Und noch ein Absatz

Die Blockhütte ist der Waggon, in dem ich meinen Waffenstillstand mit der Zeit geschlossen habe: Ich bin versöhnt. Die Höflichkeit gebietet schlicht, sie vorbeiziehen zu lassen. Von einem Fenster zum anderen, von einem Glas zum nächsten, zwischen den Seiten eines Buchs, hinter geschlossenen Lidern – immer geht es darum, beiseitezutreten, um ihr den Weg frei zu machen.

In den Wäldern Sibiriens; Sylvain Tesson; S. 178;

❤ Ich kann genau spüren, was er meint. Welche Erfahrung er da macht.

Dieses Buch berührt mich

Ich lese immer noch Sylvain Tesson. Seine einsame Zeit in den sibirischen Wäldern am Baikalsee.

Immer wieder so tiefsinnige Beobachtungen. Ich liebe es, mich darin einen Moment zu erkennen und im Innehalten dem nachzuspüren.

Der Gedanke, man müsste ein Foto machen, ist das beste Mittel, die Intensität eines Moments zu töten. Ich bleibe eine Stunde lang am Fenster, während die Morgendämmerung eine Riesenschau abzieht.

S. 178

Ob Stadt oder Land

Ich lese ein Buch von Sylvain Tesson. Seine einsame Zeit in den sibirischen Wäldern am Baikalsee.

Erstaunlicherweise kenne ich viele seiner Erfahrungen die er beschreibt selbst, aus meinem einsamen Großstadtleben.

Die Leere der Zeit.

Die Stille.

Die Reduktion der Dinge die man besitzt. Gleichzeitig die Zunahme der Wertschätzung gegenüber der wenigen Dinge die man besitzt.

Die Verlangsamung.

Wie der Anblick des einfallenden Lichts wunderschön sein kann.

Und vieles mehr.

Jubel

Mir ist heute zum ersten Mal, beim Staubsaugen, der Gedanke gekommen: Ich könnte danach auch einen Kaffee trinken.

Neben dem üblichen Gedankenstrom, den ich bisher ausschließlich hatte, was ich danach noch alles tun könnte. Wo ich doch all die Aufgaben durch das Saugen im Zimmer erst wieder geballt sehe.

Zeigt sich also, dass der neue Rhythmus, jeden zweiten Tag keinen Haushalt und keine Erledigen zu machen, Wirkung zeigt.

Auch wenn diese ‚Frei‘-Tage weiterhin schwer bleiben, da ich gefühlte 20 mal zu meinen eigenen Gedanken ’nein‘ sagen muss und vor der Herausforderung stehe: Was dann, wenn nicht das?

Auf dem Balkon eine Tasse Kaffee trinken hat sich scheinbar eingeprägt.

Ich freue mich voll!

Krisenplan – wenn ich den Halt verliere

2018 entwarf ich mit Hilfe dieser Seite im Internet, meinen persönlichen Krisenplan.

http://psychiatrie-erfahrene-nrw.de/psychopharmaka/selbststabilisierung.html

Ich schrieb darüber: Wege zur Selbststabilisierung

Über die Jahre gab es Anpassungen.

Heute, nach 5 Jahren und erneuter Bearbeitung dieses Plans, ereilt mich die Erkenntnis, was meine Krisen eigentlich bedeuten.

Den Halt verlieren.

Das ist es auf den Punkt gebracht. Meine Symptome nehmen zu, wenn ich den Halt verliere. Was immer mehr oder weniger Teil meines Alltags ist.

Der Krisenplan ist also immer eine gute Orientierung für mich.

Der Punkt, für Entlastung sorgen, bedeutet also schlichtweg für Halt sorgen.

Der Punkt, Schutzmaßnahmen ergreifen (über stationäre Aufnahme nachdenken), bedeutet schlichtweg in einer Institution Halt finden.

Mein gesundheitliches Leiden lässt sich schlichtweg auch mit ‚fehlendem innerer Halt‘ bezeichnen.

Alles neu…

…“macht der Mai.“ Fällt mir zu dieser Überschrift ein. 🙂

Es ist ja gar nicht mehr Mai und eigentlich ist auch nicht alles neu.

Doch stetig und sehr laaangsam verändert sich etwas in meinem Leben. Wie ich fühle, wie ich denke, wie ich handle.

Darüber wollte ich gar nicht schreiben. Ich bin es nicht mehr gewöhnt zu schreiben. Hier.

Ich denke gerade darüber nach, wie ich den Tag morgen gestalten kann. Denn neu ist, dass ich seit meinem Krisenaufenthalt in der Klinik, wieder an meiner Tagesstrukturierung bastle.

Mit dem Fokus einen Tag aktiv sein, Dinge erledigen, Haushalt machen, Termine wahrnehmen und einen Tag ’nichts‘ machen. Jedenfalls nichts von den Dingen die ich an aktiven Tagen mache.

Das ist ganz schön schwer für mich. Ganz besonders an Tagen wo ich nicht rausgehen mag. Das war gestern so. An den Tagen wo ich nachmittags rausgegangen bin, mich in einen Park gesetzt habe, ging es ganz gut. Die Sonne ist mega hilfreich gewesen.

Auf Station habe ich diesen Rhythmus 3 Wochen lang geübt. Als entspannende Beschäftigungen hatte ich das Lesen, Malen-nach-Zahlen und irgendwo draußen im Grünen sitzen, gefunden.

Da war es aber auch leichter, da der Tag noch zwei Gruppentherapien als Struktur hatte und das unter Menschen sein, auch eine Art ‚Beschäftigung‘ ist. Für mich.

Hier zu Hause bin ich für mich und es gibt keine äußere Struktur, außer die, die ich mir schaffe.

Zurück zu morgen. Ich kann mir im Moment schwer vorstellen, dass ich morgen diese Ruhe aushalte und mich auf ruhige Beschäftigungen einlassen kann. Doch das ist genau der Grund, warum ich es trotzdem üben sollte. Also auch mit Unruhe, an eine ruhige Beschäftigung setzen.

Weil mich diese Unruhe (neben anderem) in eine Krise getrieben hat. Und das ich jetzt unruhig bin, versuche ich zu erkennen, hat mit dem aktiven Tag zu tun. Ich habe Schwierigkeiten von Aktivität in Entspannung zu finden. Aktivität beschleunigt meine Gedanken und es macht irgendwie auch Spaß, Dinge erledigen zu können.

Doch es sind seit einiger Zeit sehr viele Dinge geworden, die zu erledigen sind. Viel mehr, als in den letzten vielen Jahren. Das hat mich in eine Beschleunigung gebracht, die ich nicht mehr begrenzen konnte. Und dann zu einer Überforderung, mit Schreien im Kopf und so.

Deshalb braucht es jetzt einen neuen Rhythmus. Der will gelernt werden. Das hat mein Kopf, glaube ich noch nicht verstanden. Dass ich das erst lernen muss. Darf.

Das der bloße Gedanke und Entschluss, morgen mache ich einen entspannten Tag, ohne Erledigungen und to-do´s, nicht automatisch zu einem entspannten Tag und einer gelassenen ruhigen Haltung führt.

Gut, dass ich das gerade realisiere und mal aufschreibe! Ich habe das echt gedacht! Krass.

Wie schwer es ist, mich zu entspannen. Ich brauche aktive Erinnerung, Begrenzung und Umlenkung den ganzen Tag lang.

Die ganzen letzten Jahre war das nicht so. Da hat sich die (Zwangs-)Ruhe von alleine ergeben, durch starke Erschöpfungssymptome. Ich hatte dadurch nicht viel zu tun.

Die letzten Monate bin ich wacher, klarer und lebendiger geworden. Ich habe mehr Energie und Kraft. Kann früher aufstehen. Verbringe weniger Zeit liegend auf der Couch.

Die neue Entwicklung hat mich sozusagen in ein neues Ungleichgewicht gebracht, wo es wieder neues zu Lernen gilt.

Irgendwie auch spannend.

Okay. Was ist jetzt das Ergebnis meines Nachdenkens?

Es ist okay, dass ich mir heute, mit der (noch) Beschleunigung im Kopf, den Tag morgen in Ruhe, schwer vorstellen kann. Ich erinnere mich jedoch an die Erfahrungen der letzten zwei Wochen, dass eine Beruhigung morgen trotzdem möglich sein kann. Vielleicht muss ich mich zu ruhigen Aktivitäten durchringen, was evtl. besser gelingt, da ich es hier aufgeschrieben und geteilt habe.

Evtl. werde ich mit einer Lustlosigkeit und Langeweile zu tun haben, immer die selben ruhigen Dinge zu tun. Dann darf ich in mich lauschen, ob mir noch andere ruhige Aktivitäten einfallen. Falls mir nichts einfällt, darf ich auch erst einmal etwas lustlos beginnen und abwarten, ob sich daraus ein neues Gefühl entwickelt.

Es ist okay, wenn mir das nicht leicht fällt. Es ist okay, wenn mir das Stress erzeugt, obwohl ich Stress vermeiden möchte. Ich lerne und übe noch.