Überlegungen, wie ich Hass und Verachtung in mir annehmen kann.

Es zeigte sich, dass es Angst und Befürchtungen sind, die die Annahme schwierig machen.

Es vielen die Begriffe Archetypen und Kali – eine indische Gottheit.

Ich habe mich noch nie mit der Idee von Archetypen tiefer befasst, aber es hat mich schon erleichtert, dass sie anscheinend im Hinduismus einen Umgang mit dieser  Energie gefunden haben, so dass es dazu sogar eine Gottheit gibt.

In der Gruppe wurde gesagt, Kali schaffe Klarheit, sie sei wie das Schwert in den Tarot-Karten, welches für den Verstand steht oder so ähnlich.

Das hat erst mal nichts mit dem zu tun, was ich da gefühlt habe. Was haben Hass und Verachtung mit Klarheit durch den Verstand zu tun?

Ich spürte dahinter während der Gruppe noch Schutz, was ich auch erst mal nicht einordnen kann. Was haben Hass und Verachtung mit schützen wollen zu tun?

Heute musste ich dann an Schmerz denken. Schmerz, den mir Andere zugefügt haben, mit ihrem Hass und ihrer Verachtung. Vielleicht habe ich das Messer, das mir Andere in die Magengrube rammten, lieber selbst in die Hände genommen. Vielleicht füge ich mir diesen Schmerz mit meinem Hass und meiner Verachtung lieber selber zu, als diesen Schmerz durch andere zu erfahren. Ist das der Schutz den ich da spürte? Ist das die eigentlich gute Absicht?

Ich habe mich dann getraut mit den Empfindungen von Hass und Verachtung zu klopfen.

Zuerst kamen Tränen des emotionalen Schmerzes. So zu sich zu sein tut weh. Dann wurden die Empfindungen immer mehr zu einem gedanklichen Urteil. Ich sah dieses Urteil wie ein Schwert meinen Kopf spalten. Ein Schwert das mich zerteilte, über mich richtete. Dann spürte ich dieses Richten auch über andere.

Ich glaube, ich mache das (unbewusst/bewusst) sehr oft, über andere richten und über mich selbst richten. Ich laufe mit dem Schwert durch die Gegend und verteile Richtersprüche. Ich spüre tatsächlich öfter Überheblichkeit in meinem Sprechen. Es war mir immer sehr unangenehm und ich versuchte es sein zu lassen.

Das ist doch nicht gut!? war das erste was ich erschrocken dachte. Ich möchte über niemanden urteilen! Ich möchte niemanden verletzen, niemandem weh tun! Wie soll ich solche Gedanken/Empfindungen liebevoll annehmen?

Das zweite was ich dachte, war, dass ich mich an die Archetypnummer erinnerte. Wonach alle Menschen diese Energien in sich tragen, es zum Menschsein dazu gehört und weder schlecht noch gut ist. Damit wäre es sogar normal. Es wäre völlig normal, dass ich verurteilende Gedanken habe.

Dann ist vielleicht die Frage, wie viel Raum ich ihnen zukünftig geben möchte, ohne ihre Existenz zu verleugnen. Sie sind da, aber ich handele nicht danach. Sie sind da, aber ich verurteile sie nicht.

Mal sehen wie es weiter wird…

Tiefer hinein

Seit Tagen purzeln mir sehr schwere Themen ins Bewusstsein und ich habe mir versucht zu erklären, dass das jetzt einfach das abgespaltene Zeugs aus der Funktionieren-Müssen-Phase der letzten Woche ist und damit irgendwann auch zum Ende kommt.

Hmmm… diese Erklärung passt gestern, heute nicht mehr. Und überhaupt, was bedeutet in der Seele, in der Psyche, im Sein schon ein Ende. Kommt mir nicht vor, als könne man das auseinander halten, wo was anfängt und was aufhört. Fängt was an, hat was anderes vielleicht noch gar nicht aufgehört und hört was auf, hat was anderes schon längst angefangen.

Trotzdem der Versuch die Kontrolle zu behalten, sich an der Horizontlinie mit den Augen festkrallen, weil Übersicht verlieren sich wirklich scheiße anfühlt. Weil starke körperliche, psychische Anspannung, Denk-Enge, körperliche Schmerzen, das Gefühl in sich eingesperrt, gefangen zu sein und der Verlust des Gefühl für die Zeit, die Veränderung ankündigt, sich in dem Raum der Ewigkeit einfach Gott verdammt unaushaltbar anfühlt (für mich).

Ich will ein Ende!

Aufgefordert werde ich zu der Einsicht von Machtlosigkeit und Hingabe an das (scheinbar) Unaushaltbare.

Heute dachte ich an Nachtmeerfahrt. So kam es mir vor.

Eine neue Dimension des Hasses und der Verachtung. Ist der tiefste Punkt erreicht?

Ich habe mich mit der Klopfakupressur darauf eingelassen. Ich habe mich sprechen hören, ich habe mich gefühlt, so dass ich danach tief erschrocken, regelrecht entsetzt und überfordert war. So kenne ich mich nicht.

Ich habe Gott sei Dank ein Telefonat führen können, in dem das alles sein konnte und in dem ich Halt fand.

So eiskalte, abgeschnittene, verhöhnende, gefühllose, verachtende, hassende Worte. So kalt, dass mir klar wurde, dass sind Worte die einen Menschen töten können. Jetzt wo ich das Schreibe, fällt mir die Doppeldeutigkeit auf. Töten im Inneren, ja. Das auch. Aber in diesem Moment fühlte ich die Kälte, die es möglich macht, auch im Außen Menschen zu töten.

Und dieses Gefühl ist in mir! Ein echter Schock!

Ich habe diese dunkle Gefühlsqualität in mir, die die Welt auch zu einem so schmerzhaften Ort macht, neben all dem Schönen, dass es auch gibt.

Mir kommt es vor, als würde ich die Polaritäten des Lebens in mir selbst erfahren, durchleben (vielleicht damit auch integrieren?).

Ich hoffe in brünstig, dass nie ein Mensch mit meiner dunklen Seite in Kontakt kommen muss. Sie ist grausam und tut sehr weh.

Ich weiß nicht. Vielleicht ist das eines meiner zentralen Lebensthemen, diese Gegensätze in mir zu vereinbaren.

Ich bin froh, dass ich vor ein paar Tagen wieder in dem Buch „Licht-Heilung“, von B. Ann Brennan gelesen habe. Sie schreibt dort über den Selbsthass und geht davon aus, dass er sehr verbreitet ist, jedoch nicht immer bewusst.

Das hat mich beruhigt und darin bestärkt, mich damit wieder als ’normal‘ einzustufen, nur mit der Heraushebung, dass mein Leben mir diese Dinge sehr, sehr stark ins Bewusstsein drückt. Ich kann es nicht verdrängen!

Sie erklärt kurz und verständlich die Entstehung von Selbsthass auf der psychologischen Ebene und der spirituellen Ebene und schildert ihre feinstofflichen Erfahrungen, wie die Auraschichten sich heilsam verändern, wenn man diese Gefühle zulässt. (Kapitel 11)

Das hat mir Mut gemacht, mich weiter darauf einzulassen.

Da standen für mich noch mehr sehr hilfreicher Erläuterungen drin, die ich super ins Klopfen mitnehmen konnte. Ein sehr heilsames Buch. Ich würde am liebsten noch mehr Infos daraus teilen, aber es sprengt den Rahmen.

 

Die nackte Wahrheit…

… für heute und jetzt.

Schlechte Aufnahme. Laute Straße im Hintergrund. War auch so nicht geplant.

 

Über die Klopfakupressur habe ich es klar bekommen, dass meine Selbstverachtung wieder extrem präsent ist.

Diesmal haben die Selbstannahmesätze nichts gebracht.

Ich fing an mit: Auch wenn ich mich verachte, weil ich an so Kleinigkeiten scheitere, liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz und ich bin okay so. (geht um momentane Alltagshürden)

Aber von wegen, okay. Nichts war mit okay-fühlen, also klopfte ich: Auch wenn ich nicht glaube, dass meine Verachtung okay ist, liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz und ich bin okay so.

Auch das konnte ich nicht fühlen. So ging es weiter mit: Auch wenn ich nicht glaube, dass ich okay bin, liebe und akzeptiere ich mich voll und ganz und ich bin okay so.

So habe ich es dann einfach stehen gelassen. Die große emotionale Welle war durch und ich ließ es dabei, mich scheiße zu fühlen und versuchte mich konkreten Dingen zuzuwenden.

Autoaggressions-Schau

Autoaggressive Impulse gehören für mich immer noch zur Oberliga der meditativen Innenschau.

Einmal zuzulassen, dass da diese Bilder sind. Bilder, wie ich mir den Arm längs aufschneide, immer wieder, immer wieder. Oder wie ich mir ein Messer mehrmals in meinen Oberkörper steche.

Hinschauen. Diese Bilder zulassen und anschauen.

Zuzulassen, welche Gefühle mit diesen Bildern verbunden sind. Tiefe Verachtung, Hass oder Wut. Auch Schmerz. Selbstzerstörungswünsche. Bestrafungsgedanken.

Zu akzeptieren, dass das auch ich bin, dass das auch zu mir gehört. Raum geben, für diese Empfindungen, sie da sein lassen. Und dann auch noch liebevoll annehmen, sie ins Herz lassen und mitfühlendes Verständnis haben.

Und das alles, ohne zu handeln.

Der Gewalt an mir selbst zuschauen, sie zulassen (im Innen) und auch noch lieben. Das ist eine unglaubliche Leistung!

Gelingt mir nicht oft. Diese Gewalt an mir selbst, sie erschrickt mich enorm. Ich will sie nicht. Ich verbiete sie. Sie macht mir Angst. Ich schiebe sie meistens weg.

Die zwei, drei seltenen Momente wo es zu einer Vereinigung kam, so dass diese Anteile sich mit dem liebevollen Blick von mir verschmolzen, haben immer zu einer Veränderung geführt. Sie sind in ihrer Härte zusammen gefallen, wurden kleiner und verletzlich und weinten meist bitterlich vor seelischem Schmerz.

Schattenanteile II

Es scheint Paradox. Einerseits hole ich mir Unterstützung im Außen, was ein Bild der Selbstfürsorge entstehen lässt. Andererseits hole ich mir keine Unterstützung und lasse mich mit mir alleine. Beides gibt es und für beides liegt die gleiche Ausgangssituation vor – innere Not die einen Konflikt auslöst, und zwar, dass Diese nicht nach außen gezeigt werden will.

In diesem inneren Konflikt verbirgt sich meine Selbstablehnung, mein Selbsthass.
(Es ist schwer für mich darüber zu schreiben. Es zu sortieren. Hinein zu spüren. Das merke ich an der Länge der Nachdenkzeiten und dass ich dabei meine Fingernägel malträtiere.)

Welche Erfahrungen habe ich mit Schmerzen, mit emotionalen oder körperlichen Verletzungen in meiner Kindheit gemacht? Wie wurde auf Not reagiert? Das ist die Geburtsstunde meines heutigen Umgangs damit.
Zu oft erlebte ich ärgerliche Reaktionen, Wut, Vorwürfe, fehlende Anteilnahme, Ungeduld, fehlender Trost, Genervtheit. Ich lernte, meine Not will niemand haben, sie ist hinderlich und ich bin an der Entstehung selbst schuld.

An welcher Stelle entsteht nun die eigene Ablehnung? Das komplizierte, hier den Ursprung zu fühlen, ist, dass die Selbstablehnung eine Folgereaktion auf ein vorangegangenes Gefühl ist.
Emotionaler Schmerz.
Und zwar nicht der Schmerz, der die Not erst hervorgerufen hat, sondern der Schmerz, der entsteht, wenn die Not abgewiesen wird. Um dieses überdimensionale, schreckliche, grauenvolle Gefühl nicht fühlen zu müssen, wird es innerlich abgelehnt und dadaaa, der Deserteur ist geboren. Ein Schutzversuch.

Deshalb steigerte sich mein Selbsthass, als ich versuchte jemanden anzurufen. Die Gefahr, keine Hilfe zu erhalten und der darin liegende Schmerz wurden damit (scheinbar) abgewendet.
Das ist das Dilemma, das ist der Konflikt, dem ich immer wieder ausgesetzt bin. Das ist der Grund, warum ich schwierige Zeiten so lange wie möglich alleine bewältige, mich eher zurückziehe und in diesen Zeiten Menschen als bedrohlich erlebe.

Ich erinnere mich an etwas, was meine Mutter mir von damals berichtete. Sie habe ärgerlich reagiert, wenn die Schule sie anrief, weil jemand von uns (mein Bruder oder ich) krank war und abgeholt werden musste, weil sie dafür ihre Arbeit liegen lassen musste. Arbeit war wichtiger, als ihre Kinder. Autsch!

Nur wenn die Not länger währt und akut ist, entsteht eine andere Bewegung. Ich beschrieb das einmal mit dem Begriff „Kümmer-Autopilot“. Dieses Wort beschreibt genau was passiert. Auch hier vermeide ich die Gefahr des Schmerzes bei Zurückweisung, in dem ich mich von meiner Not innerlich abspalte. Ich kann dann noch sagen, dass ich Hilfe brauche, aber nicht mehr warum und wobei und trete dabei meist gesammelt und gefasst auf. Die ursprüngliche Wunde ist nicht zu greifen und so für andere ebenfalls nicht sichtbar. Ich bin mit Handeln beschäftigt und weg vom Fühlen.

Insgesamt eine ganz schön fiese Situation.

So wird auch etwas nachvollziehbarer, warum ich manchmal mit Verachtung auf Menschen reagiere, die sich nicht selbst um sich kümmern, die ‚schwach‘ sind und die Verantwortung abgeben. Der Deserteur reagiert: Wie können sie sich einem anderen so ausliefern, mit der Gefahr der Zurückweisung?

Zusammengefasst: Selbstablehnung = Angst vor emotionalem Schmerz

Auslösersuche

Heute Morgen. Aufstehen. Alles ist anders. Nach fünf Tagen Symptomfreiheit, verbunden mit viel Freude am Leben, Bewegung, Energie, alles Schaffen.
Heute Morgen ist es sehr ernst in mir. Seeehr ernst. Besorgt, fühlt es sich an. Sehr in Gedanken. Denken und denken und denken. Und müde, antriebslos.

Was ist passiert? Was ist los?

Ich erinnere mich an meinen Traum vor dem Aufwachen. Ein männliches Wesen, vorne Mensch übergehend nach hinten in einen Skorpion. Riesiger Stachel, erhoben zum Angriff. Schwarz. Bedrohlich. Der Mensch selbst weiß nichts von seinem verwandelten Hinterteil. Treffe mit anderen Menschen in einer Halle Vorkehrungen, um einen Angriff abzuwehren, wenn er kommt. Ich halte ein Feuerzeug in der Hand, um im richtigen Moment eine Flamme zur Verteidigung zu entzünden. Das Feuerzeug fällt auseinander. Ich suche weitere in meinen Taschen. Ich fühle mich nicht ausreichend vorbereitet, um mich schützen oder wehren zu können.

Mir ist sofort klar, dass der Traum sich auf die Frau von gestern bezieht. Ich kenne sie nicht. Habe sie in einer Gruppe sprechen hören. Nach vorne freundlich, habe ich hinten herum in mir Angst gespürt. Sie machte mir Angst. Ich fürchtete mich vor ihr. Vor einem Angriff, vor meiner Vernichtung. Mit Worten zerstören. Mit Worten Verachtung ausdrücken. Es gab keinen Austausch zwischen uns, aber zwei kleine Situationen, in denen sie auf jemand anderes reagiert, reichten aus, um Angst zu erzeugen. So schnell geht das. Ich habe mich mit der Wahrnehmung nicht weiter beschäftigt. Doch das muss ich wohl, wenn es so starke Auswirkungen hat.

Der Traum. Dort ist es männlich, das Wesen. Mein Vater. Ich spüre den Zusammenhang. Verachtung kenne ich von meinem Vater. Mit Worten vernichten können, kenne ich von meinem Vater. Sein Sternzeichen ist Skorpion. Ich verstehe nur die Angst nicht. Ich finde keinen erlebten, gefühlten, erinnerten Zusammenhang.

Heute dann das Gutachtergespräch beim Sozialpsychiatrischen Dienst, für den Antrag auf Einzelfallhilfe. Ich werde wieder nach Traumata gefragt. Ich werde nicht sehr konkret. Da ist ja auch nicht viel konkret. Aber erzähle schon von Symptomen, einzelnen Triggerbeispiele, Vermutungen aus der Kindheit. Ich kann sehr leicht darüber sprechen. Alles fühlt sich okay an.

Dann bin ich wieder zu Hause. Und es ist doch nicht so okay. Der Dunst ist stärker geworden, in dem ich verschwinde. Kraftlosigkeit. Apathisches Dasitzen, sich nicht aufraffen können und immer wieder kreisende Gedanken um die Frau, um den Traum, um Gefühle von Vernichtung.

Ein Freund ruft an, kommt vorbei. Auch da habe ich ein verändertes Gefühl, obwohl mir sehr nach Entlastungsgespräch ist. Ich habe Angst vor Nähe. Ich habe auch wieder Angst vor der Welt da draußen. Ich fühle mich verletzlich, wie eine offene Wunde.

Im Kontakt spüre ich eine starke Verunsicherung. Wie ist was gemeint, der Blick, der Satz, der Witz? Ich brauche es klar, eindeutig, sicher. Kannst du dich neben mich setzen, anstatt gegenüber, damit ich nicht so in deinem Blickfeld bin? Kann er. Zulassen, dass sich jemand auf mich einstellt. Nicht leicht.

Ich rede einfach. Erzähle alles. Schwitze stark. Als ich aufstehe und ins Bad gehe, spüre ich Schwindel und da ist sie, die Angst. Sehr da, sehr spürbar. Nimmt mehr von mir ein. War Reden überhaupt gut?
Zwanghaftes Wiederholen der Frage, welcher Tag heute ist, als würde im inneren immer wieder Orientierung gesucht. Ich weiß es sofort und dann wieder nicht.

Lass uns mal raus gehen, ein bisschen laufen. Bin die ganze Zeit verunsichert, ob der Kontakt mir jetzt gut tut oder nicht. Spüre, dass ich Angst vor ihm habe, aber schiebe es weg. Will mich nicht von ihr steuern lassen. Schwitzen und Schwindel bleiben. Als wir uns trennen, geht sie runter. Das überzeugt mich, dass tatsächlich der Kontakt ebenso getriggert hat. Verdammt. Naja, wieder dazu gelernt.

Ich bekomme meine Gedanken kaum von der Thematik weg. Ich bin getrieben nach der Warum-Frage. Es fällt mir schwer die Symptome ernst zu nehmen und als etwas zu erkennen, was mir sagt, hier erst mal nicht weiter. Ich sollte mich ablenken. Vertiefung ist alleine nicht sinnvoll. Ja okay, ich sehe es ein.