Wie die Dinge manchmal laufen oder ein klassischer Fall von Sucht

Wenn man es besser weiß und sich trotzdem nicht anders verhalten kann. Eines greift ins andere. Ein Dominoeffekt.

Ein kurzer Moment reicht aus. Ein kleiner Spalt in der Tür und was sich erst wie ein frischer Luftzug anfühlt, wird zu einem kräftigen Durchzug, bei dem man all seine Kraft braucht, um die Tür wieder zu zubekommen.

Ein schmerzvoller Abend und gleichzeitig Werbung für psychedelische Pilze im E-Mailpostfach. Der erste Klick auf die Seite und schon schnappt die Suchtfalle zu. Der Blick verengt sich. Es wird nicht mehr nachgedacht, nicht links und rechts geschaut, nur noch gehandelt. Weitere Klicks folgen, Produkte in den Warenkorb gepackt. Weitere Handlungen folgen, Bedingungen werden in Kauf genommen, die man sonst nie eingehen würde. Auch ein klassisches Merkmal von Suchtstrukturen. Es wird mehr bestellt als nötig, um den Mindestbestellwert zu erreichen. Unklare Legalität wird in Kauf genommen und ein Entdeckt werden durch den Zoll. Einem Online-Banking-Verfahren für Auslandsüberweisungen wird zugestimmt, obwohl man gar nicht versteht, für was genau man da eigentlich zustimmt. Hauptsache der Deal läuft.

Einen Tag später habe ich tatsächlich erst einmal völlig vergessen, was ich da am Vorabend getan habe. Dann fällt es mir wieder ein und ich erkenne selbst, wie süchtig ich mich verhalten habe, wie untypisch risikobereit. Ich spreche mit einer Freundin darüber, kann herzlich über meine Beklopptheit lachen und find gleichzeitig so einen Pilzkonsum ja auch gar nicht so schlimm. Ambivalenz. Ein weiterer Klassiker von Suchtstrukturen.

Tagelang geht es hin und her. Mal ganz realistisch die Fakten betrachtend – ich bin psychisch nicht stabil, nehme Psychopharmaka, neige zu Dissoziationen – wonach von einem Konsum absolut abzuraten ist und ich das auch okay finde und dann wieder Tunnelblickartig verharmlosend sich auf den Konsum zu freuen.

Ich hab dann irgendwie gehofft, dass der Zoll das Zeug einfach abfängt und es gar nicht bei mir ankommt. Oder ein weiterer Plan war, dass ich das Zeug einfach in den Keller packe und vergesse, bis ein passender Moment dafür kommt. Suchtstruktur hallo! Man glaubt, man könne den Konsum kontrollieren. Kann man aber nicht, sonst wäre man nicht süchtig. Und ganz bestimmt hätte ich nicht vergessen können, dass da zwei Päckchen Pilze in meinem Keller liegen und ich einfach nur die Treppe nach unten gehen brauche, um sie zu holen.

Nach dem letzten Gespräch mit Frau Helferin, in dem ich ihr davon berichte und sie mir ein Versprechen abringt, nicht während ihres Urlaubes zu konsumieren, ist auch schon am nächsten Tag die Post angekommen.

Nur schon beim Blick in den Briefkasten, auf den Umschlag, wird mir bewusst wie stark die Sogwirkung ist und ich schließe ihn sofort wieder. Mein erster Gedanke ist, um Gottes willen, ich darf den Brief gar nicht mit hoch nehmen, aufmachen und am besten muss der gleich weg zu irgendjemand anderes in den Keller. Mich schützen, aber es trotzdem verfügbar halten.

Ich versuche jemanden telefonisch zu erreichen, bei dem ich es lagern kann. Erreiche aber niemanden, so dass ich abends nach Hause komme und ganz selbstverständlich den Briefkasten öffne und den Umschlag mit hoch nehme. Man ist ja auch neugierig, wie es so aussieht und schon ist es auch alles gar nicht mehr so schlimm und man merkt gar nicht, wie sehr die Aufmerksamkeit um die Droge kreist, was ein weiteres Merkmal für Sucht ist.

Ich stelle also fest, dass die Pilze frisch sind und nicht lange gelagert werden können, ohne zu schimmeln. Ich fange an im Internet zu lesen, über Lagerung, Trocknung, Verhaltensregeln bei Konsum usw. usf.. Die Ambivalenz ist stetig vorhanden. Aktuell zu konsumieren wäre dumm und gleichzeitig nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau halten. Das Versprechen an Frau Helferin hat überhaupt keine Bedeutung. Und den Gedanken zuzulassen, dass ich es einfach ganz lassen sollte, alles wegschmeißen, ist überhaupt nicht möglich.

Ich entscheide mich für das Trocknen. Viel innere Aufmerksamkeit ist in das Thema geflossen. Jeden Tag bin ich damit beschäftigt. Es wird an den Bedingungen für die Trocknung gebastelt. Es ist spannend. 4 Tage sind vergangen.

Der 5te Tag. Ich bin in der Kontakt- und Beratungsstelle zu Kaffee und Kuchen. Im Geist wäge ich einen heutigen Konsum ab. Meine Stimmung ist gut. Das reicht mir aus. Das es dann spät wird und ich am nächsten Tag wieder früh aufstehen muss und arbeiten gehe, ist unrelevant. Ich rechne herum und bin unentschlossen. Esse ich jetzt hier den Kuchen mit, muss ich länger bis zur Einnahme warten, damit der Magen leer ist. Vernunftgedanken gibt es auch noch, die immer mal wieder einschieben, ach lass es sein, muss ja heute auch nicht sein.

Hat trotzdem nichts gebracht. Abends nehme ich eine Minimaldosis, die ich mir als Testung verkaufe.

Der Preis für ein paar Stunden seichtest Verliebtheits- und Innigkeitsgefühl mit der Welt ist hoch. Unangenehme Hungerzeit. Unangenehme Kopfempfindungen, auch noch den ganzen nächsten Tag, wegen der Wechselwirkung mit den Medikamenten. Ewig lange nicht einschlafen können. Kreislaufschwäche. Am nächsten Tag in ziemlich mieser Stimmung und schlechter körperlicher/geistiger Verfassung, erst nicht aus dem Bett kommen. Die Arbeit nur zur Hälfte schaffen. Ein schlechtes Gewissen, bis Reuegefühle. Unterschwellige Aggression. Anspannung auf Grund des Verheimlichens.

Doch all das reicht immer noch nicht aus, meinen Umgang damit zu verändern.

Ich mache mich im Vertretungsgespräch auf. Komme dort zumindest schon zu dem Entschluss, zu versuchen, dass noch verschlossene Päckchen loszuwerden, jemandem zu schenken oder so und den Rest vom offenen Päckchen zu trocknen. Auf einen weiteren Konsum hab ich in dem Moment überhaupt keine Lust.

Am Ende des Gespräches habe ich ein ganz mieses Gefühl zu gehen. Ich bin so wenig im Kontakt gewesen, dass es mir so vorkommt, als hätte dieser Termin gar nicht stattgefunden. Mein Vertretungsgegenüber war meist in einer zuhörenden Position, so dass ich ihn kaum spüren konnte. Ich teile ihm das mit, dass mir ein zugehen auf mich, aktiv teilnehmen, helfen würde, mehr den Kontakt zu spüren. Dann kam es zu einer schmerzhaften Situation, weil seine Antwort darauf, von kindlichen Anteilen anders bewertet wurde, als wie es gemeint war. Er war sehr ehrlich und sagte mir, warum er sich heute so zurück gehalten hat. Einmal, weil er mich nicht überlasten wollte, so im ersten Kontakt, in einer Vertretungssituation und zum zweiten, weil er an den Konsum von Gestern dachte und das Gefühl hatte, dass das dann nicht so viel bringt. Autsch! Das tat weh. Bei mir kam an, alles was ich erzählt habe, womit ich mich offenbarte, hat nichts gebracht, hat keine Bedeutung, hätte man auch sein lassen können. Ich war nicht von Bedeutung, in dem Zustand wie ich da war!

Ich konnte das noch zurückmelden und habe auch die eigentliche Aussage verstanden. Trotzdem lief das Gefühlte in mir weiter, so dass ich auf dem Weg nach Hause im Bus saß und mich plötzlich in alles einnehmenden Wertlosigkeitsgefühlen wiederfand, die mit der eh insgesamt schlechten Verfassung zusammenflossen. Ein Konsum öffnet die Tür zum nächsten Konsum. Ich wollte mich wegschießen. Überlegte, dass ich einfach alle Termine am nächsten Tag und auch am übernächsten Tag cancel und mich in den Rausch zurückziehe. Alles wurde mir scheißegal.

Gott sei Dank wurde mir diese Zuspitzung dort im Bus bewusst und zum ersten Mal wurde mir klar, ich komme da nur wieder raus, wenn ich das Zeug sofort vernichte. Die Vorstellung tat weh! Meine Güte, wie tief war ich schon in der Abhängigkeit verstrickt.

Alleine brachte ich es nicht übers Herz, alles ins Klo zu werfen. Ich rief noch mal Herrn Helfer an, mit reichlich inneren Widerständen und bat ihn mich telefonisch zu begleiten.

Schluss! Aus! Vorbei! Weg war es. Ich legte auf und brach auf der Toilette sitzend in Tränen aus. Es fühlte sich schrecklich an, als hätte man mir etwas Lebenswichtiges weggenommen.

So funktioniert Sucht.

Boarhhh, ich bin froh, dass dieses Kapitel ein Ende hat.

ein piep

sehr viel. viel. von allem. trauer. wut. schmerz. bedürftigkeit. sehnen. wollen. verlangen. fordern. zurückweisung. schmerz. verstehen. weinen. körper. sanftmut. liebe. fühlen. nähe. verlassen. verloren. alleine. weinen. schreien. stampfen. um mich schlagen. nicht akzeptieren. akzeptieren. ablehnen. annehmen. verlieren. finden. suchen. nichts finden. schlafen. weinen. treiben. wasser. zusammenrollen. verschwinden. schuld. liebe. loslassen. sinnlos. frei werden. freifühlen. frei von fühlen. herausfühlen. durchfühlen. gefühllos. usw.

Liebe oder vom Urgrund

Heute ist so ein Tag, an dem ich allzu deutlich spüre, dass meine zeitweilige Selbstsicherheit, mein Selbstvertrauen, so fest es sich auch anfühlen mag, ein Gerüst ist, was sich nur durch sich selbst hält und nicht aufgrund einer Verankerung mit dem festen Boden. Eine Böe und es klappt in sich zusammen.

So ein Tag, an dem mir die Tränen laufen, mit der Frage, habe ich in einem Jahr nichts erreicht? Stehe ich genau dort, wo ich auch letztes Jahr stand? Das kommt hoch, als ich auf dem Friedhof bin, in dem ich letztes Jahr ehrenamtlich gearbeitet hatte und überlege, ob ich wieder fragen soll, hier mithelfen zu können. Das Gefühl der Größe, der Stärke, das Gefühl etwas Besseres zu sein, zu etwas Besonderem bestimmt zu sein, fällt in sich zusammen und lässt mich wieder mal einen Blick auf meinen wirklichen Selbstwert werfen. Ich tue mir selbst weh, in dem ich mich für nichts und unfähig halte. Zu mehr bist du nicht fähig. Mehr hast du nicht drauf, als hier so niedere Tätigkeiten zu machen. Mich überraschen diese starken Gefühle. Mir war nicht bewusst, dass ich mich während ich hier damals arbeitete, die ganze Zeit als etwas Besseres gefühlt hatte, gegenüber den anderen Beschäftigten. Und nun bin ich wieder hier und denke, ich bin doch nichts Besseres, ich bin gescheitert, komme wieder angekrochen. Wie mitleiderregend.

Trotz der Bewusstheit von all diesem und dem Versuch mir meinen Wert zu versichern, egal was ich arbeite und wie oft ich irgendwo wieder auftauche, fühle ich mich klein und verloren. Ein klassischer Trigger im Außen, um meine Selbstabwertung aufs Tablett zu holen und mir meiner Überheblichkeit bewusst zu werden.

Das Verlangen nach irgendetwas ist enorm. Konditioniert klappere ich geistig Konsumgüter ab, ohne befriedigenden Erfolg. Ich erinnere mich, dass ich hinter dem letzen Verlangen, das Bedürfnis nach Verbindung gefunden hatte. Da ist es wieder, das Urbedürfnis nach Versicherung, nach Selbstversicherung. Bin ich richtig? Bin ich geliebt? Darf ich sein? Der Urgrund des menschlichen Seins. Wie soll ich es mir selbst geben, diese Versicherung? Wie soll auf der Basis des eigenen fehlenden Urgrundes, sich selbst haltende Verbindung entstehen. Wie will man ein Haus bauen, ohne Boden.

Diese Gedanken rattern durch mein Hirn, auf dem Fahrrad Richtung nach Hause. Und ich rufe, flehe innerlich Richtung Himmel, weil mir gar nichts anderes übrig bleibt, weil mir niemand anderes einfällt, der für diese Frage verantwortlich sein könnte: „Liebst du mich Leben?“
Zack… das geht ins Herz. Jetzt hier auch beim Schreiben. Weil ich ein JA fühle. Kein inneres JA, das aus einer Liebe zu mir selbst entsteht, sondern ein JA, welches von außen kommt. Das mich genau in diesem Moment mit all meinen schlechten Gefühlen und Gedanken liebt. Auch mein kleines, unfähiges und gescheitertes Fühlen. Auch mein Schwachsein. Kein Urteil, keine Bedingungen. Ich hätte auf meinem Fahrrad fast einen Heulanfall bekommen und versuchte so viel wie ich zulassen konnte, von diesem Gefühl aufzusaugen.

ICH WERDE BEDINGUNGSLOS GELIEBT! IMMER! Und ich kann darauf zugreifen. IMMER!

Und das ist nicht von einem Menschen abhängig, bei dem die ‚Gefahr‘ besteht, dass er wieder damit aufhört, aus welchen Gründen auch immer. Persönliche Befindlichkeiten, Abwesenheit, Tod usw..

Sich Linderung erschreiben

Es ist keine Unruhe. Es ist Verlangen. Unbefriedigtes Verlangen, das unruhig macht. Unerkannt drängt es mich in mühsamen Aktionismus. Nicht, weil die Motivation da ist. Nicht, weil die Kraft da ist. Weil Stillhalten nicht auszuhalten scheint.

Ich bin so müde. Will gerne stillhalten. Hinlegen. Schlafen.

Etwas reißt mich immer wieder raus, kurz bevor…. Ein Klingeln an der Tür. Ein Klingeln des Telefons. Danach wieder Unruhe. Müde Unruhe.

Alles Geplante halbabwesend erledigt. Ich kann nicht mehr. Mehr Pseudobeschäftigung geht nicht.

Aus Ermangelung von Alternativen stelle ich mich mir selbst, schaue nach innen, so gut es mit Halbanwesenheit geht.

Liegend auf der Couch, frage ich still in die Unruhe in meinen Körper hinein. „Was soll ich damit anfangen?“

Nutze sie!

Puhhh… „Wofür?“

Schreiben.

Hmmm, ja… die Worte drängen in der letzten Woche nur so aus mir heraus. Ist mir schon aufgefallen. Meine Art der Verarbeitung, wenn weniger Gespräche im Außen möglich sind. „Über was soll ich schreiben?“

Yoga. Reiki?

Keine hilfreichen Impulse. Damit kann ich nichts anfangen. Ist mir nicht nach.

Am Küchentisch. Lustlos, ziellos überlasse ich mich der Idee des Schreibens. Stift und Zettel liegen vor mir. Vielleicht ergibt sich was, wenn ich hier sitze. Ich schreibe einfach ganz ohne Plan und Logik alles auf was kommt.                Erster Gedanke: Ohnmacht macht mich wütend.                Und das war es dann auch. Leere. Körper. Raum. Müüüde.

Schaue das RedBull neben mir an.                Es bringt nichts. Es kickt nicht, wie erhofft. Irgendetwas fehlt. Lande gedanklich wieder bei der Unruhe und finde dahinter ein Verlangen. Unbefriedigtes Verlangen. Getriebenes Suchen.          Nach was?

Ich mag da nicht weiter fühlen. Ich mag da nicht weiter fühlen! Ich mag mich nicht schon wieder schlecht fühlen. Ich mag nicht wieder weinen. Nicht in dieser momentanen Zeit. Nicht auseinanderfallen. Ich muss diese Wochen alleine so gut es geht unbeschadet überstehen.

(Einsamkeit… Alleine… Nicht zu befriedigendes Verlangen nach jemandem. Den ganzen Tag Impulse nach Gesellschaft zurückdrängen. Kontakt nicht vorstellbar. Nie nah genug. Nie wie ich es bräuchte. Verschmolzen. Verlangen würde nur schmerzhaft verstärkt werden. Lieber alleine bleiben.)

Kommunikation.
Engelkarte von heute Morgen für den Tag: „Kommunikation und Kunst“.
Später eine Zeile in einem Buch von Sabrina Fox: „Kommunikation und Kunst“. Schon wieder!

Kontakt herstellen. Kommunizieren. Doch versuchen? Widerstände quälen.
Andere nicht belasten wollen. Von anderen nicht abhängig sein wollen. Anderen nicht zeigen, dass ich gerade etwas brauche.

Es siegt der Wille zur Selbstfürsorge, zur Linderung. Gesellschaft täte gut und sei es gemeinsam einen Film zu schauen. Indirektes Zusammensein. Das würde gehen.

Ein sehr offenes Telefonat folgt. Es tut gut!
Stimme hören. Zuhören. Selber sprechen. In Verbindung sein. Ängste aussprechen. Widerstände zeigen. Bedürftigkeit zeigen. Schwächen zeigen. Stärken sehen. Not teilen. Mitgefühl und Verständnis bekommen.
Ein Treffen kommt nicht zustande. Doch dieses Gespräch hat schon so gelindert. Unerwartet.

Da ist ein leerer Ort in meiner Brust

Momentan ist es nicht leicht. Schon länger nicht. Und immer wieder anders nicht leicht, mit anderen schweren Themen im Hintergrund, die sich die Türklinke reichen. Es ist okay, aber es ist schwer. Ich versuche jeden dieser Momente zu nutzen, um nachzuspüren, um bei mir zu bleiben, den Raum zu öffnen, dass alles sein darf was sich zeigen will. Doch es ist schwer. Ich laufe auch Irrwege. Ich verlasse mich auch. Es ist schwierig zu fühlen, was man braucht, wenn man sich selbst gefühlsmäßig schwer verorten kann.
Seit fast einer Woche schwebend. Zweigeteilt. Weg und da. Losgelöst. Schwebend zwischen Himmel und Erde. Der Körper funktioniert. Das Funktionieren funktioniert. Aber viel von mir ist nicht da. Oder ist da, aber nicht hier, sondern woanders. Wo ist das? Ein regelfreier Raum. Ein kontrollfreier Raum. Ein bodenloser Raum. Ich habe Alkohol getrunken in diesem Raum, in dem Glauben mir damit näher zu kommen. In dem Glauben, in diesen Raum damit Trost fließen lassen zu können. Erst die Wirkung ließ mich erkennen, dass ich anstatt zu mir, von mir weg kam. Erst da sah ich, dass ich mir so nah war wie näher nicht ging. Nah bedeutete die Leere zu spüren. Die Leere in mir. Die Unverbundenheit zum Leben. Ich stand am Bahnhofsgeländer. Lehnte mich an, den Blick in die Tiefe und stellte mir vor, wie es wäre zu fallen. Einfach loslassen. Frei schweben. Ungehalten. Ein Blick in meine Gefühlswelt.
Heute Morgen wache ich auf. Und wieder dieses wahnsinnige Verlangen etwas zu konsumieren. Etwas in diesen Raum in mir zu füllen. Wieder die Herausforderung nachzuspüren. Wo ist dieser Raum? Wie fühlt er sich an? Was fehlt ihm? Ein leerer Ort in meiner Brust. Da bin ich alleine. Da bin ich niemand mehr. Da bin ich verloren, haltlos. Da soll etwas hin, was es lindert, was es hält, was es tröstet.
Es scheint der Ursprung meiner Suchterkrankung zu sein. Die Suche nach der Linderung der Leerheit, der Haltlosigkeit. Die Suche nach einem haltenden Rahmen. Etwas was es umschließt und trägt, damit ich mich nicht mehr so verloren fühle. Ich komme immer wieder auf Trost. Mich trösten lassen. Nie von außen erhalten. Darauf angewiesen, es selbst zu tun. Wie kann ein Kind sich selbst trösten? Deshalb vielleicht das sehr lange Daumenlutschen, was mit sieben Jahren überging ins Nägelkauen und bis heute anhält. Deshalb vielleicht der Drogenkonsum.
Es ist so anstrengend. Das Nachspüren. Das Fühlen. Oder auch Nichtfühlen. Das Verlangen aushalten. Schlafe sofort nach dem Frühstück wieder ein. Außen existiert kaum, kann ich kaum wahrnehmen. Versuche mir Trost und Spüren auf andere, angemessene Art zu geben. Essen, schmecken, Duftbad, Rückzug gewähren, Mütze auf dem Kopf für das Sicherheitsgefühl, Daumen in den Mund, ein kleiner Spaziergang. Und immer wieder zulassen, dass es im Moment so ist wie es ist. Nicht dagegen ankämpfen. Hab ich schon gesagt, dass es anstrengend ist?

Meine Phantasie betrügt mich!

Mir ist schlecht. Und warum? Weil ich ein 216 g-Stück Sahnetorte gegessen habe. Ich hatte so eine Lust darauf. Nachts auch von geträumt. Und dann steh ich beim Bäcker und kann nicht anders als mir zwei Stücken dieser riesigen Torte zu kaufen. Man merke – zwei Stücken, nicht eins. Die Gier hat sich meiner bemächtigt und jeden Funken Verstand in die Flucht geschlagen.

Zu Hause setze ich mich voller Vorfreude an den Tisch und schlage zu. Die ersten Bissen sind genau das was ich erwartet habe – einfach wahnsinnig lecker. Und dann, lass mich lügen, vielleicht schon ab der vierten Gabel, reicht es mir eigentlich und der Genuss ist vorbei. Doch ich kann trotzdem nicht aufhören und zwing mir doch tatsächlich das ganze Stück rein. Vielleicht weil ich einerseits die Enttäuschung nicht wahr haben wollte, dass das Vergnügen so schnell vorbei war und anderseits die Alles-hat-Konsequenzen-Stimme in meinem Kopf, die sagt, du hast das so gewollt, also bring das nun auch zu Ende. Schön blöd. Wenn ich nur an das zweite Stück denke, was noch in der Küche steht, wird mir übel. Eigentlich muss ich das nicht mehr essen und auch da höre ich die Stimme in meinem Kopf, die mich dazu verpflichten will, auch für dieses Stück verantwortlich zu sein.

Da kenne ich noch ähnliche Geschichten. Als mich der Hieper nach Fleisch trieb. Ich weiß eigentlich, dass das meiste Fleisch qualitativ scheiße schmeckt und die Tiere leiden, doch das wird dann irgendwie ausgeblendet. Ich packe blind irgendeinen Mist in meinen Einkaufskorb. Fühle mich zu Hause bei der Zubereitung selbst wie ein Tier – Packung aufreißen, Pfanne erhitzen, Fleisch braten und es die ganze Zeit kaum erwarten können. Dann gieriges Essen und spätestens beim dritten Bissen wird mir auch hier schlecht, weil es eigentlich widerlich schmeckt. Der Rest landet dann im Müll.

Oder immer wieder diese romantische Vorstellung von einem heißen Bad. Wie man es im Fernsehen so oft sieht. Man kommt durchgefroren nach Hause und will sich stundenlang in der Badewanne entspannen. Kaum liege ich drin, finde ich es schnell unbequem und die Hitze ist auch nicht lange auszuhalten. Dann wasche ich mich frustriert und bin nach 15 Minuten wieder draußen.

Meine Phantasie betrügt mich!

Schlaraffenland

Oh man… das war gerade eben wie im Schlaraffenland.

Ich habe den ganzen Tag schon ein unbändiges Verlangen nach Obst. Immer wieder machte es sich bemerkbar. Stärker noch als meine sonstigen Cravingmomente in Bezug auf Kaffee, Zigaretten, Red-Bull, Alkohol, Cannabis.

Ich konnte es kaum noch aushalten, ohne Obst zwischen meinen Zähnen und betrat fast schon gehetzt, mit Tunnelblick Bio-Company und suchte die reduzierte Ware. Das ist immer ein Überraschungsmoment, da man nie weiß, was aussortiert wurde. Manchmal gibt es auch gar nichts. Und siehe da, die Kiste war knacke voll mit Obst und Gemüse in großer Vielfalt. Ich war selig und packte meinen Korb nach Lust und Laune, ohne auf Preise achten zu müssen.

Obst und so

Und als ich dann an der Kasse den Preis von 4,98 Euro hörte, verdoppelte sich mein Glücksmoment noch einmal, weil das mal echt ein Schnäppchen war, für so viel Gutes.

Wieder dieses tiefgreifende Gefühl vom Leben beschenkt zu werden. DANKE LEBEN! 🙂